Dr. Marianne Schoppmeyer, Nordhorn
Kritisch kranke Patienten, die auf der Intensivstation behandelt werden, haben ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen – also unerwünschte Ereignisse, die mit einer erhöhten Sterblichkeit assoziiert sein können. Risikofaktoren sind mechanische Beatmung, Koagulopathien, Leber- und Niereninsuffizienz. Prophylaktisch wird diesen Patienten in der Regel ein PPI gegeben, auch wenn es einen Off-Label-Use darstellt. Seit einiger Zeit häufen sich jedoch die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit von PPI. In epidemiologischen Studien werden sie mit einem erhöhten Risiko für Infektionen mit Clostridium difficile, Pneumonien und myokardialen Ischämien in Verbindung gebracht. Dies veranlasste die dänischen Wissenschaftler um Mette Krag von der Abteilung für Intensivmedizin am Rigshospitalet Kopenhagen, in einer multizentrischen Studie die Effekte und unerwünschten Wirkungen einer solchen Therapie zu evaluieren.
Methode
In die randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie wurden 3298 Patienten eingeschlossen, die aufgrund eines akuten Ereignisses auf der Intensivstation behandelt werden mussten und die mindestens einen Risikofaktor für eine gastrointestinale Blutung hatten (Tab. 1). Hierzu zählten Kreislaufschock, mechanische Beatmung, beginnende Koagulopathie, Therapie mit Antikoagulanzien, Dialyse und/oder Lebererkrankung. 1645 Patienten erhielten einmal täglich 40 mg Pantoprazol i. v., 1653 Patienten ein Placebo. Der primäre Endpunkt der Studie war die Mortalität nach 90 Tagen. Als sekundärer Endpunkt wurde das Auftreten eins klinisch relevanten Ereignisses (gastrointestinale Blutung, Pneumonie, Clostridium-difficile-Infektion, myokardiale Ischämie) festgelegt.
Tab. 1. Studiendesign
Erkrankung |
Gastrointestinale Blutung |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit der Prävention mit Pantoprazol bei Intensivpatienten |
Studientyp/Design |
Randomisiert |
Patienten |
3298 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Mortalität |
Keine signifikanten Unterschiede
Nach 90 Tagen waren in der Pantoprazol-Gruppe 510 Patienten (31,1 %) und in der Placebo-Gruppe 499 Patienten (30,4 %) gestorben (relatives Risiko 1,02; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,91–1,13; p = 0,76). Dieses Ergebnis war nicht signifikant, die Überlebenschance der Patienten auf der Intensivstation konnte also durch die Gabe von Pantoprazol nicht verbessert werden. Auch die Zahl klinisch relevanter Ereignisse konnte nicht signifikant gesenkt werden. In der Pantoprazol-Gruppe trat ein solches bei 21,9 % der Patienten auf, in der Placebo-Gruppe bei 22,6 % (relatives Risiko 0,96; 95%-KI 0,83–1,11). Zumindest konnte die Zahl gastrointestinaler Blutungen in der Pantoprazol-Gruppe gesenkt werden. Unter dem PPI erlitten 41 Patienten (2,5 %) eine gastrointestinale Blutung, unter Placebo waren es 69 Patienten (4,2 %). Diese Zahlen sind allerdings nicht vollständig um Störfaktoren bereinigt.
Die Zahl der Patienten, die eine Infektion oder eine andere relevante Nebenwirkung erlitten, war in beiden Gruppen ähnlich hoch. Die kombinierte Rate für Pneumonien und Infektionen mit Clostridium difficile betrug 16,8 % in der Pantoprazol-Gruppe und 16,9 % in der Placebo-Gruppe.
Fazit des Editorialisten
Aufgrund der insgesamt niedrigen Rate gastrointestinaler Blutungen bei Patienten auf der Intensivstation rät Alan Barkun von der Abteilung Gastroenterologie der McGill Universität in Montreal/Kanada im Editorial zu dieser Studie, eine Prophylaxe mit PPI auf schwer kranke Patienten mit einem erhöhten Risiko zu beschränken. Dabei sieht er durchaus das Problem, dass es in den Leitlinien zurzeit keine einheitliche Definition eines hohen Blutungsrisikos gibt.
Kommentar
Diese große randomisierte Studie wiederlegt die Resultate von Beobachtungsstudien. In diesen war ein therapeutischer Nutzen von Protonenpumpenhemmern gefunden worden sowie ein erhöhtes Risiko von Pneumonien und Herzinfarkten. In dieser Studie wurden zwar weniger schwerwiegende gastrointestinale Blutungen unter Pantoprazol beobachtet, was aber keine Auswirkungen auf die Prognose hatte. Pneumonien, Infektionen mit Clostridium difficile und Myokardinfarkte waren unter Pantoprazol nicht häufiger als unter Placebo. Ähnliche Ergebnisse hatte eine Metaanalyse von 57 Studien gezeigt [1], in denen Protonenpumpenhemmer mit Placebo oder keiner Therapie verglichen wurden. Die Ergebnisse dieser randomisierten Studie sollten Anlass sein, Pantoprazol bei Patienten mit klar erhöhtem Risiko für gastrointestinale Blutungen vorbeugend zu geben. Dies könnten Patienten sein, die mit Acetylsalicylsäure oder nichtsteroidalen Antirheumatika behandelt werden oder mit einer Vorgeschichte oberer gastrointestinaler Blutungen.
Quellen
Krag M, et al. Pantoprazole in patients at risk for gastrointestinal bleeding in the ICU. N Engl J Med 2018;379:2199–208.
Barkun A, et al. Proton-pump inhibitor prophylaxis in the ICU – benefits worth the risk? N Engl J Med 2018;379:2263–4.
Literatur
1. Alhazzani W, et al. Efficacy and safety of stress ulcer prophylaxis in critically ill patients: a network meta-analysis of randomized trials. Intensive Care Med 2018;44:1–11.
Arzneimitteltherapie 2019; 37(03):76-95