Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Die Behandlung des fortgeschrittenen oder metastasierten nichtkleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Gezielt wirkende Substanzen können bei Patienten mit bestimmten Treibermutationen eingesetzt werden und Immuntherapeutika wie Pembrolizumab (Keytruda®) wirken bei einer Reihe verschiedener klinischer Situationen. Pembrolizumab kann allein oder in Kombination mit Chemotherapie eingesetzt werden. Beispielsweise war eine Pembrolizumab-Monotherapie in der KEYNOTE-024-Studie bei nicht vorbehandelten Patienten mit metastasiertem NSCLC und PD-L1-Expression ≥ 50 % einer Platin-basierten Chemotherapie überlegen.
Patienten mit PD-L1-Expression ≥ 1 %
In der KEYNOTE-042-Studie (Tab. 1)wurde nun untersucht, ob Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei Patienten mit PD-L1-Expression ≥ 1 % einer Platin-basierten Chemotherapie überlegen ist. In die Phase-III-Studie wurden 1274 nicht vorbehandelte Patienten mit NSCLC und PD-L1-Expression ≥ 1 % aufgenommen, die keine EGFR- und ALK-Mutationen aufwiesen. Randomisiert wurden 637 Patienten mit Pembrolizumab (200 mg alle drei Wochen bis zu 35 Zyklen) und 637 Patienten mit bis zu sechs Zyklen Carboplatin/Paclitaxel oder Carboplatin/Pemetrexed behandelt. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben (OS) in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression, zu den sekundären Endpunkten gehörten das progressionsfreie Überleben (PFS), die Ansprechraten (ORR) und die Verträglichkeit.
Tab. 1. Studiendesign KEYNOTE 042
Erkrankung |
Fortgeschrittenes NSCLC mit PD-L1-Expression |
Studienziel |
Pembrolizumab als Erstlinientherapie bei PD-L1-Expression ≥ 1 % gegenüber Platin-basierter Chemotherapie |
Studientyp/Design |
Randomisiert, interventionell, offen, parallel, Phase III |
Patienten |
1274 nicht vorbehandelte Patienten ohne EGFR- und ALK-Mutationen |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Gesamtüberleben |
Sekundäre Endpunkte |
Progressionsfreies Überleben; Ansprechrate |
Sponsor |
Merck Sharp & Dohme |
Studienregisternummer |
NCT02220894 (ClinicalTrials.gov) |
ALK: anaplastische Lymphomkinase; EGFR: epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor; NSCLC: nichtkleinzelliges Lungenkarzinom; PD-L1: programmed cell death ligand 1
Vorgestellt wurden in Chicago die Ergebnisse der zweiten, vorgeplanten Interimsanalyse mit einer medianen Nachbeobachtungszeit von 12,8 Monaten. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bei 63 Jahren, rund 70 % waren Männer. Knapp 30 % der Patienten wurden in Ostasien rekrutiert. Rund 39 % der Patienten litten an einem Plattenepithelkarzinom, 78 % hatten geraucht. Eine PD-L1-Expression ≥ 50 % lag bei 599 Patienten, eine von ≥ 20 % bei 818 Patienten vor.
Die Ergebnisse zum OS und zum PFS in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression sind in Tabelle 2 und 3 zusammengefasst.
Tab. 2. KEYNOTE-042-Studie: Primärer Endpunkt Gesamtüberleben (OS) im Median in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression [nach Lopes et al. 2018]
PD-L1-Expression |
OS Pembrolizumab |
OS Chemotherapie |
Hazard-Ratio |
p-Wert |
≥ 50 % |
20 (15,4–24,9) |
12,2 (10,4–14,2) |
0,69 (0,56–0,85) |
0,0003 |
≥ 20 % |
17,7 (15,3–22,1) |
13,0 (11,6–15,3) |
0,77 (0,64–0,92) |
0,002 |
≥ 1 % |
16,7 (13,9–19,7) |
12,1 (11,3–13,3) |
0,81 |
0,0018 |
Tab. 3. KEYNOTE-042-Studie: Sekundärer Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS) im Median in Abhängigkeit von der PD-L1-Expression [nach Lopes et al. 2018]
PD-L1-Expression |
PFS Pembrolizumab |
PFS Chemotherapie |
Hazard-Ratio |
p-Wert |
≥ 50 % |
7,1 (5,9–9,0) |
6,4 (6,1–6,9) |
0,81 (0,67–0,99) |
0,0170 |
≥ 20 % |
6,2 (5,1–7,8) |
6,6 (6,2–7,3) |
0,94 (0,80–1,11) |
|
≥ 1 % |
5,4 (4,3–6,2) |
6,5 (6,3–7,0) |
1,07 |
Auf Pembrolizumab sprachen 39,5 % (PD-L1-Expression ≥ 50 %), 33,4 % (PD-L1-Expression ≥ 20 %) bzw. 27,3 % (PD-L1-Expression ≥ 1 %) der Patienten an, mit Chemotherapie waren es 32,0 %, 28,9 % bzw. 26,5 %. Mit 20,2 Monaten hielt das Ansprechen unter Pembrolizumab jedoch bedeutend länger an als unter Chemotherapie mit 8,3 Monaten.
