Fortgeschrittenes Mammakarzinom

Talazoparib: ein neuer, effektiver PARP-Inhibitor bei BRCA-mutiertem Brustkrebs


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Miriam Sonnet, Rheinstetten

Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und einer BRCA-Keimbahnmutation können möglicherweise von einer weiteren Therapieoption profitieren. Der PARP-Inhibitor Talazoparib war in einer Phase-III-Studie einer Standardchemotherapie hinsichtlich verschiedener Endpunkte überlegen.

Mammakarzinome mit Mutationen in den Genen BRCA1/2 (Breast cancer susceptibility genes 1/2) können keine DNA-Doppelstrangbrüche reparieren. Sie sind daher vermehrt auf die Reparatur von Einzelstrangbrüchen angewiesen, an der unter anderen das Enzym PARP (Poly-adenosine diphosphate-ribose-polymerase) beteiligt ist. Wird es inhibiert, kommt es vermehrt zu nicht reparierten Einzelstrangbrüchen, was zum Absterben der Tumorzellen führt [2]. Die PARP-Inhibitoren hemmen dabei nicht nur die katalytische Aktivität der Polymerase, sondern fangen sie außerdem direkt an den DNA-Schäden ein und halten sie dort fest. In Studien wurde gezeigt, dass dieses „Trapping“ den Inhibitor noch effektiver macht [3, 4]. Allerdings variiert die Effizienz dieser Eigenschaft zwischen den verschiedenen Inhibitoren.

Talazoparib hat, im Vergleich zu anderen PARP-Hemmern, ein 100-fach höheres Trapping-Potenzial und wird zurzeit in klinischen Studien untersucht [1, 4, 5]. Die Autoren einer neuen Phase-III-Studie (EMBRACA) verglichen nun Effizienz und Sicherheit von Talazoparib mit verschiedenen Standard-Chemotherapien bei Patientinnen mit BRCA-mutiertem fortgeschrittenem Brustkrebs.

Studiendesign

Die Autoren randomisierten die Probandinnen 2 : 1 zu entweder Talazoparib oder einem Standardchemotherapeutikum. Die Studiendetails sowie primäre und sekundäre Endpunkte sind in Tabelle 1 gezeigt. Zudem wurden die Patientinnen unter anderem nach ihrer Lebensqualität und Zufriedenheit befragt.

Tab. 1. Studiendesign von EMBRACA [nach Litton JK et al. 2018]

Erkrankung

Brustkrebs

Studienziel

Effizienz und Sicherheit von Talazoparib im Vergleich zur einer Standardchemotherapie bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und BRCA-Keimbahnmutation

Studientyp

Interventionsstudie

Studienphase

Phase III

Studiendesign

Offen, randomisiert, international

Eingeschlossene Patienten

431 Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs (BRCA-Keimbahnmutation)

Intervention

Ursprünglich wurden 287 zu Talazoparib und 144 zu einem Standardtherapeutikum randomisiert. Eine Probandin aus der Talazoparib-Gruppe und 18 Probandinnen aus dem Standardtherapiearm zogen ihr Einverständnis zurück und wurden daher nicht behandelt. Bei allen anderen erfolgte die Intervention wie folgt:

  • 1 mg Talazoparib oral einmal täglich (n = 286)
  • Standardchemotherapie (n = 126): Capecitabin, Eribulin, Gemcitabin oder Vinorelbin in 21-Tages-Zyklen, Dosierung jeweils entsprechend den Leitlinien

Primäre Endpunkte

Progressionsfreies Überleben

Sekundäre Endpunkte

Gesamtüberleben, objektive Ansprechrate, klinischer Nutzen nach 24 Wochen (definiert als komplette Ansprechrate, partielle Ansprechrate oder stabile Erkrankung nach 24 Wochen oder mehr) und die Dauer des Ansprechens

Sponsor

Pfizer

Studienregisternummer

NCT01945775 (ClinicalTrials.gov)

Talazoparib ist Standard-therapeutikum überlegen

Der neue PARP-Inhibitor überzeugte sowohl bei den primären als auch bei den sekundären Endpunkten (Tab. 2). Bei 37 % der Patientinnen, die mit dem PARP-Inhibitor behandelt worden waren, schritt die Erkrankung auch nach einem Jahr nicht voran (vs. 20 % mit Standardchemotherapie). Das Hazard-Ratio für eine Krankheitsprogression oder den Tod betrug 0,54 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,41–0,71; p < 0,001). Zudem war in allen klinisch relevanten Subgruppen (z. B. Einteilung nach BRCA1/2-Mutation, Hormonrezeptorstatus, Hirnmetastasen) das Risiko einer Krankheitsprogression unter Talazoparib geringer als mit einer der gewählten Chemotherapien.

