Zystische Fibrose

VX-659 und VX-445 könnten Therapie der Mukoviszidose verbessern


Dr. Matthias Desch, Kogl

Viele Patienten mit Mukoviszidose konnten in den letzten Jahren von CFTR-Modulatoren profitieren. Für Patienten mit einer „Minimal-Function“-Mutation ist jedoch noch keine Therapie mit CFTR-Modulatoren verfügbar. In zwei kleinen Phase-II-Studien konnten nun erste vielversprechende Ergebnisse für dieses Patientenkollektiv gefunden werden. Zudem scheinen Patienten mit einer homozygoten Phe508del-Mutation zusätzlich von den neuen Substanzen zu profitieren. Für eine endgültige Bewertung sind jedoch weitere Studien notwendig.

Bei der zystischen Fibrose (CF, Mukoviszidose) handelt es sich um eine autosomal rezessive Erkrankung, bei der es je nach Mutationstyp zu einer qualitativen und quantitativen Fehlfunktion des cystic fibrosis transmembrane regulator (CFTR) kommt. CFTR ist ein epithelialer Chloridkanal, der in vielen Geweben exprimiert wird. Das in der Regel am stärksten betroffene Organ ist die Lunge, in der es zur Bildung von zähflüssigem Schleim kommt. Dieser bildet einen Nährboden für verschiedene opportunistische Erreger wie Pseudomonas aeruginosa. Die chronische Infektion und der Sekretstau führen auf Dauer zum fortschreitenden Funktionsverlust der Lunge.

CFTR-Modulation als kausaler Therapie-Ansatz

Die bisherige Standardtherapie ist symptomorientiert, seit einigen Jahren stehen auch sogenannte CFTR-Modulatoren zur kausalen Therapie zur Verfügung. Zum Einsatz kommen CFTR-Potentiatoren und -Korrektoren. Der Potentiator Ivacaftor (IVA) erhöht die Öffnungswahrscheinlichkeit des in der Zellmembran lokalisierten CFTR. Korrektoren wie Lumacaftor (LUM) oder Tezacaftor (TEZ) binden den Phe508del-mutierten CFTR und beeinflussen dessen intrazelluläre Prozessierung und das Trafficking. Eine Kombination von beispielsweise IVA und TEZ führt daher zum vermehrten Einbau des mutierten Proteins in die Zellmembran und erhöht seine Funktionalität, wodurch der Chloridstrom signifikant verbessert werden kann. Von den Patienten, die eine Phe508del-Mutation haben, trägt etwa die Hälfte diese in homozygoter Form (Genotyp Phe508del-Phe508del [(Phe508del)2]), 30 % haben als zweites Allel eine minimale Funktion-Mutation (Genotyp Phe508del-MF). Das Problem der MF-Mutation ist, dass zum Beispiel überhaupt kein Protein exprimiert wird oder das falsch gefaltete Protein nicht auf CFTR-Modulatoren anspricht. Für Patienten mit Phe508del-MF-Mutation existiert bisher keine zugelassene Therapie mit CFTR-Modulatoren, wohingegen die Standardtherapie für (Phe508del)2-Patienten derzeit eine Kombination aus IVA und einem Korrektor der ersten Generation, entweder LUM oder TEZ, ist. Diese Kombination zeigt bei den Patienten eine kurz- und langfristige Verbesserung der klinischen Symptomatik, jedoch ist sie für viele Patienten unzureichend.

Nächste Generation als Add-on

Aktuell werden zwei „Next-Generation“-Korrektoren, VX-659 und VX-445, untersucht, die einen anderen Angriffspunkt am Phe508del-CFTR haben. Die Hypothese, dass eine Kombination von VX-659 oder VX-445 mit IVA und TEZ die Menge an in die Zellmembran eingebauten CFTR noch weiter erhöht, konnte mittels In-vitro-Studien belegt werden. Daher lag es nahe, die neuen Substanzen in klinischen Studien an Patienten zu prüfen. Die vorliegenden Studien zu VX-659 und VX-445 wurde in zwei Teilen im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Das Besondere daran ist, dass beide Publikationen wiederum mehrere Teile enthalten. So wurden die Substanzen zuerst an von Patienten gewonnen Epithelzellen der Atemwege geprüft, im Anschluss fand je eine Phase-I-Dosisfindung an einigen wenigen Patienten statt. Danach starteten die eigentlichen „Proof-of-Concept“-Phase-II-Studien, in denen Sicherheit und Wirksamkeit von VX-659 und VX-445 geprüft wurden. Auf diese wird hier im Detail eingegangen.

