Fortgeschrittene kolorektale Karzinome

Hypertherme intraperitoneale Chemotherapie ohne Nutzen bei Peritonealkarzinose


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annette Junker, Wermelskirchen

Bei vielen Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen haben die Krebszellen bereits bei der Erstdiagnose in den Bauchraum und das die Bauchhöhle auskleidende Bauchfell gestreut. In vielen Ländern gehört es zum Therapiestandard, diese Patienten während der operativen Entfernung des Darmtumors mit einer erhitzten Chemotherapie im Peritoneum zu behandeln. In der ersten randomisierten Studie, die sich hiermit beschäftigte, konnte gezeigt werden, dass das für die Patienten aber keinen Benefit bringt. Sie wurde während des 54. Amerikanischen Krebskongresses (ASCO) in Chicago vorgestellt.

Als Peritonealkarzinose wird ein flächiger Befall des Bauchfells (Peritoneums) mit bösartigen Tumorzellen bezeichnet. Meist handelt es sich dabei um Metastasen anderer im Bauchraum gelegener Tumoren. Bei 10 bis 20 % aller Patienten mit einem malignen Tumor des Magens, des Darms und der Eierstöcke haben die Krebszellen bereits bei der Erstdiagnose in den Bauchraum und das die Bauchhöhle auskleidende Bauchfell gestreut. Im Spätstadium der Peritonealkarzinose kann das anwachsende Tumorvolumen die Funktion anderer Bauchorgane beeinträchtigen. Es kann zum Darmverschluss und zum Nierenstau kommen. Durch eine lokale Ausschüttung von Entzündungsfaktoren kann die Durchlässigkeit der Gefäßwände im Bauchraum erhöht werden, sodass sich ein maligner Aszites entwickelt. Peritonealkarzinosen sind durch herkömmliche Chemotherapie kaum zu heilen. Das liegt unter anderem daran, dass die Zytostatika über das Blutgefäßsystem verabreicht werden und so hauptsächlich in gut durchblutete Organe gelangen. Das Bauchfell ist aber vergleichsweise schlecht durchblutet, sodass die Zytostatika dort nicht ausreichend hoch dosiert werden können. Deshalb hat sich in einigen Therapiezentren seit einigen Jahren die sogenannte Hypertherme intraperitoneale Chemotherapie (HIPEC) etabliert. Dabei handelt es sich um eine intraoperative Chemotherapie, die unmittelbar nach der operativen Entfernung des Tumors direkt in die Bauchhöhle gespült wird. Sie wird dabei zuvor auf 41 bis 42 °C erwärmt, was die Durchblutung des Bauchraums und damit die Wirksamkeit der Zytostatika verstärken soll.

Die PRODIGE-7-Studie

In die PRODIGE-7-Studie wurden in Frankreich 265 Patienten mit kolorektalen Karzinomen des Stadiums IV und Peritonealkarzinose aber ansonsten keinen anderen Metastasen aufgenommen. Der Peritoneal Cancer Index (PCI) dieser Patienten war < 25. Sie wurden randomisiert und dann entweder operiert und erhielten zusätzlich eine HIPEC oder sie wurden nur operiert. Die HIPEC bestand aus Oxaliplatin 460 mg/m2 in 30 Minuten, erhitzt auf 43 °C plus 20 mg/m2 Folinsäure plus 400 mg/m2 5-FU. Alle Patienten erhielten zusätzlich sechs Monate lang eine systemische Chemotherapie nach Wahl des Arztes, entweder präoperativ, postoperativ oder beides. Eine Stratifizierung nach Studienzentrum, Operationsergebnis (R0/1 vs. R2) und neoadjuvanter Chemotherapie wurde vorgenommen. Auch eine Einteilung nach dem PCI der Patienten wurde vorgenommen (PCI < 11, PCI 11–15 und PCI 16–24). Primärer Studienendpunkt war das Gesamtüberleben (OS), sekundäre Endpunkte die rückfallfreie Zeit (RFS) und die Sicherheit.

HIPEC ohne Einfluss

Nach einem medianen Follow-up von 64 Monaten betrug das mediane Gesamtüberleben 41,2 Monate in der Nicht-HIPEC-Gruppe vs. 41,7 Monate in der HIPEC-Gruppe. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant (Abb. 1). Auch die mediane RFS unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (11,1 vs. 13,1 Monate; p = 0,486). Innerhalb der ersten 30 Tage gab es auch keine Unterschiede in Bezug auf die Nebenwirkungen. Nach 60 Tagen war jeoch die Komplikationsrate in der HIPEC-Gruppe fast doppelt so hoch wie in der Nicht-HIPEC-Gruppe (24,1 % vs. 13,6 %). Die Studienautoren bewerteten die Überlebensraten für die nur operierten Patienten als unerwartet hoch. Bei den Subgruppenanalysen ergab sich nur ein kleiner Unterschied in Bezug auf den PCI: Patienten mit mittlerer Krankheitsausbreitung in der Bauchhöhle (PCI 11–15) könnten eventuell von der HIPEC mit Oxaliplatin profitiert haben (Hazard-Ratio 0,437; 95%-Konfidenzintervall 0,21–0,90). Wegen der geringen Anzahl an Patienten kann aber diesbezüglich keine Empfehlung ausgesprochen werden. In weiteren Studien sollte nach Ansicht der Experten erforscht werden, ob andere Chemotherapeutika als Oxaliplatin in der HIPEC zu besseren Erfolgen für diese Patienten führen können.

Abb. 1. Das Gesamtüberleben unterschied sich in der PRODIGE-7-Studie nicht bei den Patienten, die zusätzlich zur Operation mit HIPEC behandelt worden waren und denen, die nur operiert worden waren. (Quelle: nach Francois Quenet, ASCO 2018, Chicago)

Quelle

Quenet F, et al. A UNICANCER phase III trial of hyperthermic intra-peritoneal chemotherapy (HIPEC) for colorectal peritoneal carcinomatosis (PC): PRODIGE 7. J Clin Oncol 2018;36(Suppl): Abstr. LBA3503.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(10):350-371