Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Viele Frauen im gebärfähigen Alter mit einer Epilepsie benötigen eine antiepileptische Therapie. Ein besonderes Merkmal der Antiepileptika ist ihr teratogenes Risiko. Das International Registry of Antiepileptic Drugs and Pregnancy (EURAP) wurde 1999 etabliert, es erfasst an 1500 Epilepsie-Zentren in 42 Ländern Schwangerschaften bei Frauen, die zum Zeitpunkt der Konzeption mindestens ein Antiepileptikum einnehmen.
In einer prospektiven Kohortenstudie mit den Daten des EURAP sollten die teratogenen Risiken von acht wichtigen Antiepileptika verglichen werden. Sie umfasste den Zeitraum von Juni 1999 bis Mai 2016. Der Gesundheitsstatus von Mutter und Kind wurde nach jedem Trimester, bei der Geburt und ein Jahr nach der Geburt erfasst. Primärer Endpunkt der Analyse war das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen ein Jahr nach Geburt bei Frauen, die Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Phenobarbital, Phenytoin, Topiramat oder Valproinsäure in der Schwangerschaft eingenommen hatten. Lagen ausreichend Daten vor, wurde auch versucht, eine Dosisabhängigkeit der schwerwiegenden kongenitalen Missbildungen zu berechnen.
Ergebnisse
Von den zwischen Juni 1999 und Mai 2016 erfassten 21 875 Schwangerschaften erfüllten 7555 Schwangerschaften die Einschlusskriterien der Analyse. Die Mütter waren zum Zeitpunkt der Konzeption im Mittel 30 Jahre alt, 87 % der Patientinnen lebten in Europa. Bei 71 % der Frauen war die Substitution mit Folsäure nicht ausreichend. Das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen ist in Tabelle 1 zusammengefasst.
Tab. 1. Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen bei Behandlung von schwangeren Frauen mit Antiepileptika [mod. nach Tomson et al.]
Antiepileptikum |
Missbildungen/Schwangere [n] |
Prävalenz [%] |
Valproinsäure |
142/1381 |
10,3 |
Phenobarbital |
19/294 |
6,5 |
Phenytoin |
8/125 |
6,4 |
Carbamazepin |
107/1957 |
5,5 |
Topiramat |
6/152 |
3,9 |
Oxcarbazepin |
10/333 |
3,0 |
Lamotrigin |
74/2514 |
2,9 |
Levetiracetam |
17/599 |
2,8 |
Bei vier Antiepileptika ergab sich ein Zusammenhang zwischen der Tagesdosis und einem erhöhtem Missbildungsrisiko. Das Risiko nahm zu bei einer Tagesdosis von Lamotrigin > 325 mg/Tag, von Carbamazepin > 700 mg/Tag, von Valproinsäure > 650 mg/Tag und von Phenobarbital > 80 mg/Tag. Im direkten Vergleich waren nach Valproinsäure und Carbamazepin die Missbildungsraten höher als unter Levetiracetam.
Kommentar
Die EURAP-Studie ist die bisher größte Studie, die prospektiv das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen bei acht verschiedenen Antiepileptika untersucht hat. Dabei zeigte sich, dass Oxcarbazepin, Levetiracetam und Lamotrigin ein Missbildungsrisiko haben, wie es auch ohne die Einnahme von Antiepileptika zu erwarten ist. Das höchste Missbildungsrisiko besteht für Valproinsäure, ein hohes für Phenobarbital, Carbamazepin und Phenytoin. Diese Daten sind für die Beratung von Patientinnen mit Epilepsie, die schwanger werden, außerordentlich wichtig. Im Einzelfall muss die antiepileptische Therapie umgesetzt werden bzw. es muss kritisch überprüft werden, ob eine antiepileptische Therapie noch notwendig ist. Das EURAP-Register erlaubt mit dieser Auswertung keine Aussage darüber, wie das Risiko schwerwiegender kongenitaler Missbildungen bei der Kombination von Antiepileptika ist.
Für die Beratung von Schwangeren ist aber nicht nur wichtig, dass Valproinsäure das Missbildungsrisiko erhöht, sondern dass auch Kinder von Müttern, die während der Schwangerschaft Valproinsäure einnehmen, sich später schlechter intellektuell entwickeln als Kinder, deren Mütter mit anderen Antiepileptika behandelt wurden oder die keine antiepileptische Therapie benötigten.
Quelle
Tomson T, et al. Comparative risk of major congenital malformations with eight different antiepileptic drugs: a prospective cohort study of the EURAP registry. Lancet Neurol 2018;17:530–8.
Arzneimitteltherapie 2018; 36(11):399-410