Pembrolizumab besser verträglich
Die Patienten der Pembrolizumab-Gruppe erhielten im Median neun Dosen, die der Chemotherapie-Gruppe sechs Gaben. Unerwünschte Wirkungen vom Grad ≥ 3 wurden bei 17,8 % unter Pembrolizumab und bei 41 % unter Chemotherapie beobachtet. In der Pembrolizumab-Gruppe waren jedoch immunvermittelte Nebenwirkungen wie erwartet mit 27,8 % häufiger als in der Chemotherapie-Gruppe mit 7,2 %.
Fazit der Autoren
Die Daten zeigen, dass Pembrolizumab im Vergleich zu Platin-basierter Chemotherapie in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit einer PD-L1-Expression ≥ 1 % das OS signifikant verbessert. Der Nutzen von Pembrolizumab ist umso größer, je stärker die PD-L1-Expression ist. Beim PFS konnte mit Pembrolizumab kein deutlicher Effekt gesehen werden, das externe Datenüberwachungskomitee empfahl deshalb die Fortführung der Studie.
„Keynote 042 ist damit die erste Studie mit dem primären Endpunkt OS, die eine Überlegenheit von Pembrolizumab über eine Platin-basierte Chemotherapie bei nicht vorbehandelten Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit PD-L1-Expression ≥ 1 %, jedoch ohne EGFR-Mutationen oder ALK-Translokationen zeigt“, so die Zusammenfassung. Das Fazit lautete: „Diese Daten bestätigen die Rolle einer Pembrolizumab-Monotherapie als Standard in der Erstlinienbehandlung von Patienten mit PD-L1-exprimierenden Tumoren.“
Keine One-size-fits-all-Krankheit
Diskutantin Prof. Dr. Leena Gandhi, NYU Perlmutter Cancer Center, New York City, betonte, dass PD-L1-Inhibitoren zwar „die Landschaft verändert“ hätten, dass aber offen sei, welche Patienten mit diesen Substanzen behandelt werden sollten. Die Verteilung der PD-L1-Expression in der KEYNOTE 042 sei wie erwartet gewesen. Die gute Wirkung von Pembrolizumab auf das OS war jedoch vor allem durch die Gruppe der Patienten mit einer PD-L1-Expression ≥ 50 % bedingt. Die Kosten sind ein weiterer Faktor für eine Therapieentscheidung, sie liegen nach Angaben von Gandhi in den USA für eine zwölfwöchige Pembrolizumab-Behandlung bei gut 38 000 US-Dollar, für Carboplatin/Paclitaxel bei 350 US-Dollar.
Biomarker spielen eine große Rolle für die Auswahl der Therapie. Mit der Bestimmung der PD-L1-Expression könne zwar eine Population von Patienten selektiert werden, die von der Erstlinientherapie mit Pembrolizumab profitieren könne, allerdings könnten damit nicht die Patienten gefunden werden, die von der Behandlung nicht profitierten. Außerdem gäbe es Unterschiede bei den verschiedenen Assays. Die Mutationslast des Tumors (TMB) als Marker könnte den Marker PD-L1-Expression sinnvoll ergänzen. Zusammen hätten diese Marker eine additive prädiktive Aussagekraft. Eine weitere Verfeinerung der Biomarker werde künftig bessere Voraussagen erlauben, welcher Patient von welcher Therapie am besten profitieren könne.
Chemotherapie allein sieht Gandhi nicht länger als Standard in der Erstlinienbehandlung des NSCLC an, aber Pembrolizumab allein sei auch nicht der Standard für alle Patienten. Der Effekt von Pembrolizumab sei umso besser, je höher die PD-L1-Expression sei. PD-L1 sei ein geeigneter, wenngleich kein perfekter Biomarker und er sollte verwendet werden. So fasste sie ihre Aussagen zusammen: „Lungenkrebs ist nicht länger One size fits all: Verwendet Biomarker, um die beste individuelle Option für jeden einzelnen Pateinten auszuwählen.“
Quelle
Lopes G, et al. Pembrolizumab versus platinum-based chemotherapy as first-line therapy for advanced/metastatic NSCLC with a PD-L1 tumor proportion score (TPS) ≥ 1 %: Open-label, phase-III-KEYNOTE-042 study. 2018 ASCO Annual Meeting, Chicago, 1. bis 5. Juni 2018, Abstract LBA4. https://meetinglibrary.asco.org/record/165 950/abstract .
Arzneimitteltherapie 2018; 36(10):348-349