Dr. Annette Junker, Wermelskirchen
Bei einem von sechs Kindern und jungen Erwachsenen, bei denen akute lymphatische Leukämie oder ein akutes lymphozytisches Lymphom (ALL/LL) diagnostiziert wird, handelt es sich um ein T-ALL bzw. T-LL. Trotz sehr intensiven Therapien, die diese Patienten in den Jahren 2000 bis 2005 von der Children´s Oncology Group (COG) erhielten, überlebten 20 % von ihnen nicht. Um die Überlebensraten zu verbessern, sind daher neue Arzneimittel bzw. Therapieregime nötig.
Nelarabin ist ein Prodrug von Arabinofuranosylguanin (ara-G), das intrazellulär zu dem toxischen Metaboliten Ara-GTP phosphoryliert wird. Ara-GTP akkumuliert in T-Lymphoblasten in größerem Ausmaß als in B-Zellen und reifen T-Zellen. Nelarabin ist seit 2005 von der FDA zugelassen für die Behandlung von Patienten mit T-ALL und T-LL, die schon unter mindestens zwei Vortherapie-Regimen progredient geworden sind. In der COG-AALL0434-Studie sollte nun sein Einsatz als Kombinationspartner zu bestehenden Therapie-Regimen in der Erstlinientherapie getestet werden.
Studiendesign
Die Studie begann im Jahr 2007 und schloss Patienten im Alter von einem bis 30 Jahren ein, bei denen entweder T-ALL (94 % der Studienteilnehmer) oder T-LL (6 % der Studienteilnehmer) diagnostiziert wurde. Mit 1895 Patienten ist sie die größte randomisierte Studie, die jemals mit dieser Patientenklientel durchgeführt wurde. Alle Patienten erhielten das standardisierte, komplexe Chemotherapie(CT)-Regime, das bekannt ist als COG augmented Berlin-Frankfurt-Munster-(aBFM-)Chemotherapie [2]. Zusätzlich zu der aBFM-Therapie wurden die Patienten auf vier Arme randomisiert und erhielten entweder in einem Krankenhaus eine Hochdosis-Chemotherapie aus Methotrexat (HD-MTX) mit Leucovorin-Rescue oder aber eskalierende Dosen von Methotrexat in einem ambulanten Therapie-Setting ohne Leucovorin-Rescue (CMTX). Die Patienten mit moderaterem oder hohem Rückfallrisiko wurden wiederum randomisiert und erhielten entweder zusätzlich zu den MTX-Regimen Nelarabin (Nel) und eine kraniale Bestrahlung oder nicht (nicht-Nel).
Länger leben mit Nelarabin
Bei allen randomisierten T-ALL-Patienten betrugen die Raten an rückfallfreien Überleben (DFS) bzw. Gesamtüberleben (OS) nach vier Jahren 84,3 bzw. 90,2 %. Die Vier-Jahres-DFS-Rate für die Patienten mit erhöhtem Rückfallrisiko im Nel-Arm (n = 323) betrug 88,9 versus 83,3 % im nicht-Nel-Arm (p = 0,0332). Um einen Benefit von Nelarabin bei den Patienten mit T-LL zu zeigen, war die Patientenzahl zu gering (n=60 vs. 58 Patienten). Im Gegensatz zu anderen kleinen Studien profitierten T-ALL-Patienten in dieser Studie mehr von den eskalierenden Methotrexat-Dosen als von einer Hochdosis-MTX-Therapie. So betrugen die Vier-Jahres-Überlebensraten hier 89,8 % versus 78 % im HD-MTX-Arm. Bei den Patienten, die sowohl Nelarabin als auch die eskalierenden MTX-Dosen bekommen hatten, betrug die Vier-Jahres-DFS-Rate sogar 92,2 %. Bei den Patienten, die keine Remission nach der ersten Induktions-CT erreichten und dann die HD-MTX-Therapie plus Nelarabin erhielten, betrug die 4-Jahres-DFS-Rate 54,8 %. Das bedeutet einen deutlichen Fortschritt, da bislang Patienten, die nach der Erstlinientherapie keine Remission erzielten, höchstens noch drei weitere Jahre lebten. Zwischen Nelarabin und MTX kam es zu keinen signifikanten Interaktionen (p = 0,28). Die Gesamttoxizität und Neurotoxizität war akzeptabel und unterschied sich nicht in allen vier Armen.
Nächste Schritte
Die meisten Ärzte neigen dazu, Patienten mit T-Zell-Leukämien immer weniger kranial zu bestrahlen, da es zu späten Nebenwirkungen wie kognitiven Defiziten, Lernschwierigkeiten, neuroendokrinen Veränderungen und Zweitneoplasien kommen kann. Deshalb wollen die Forscher im nächsten Schritt ermitteln, ob es auch zu ähnlich großen Vorteilen wie in dieser Studie kommt, wenn nur Nelarabin zu dem Chemotherapie-Protokoll ergänzt wird, ohne dass die Patienten auch kranial bestrahlt werden.
Literatur
1. Dunsmore KP, et al. COG AALL0434: A randomized trial testing nelarabine in newly diagnosed t-cell malignancy. J Clin Oncol 2018;36(Suppl): Abstr. 10500.
2. Nachman JB, Sather HN, Sensel MG, et al. Augmented post-induction therapy for children with high-risk acute lymphoblastic leukemia and a slow response to initial therapy. N Engl J Med 1998;338:1663–71.
Arzneimitteltherapie 2018; 36(10):350-371