Tab. 2. Studienergebnisse von EMBRACA [nach Litton JK et al. 2018]

Talazoparib

Standardtherapie

Progressionsfreies Überleben

8,6 Monate (95%-Konfidenzintervall [KI] 7,2–9,3)

5,6 Monate (95%-KI 4,2–6,7)

Medianes Gesamtüberleben (Interimsanalyse)

22,3 Monate (95%-KI 18,1–26,2)

19,5 Monate (95%-KI 16,3–22,4)

Objektive Ansprechrate

62,6 % (95%-KI 55,8–69)

27,2 % (95%-KI 19,3–36,3)

Mediane Zeit bis zum Ansprechen

2,6 Monate

1,7 Monate

Dauer des Ansprechens

5,4 Monate

3,1 Monate

Klinische Benefitraten nach 24 Wochen

68,6 % (95%-KI 62,9–74)

36,1 % (95%-KI 28,3–44,5)

Zum Zeitpunkt der ersten Analyse waren 163 Patientinnen verstorben, davon 108 unter Talazoparib- und 55 unter Standardchemotherapie. Mit dem PARP-Inhibitor erreichten 5,5 % der Patienten ein komplettes Ansprechen (vs. 0 Patienten).

Akzeptables Sicherheitsprofil

Nebenwirkungen, die unter Talazoparib auftraten, umfassten Anämien, Fatigue und Nausea; mit Standardchemotherapie waren die häufigsten Nebenwirkungen Nausea, Fatigue und Neutropenien. Hämatologische Ereignisse vom Grad 3 oder 4 traten bei 55 % bzw. 38 % der Patientinnen auf. Nichthämatologische Ereignisse gab es bei 32 % bzw. 58 % der Probandinnen. 5,9 % der Teilnehmerinnen mussten die Talazoparib-Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen (vs. 8,7 %). Bei 66 % bzw. 60 % der Patientinnen erfolgte eine Dosisanpassung.

Schwere Nebenwirkungen, die auf das Studienmedikament zurückgeführt werden konnten, traten bei 9 % der Probandinnen (beide Gruppen) auf. In beiden Studienarmen gab es je einen Todesfall aufgrund der Medikamentengabe. Kardiovaskuläre Toxizitäten wurden von den Autoren nicht beobachtet.

Die Patientinnen der Talazoparib-Gruppe berichteten über eine Verbesserung der Lebensqualität; im Standardtherapiearm klagten die Probandinnen über eine Verschlechterung (3,0 [95%-KI 1,2–4,8] vs. −5,4 [95%-KI −8,8 bis −2,0]; p < 0,001). Mit dem PARP-Inhibitor war zudem die Zeit bis zur klinischen Verschlechterung verzögert.

Fazit

Mit Talazoparib war das Risiko einer Krankheitsprogression oder dem Tod, im Vergleich zu einer Standardtherapie, bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Brustkrebs und BRCA-Keimbahnmutation um 46 % geringer. Auch die sekundären Endpunkte sprachen für den PARP-Inhibitor. Die Autoren betonen außerdem, dass die Nebenwirkungen vom Grad 3 bis 4 unter Talazoparib hämatologische Anomalien ohne klinischen Folgen darstellten, und nicht in einem Abbruch der Therapie resultierten.

Quelle

Litton JK, Rugo HS, Ettl J, Hurvitz SA, et al. Talazoparib in patients with advanced breast cancer and a germline BRCA mutation. N Engl J Med 2018;379:753–63.

Literatur

1. de Bono J, Ramanathan RK, Mina L, et al. Phase I, dose-escalation, two-part trial of the PARP inhibitor talazoparib in patients with advanced germline BRCA1/2 mutations and selected sporadic cancers. Cancer Discov 2017;7:620–9.

2. Javle M, Curtin NJ. The potential for poly (ADP-ribose) polymerase inhibitors in cancer therapy. Ther Adv Med Oncol 2011;3:257–67.

3. Murai J, Huang SY, Das BB, et al. Trapping of PARP1 and PARP2 by clinical PARP inhibitors. Cancer Res 2012;72:5588–99.

4. Murai J, Huang SY, Renaud A, et al. Stereospecific PARP trapping by BMN 673 and comparison with olaparib and rucaparib. Mol Cancer Ther 2014;13:433–43.

5. Turner NC, Telli ML, Rugo HS, et al. Final results of a phase 2 study of talazoparib (TALA) following platinum or multiple cytotoxic regimens in advanced breast cancer patients (pts) with germline BRCA1/2 mutations (ABRAZO). Abstract presented at the American Society of Clinical Oncology 2017 Annual Meeting, Chicago, June 2–6, 2017.

Arzneimitteltherapie 2018; 36(12):444-452