Onkologie

Überlebenszeit ist bei Anwendung komplementärer Krebstherapien verringert


Dr. Maren Mundt, Duingen

Eine Krebsdiagnose ist eine existenzielle Bedrohung und vielen Patienten fällt es schwer, die evidenzbasierte konventionelle Krebstherapie als ihre vielleicht einzige Chance zu akzeptieren. Komplementäre Therapien decken offenbar ein wichtiges Bedürfnis. Die ergänzenden Therapiestrategien führen aber nicht zu einer besseren Prognose. Im Gegenteil: Wissenschaftler der Yale-Universität haben gezeigt, dass sich die Anwendung von komplementären Therapien negativ auf die Überlebenszeit auswirkt. Die genauen Gründe dafür sind unklar.

In der Datenanalyse wurde die Gesamtüberlebenszeit (OS) von Krebspatienten ermittelt, die zusätzlich zur konventionellen Therapie (CCT) – also Chemotherapie, Radiotherapie, Operation und Hormontherapie – auch komplementäre Therapieverfahren (CM) angewendet hatten. Die Daten wurden mit der OS von Patienten verglichen, die ausschließlich mit CCT behandelt worden waren. Die Autoren haben bereits eine Publikation zur Anwendung von alternativen Krebstherapien anstelle von CCT publiziert [1]. Mit ihrer neuen Analyse wollten sie herausfinden, wie sich zusätzlich zur CCT angewendete nicht evidenzbasierte Therapieverfahren auf die Prognose auswirken. Die Vermutung war, dass auch Patienten, die CCT und zusätzlich CM anwenden, ihre konventionellen Therapien kritisch sehen und ihre CCT-Adhärenz sich deshalb verschlechtern könnte.

Hoffnung und Lebensqualität

Die Basis der Analyse waren Diagnosen von Brust-, Prostata-, Lungen- und Darmkrebs, die zwischen Januar 2004 und Dezember 2013 in der „National Cancer Database“ der USA dokumentiert wurden. Die Patienten der CM-Gruppe hatten mindestens eine CCT erhalten. Als komplementäre Therapien kamen „andere Krebstherapien mit unbewiesener Wirksamkeit, die von nicht medizinisch ausgebildeten Personen verabreicht wurden“ infrage. Das waren unter anderem pflanzliche Wirkstoffe, Krebsdiäten, Vitamine und Homöopathie. Die Patienten wollten damit ihre Lebensqualität verbessern und Hoffnung schöpfen. Zum Teil sahen sie CM auch als Alternative für adjuvante Krebstherapien.

Die Kohorte umfasste 1 901 815 Krebspatienten: 258 in der Gruppe, in deren Datenblättern auch CM dokumentiert waren, und 1 901 557 in der CCT-Gruppe. Für das „Matching“ wurden aus der CCT-Gruppe 1032 Patienten ausgewählt, deren Charakteristika (u. a. Alter, Krebserkrankung, Stadium, Komorbiditäten, Art der Krankenversicherung) zu den 258 Patienten der CM-Gruppe passten. Das Verhältnis war also 1 : 4.

Studienergebnisse

Patienten der CM-Gruppe verzögerten nicht den Beginn der CCT, verweigerten aber häufiger eine Operation (7 % vs. 0,1 %), Chemotherapie (34 % vs. 3,2 %), Radiotherapie (53 % vs. 2,3 %) oder Hormontherapie (33,7 % vs. 2,8 %). Sie waren häufiger weiblich, jünger, gebildeter und wohlhabender als die Vergleichsgruppe. Außerdem waren sie eher privatversichert und hatten seltener Komorbiditäten.

Patienten mit Brustkrebs (Odds-Ratio [OR] 7,26; 95%-Konfidenzintervall [KI] 3,29–16,02), oder Darmkrebs (OR 4,20; 95%-KI 2,23–7,95) nahmen häufiger CM-Anwendungen in Anspruch als Patienten mit Prostatakarzinomen. Auch war eine Erkrankung im klinischen Stadium III häufiger mit CM (OR 1,68; 95%-KI 1,12–2,51) assoziiert als Krebs im Stadium I.

Die 5-Jahres-Überlebensrate war mit CM 4,4 % geringer als ohne: 82,2 % (95%-KI, 76,0%-87,0 %) vs. 86,6 % (95%-KI, 84,0 %–88,9 %; p = 0.001).

Fazit der Autoren

Die Autoren gehen davon aus, dass die Patienten ihre CM-Anwendungen häufig verschweigen. Deshalb empfehlen sie, dass Ärzte das Thema von sich aus ansprechen und mit ihren Patienten diskutieren.

Quelle

Johnson SB, et al. Complementary medicine, refusal of conventional cancer therapy, and survival among patients with curable cancers. JAMA Oncol published online July 19, doi:10.1001/jamaoncol.2018.2487.

Literatur

1. Skyler B, et al. Use of alternative medicine for cancer and its impact on survival. J Natl Cancer Inst 2018;110:121–4.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(11):399-410