Studiendesign

Die Phase-II-Studien untergliederten sich in drei Teile.

Im ersten Teil erhielten Patienten mit dem Genotyp Phe508del-MF zu Beginn vier Wochen lang einmal täglich VX-659 bzw. VX-445 in den in Tabelle 1 angegebenen Dosierungen, zusammen mit zweimal täglich 150 mg IVA und einmal täglich 100 mg TEZ oder Dreifach-Placebo, da für dieses Patientenkollektiv noch keine etablierte Therapie mit CFTR-Modulatoren zur Verfügung steht. Im Anschluss folgte für die Teilnehmer unter Verum eine viertägige Auswaschphase, in der VX-659 durch Placebo ersetzt wurde.

Im zweiten Teil erhielten alle Patienten mit einer (Phe508del)2-Mutation zuerst vier Wochen („run in“) zweimal täglich 150 mg IVA und einmal täglich 100 mg TEZ (kein Placebo, da diese Kombination der zugelassene Standard ist). Danach wurde für weitere vier Wochen zusätzlich einmal täglich 400 mg VX-659 (bzw. 200 mg VX-445) oder Placebo gegeben, gefolgt von einer vierwöchigen Auswaschphase für die VX-Substanzen. In diesem Fall wurden die Baseline-Daten erst nach der Run-In-Phase ermittelt.

In einem dritten Teil wurde an Phe508del-MF-Patienten die Kombination von VX-659-TEZ-VX-561 mit Dreifach-Placebo verglichen. VX-561 ist ein deuteriertes Analogon von IVA, wodurch sich dessen Halbwertszeit verlängert. Damit sollte geprüft werden, ob eine einmal tägliche Gabe genauso wirksam ist wie die zweimal tägliche Gabe von IVA. Eingeschlossen wurden erwachsene Patienten mit einer mindestens 28 Tage andauernden stabilen Erkrankung vor Studienbeginn und einem forcierten exspiratorischen Volumen in der ersten Sekunde (FEV1) von 40 bis 90 %. Der primäre Endpunkt der Phase-II-Studien beinhaltete Sicherheit und Wirksamkeit, gemessen an der prozentualen Änderung des FEV1 im Vergleich zur Baseline an Tag 29. Weitere Details und Endpunkte siehe Tabelle 1.

Tab. 1. Studiendesign

Prüfsubstanz

VX-659

VX-445

Erkrankung

Mukoviszidose

Mukoviszidose

Studientyp/-design

Phase-II (proof of concept), parallel, doppelblind, Placebo-kontrolliert, multizentrisch

Phase-II (proof of concept), parallel, doppelblind, Placebo-kontrolliert, multizentrisch

Intervention

(jeweils 4 Wochen)

Phe508del-MF:

  • 400 mg VX-659 + TEZ + IVA (n = 22)
  • 240 mg VX-659 + TEZ + IVA (n = 20)
  • 80 mg VX-659 + TEZ + IVA (n = 11)
  • Dreifach-Placebo (n = 10)

(Phe508del)2:

  • 400 mg VX-659 + TEZ + IVA (n = 18)
  • Placebo + TEZ + IVA (n = 11)

Phe508del-MF:

  • 200 mg VX-445 + TEZ + IVA (n = 21)
  • 100 mg VX-445 + TEZ + IVA (n = 22)
  • 50 mg VX-445 + TEZ + IVA (n = 10)
  • Dreifach-Placebo (n = 12)

(Phe508del)2:

  • 200 mg VX-445 + TEZ + IVA (n = 21)
  • Placebo + TEZ + IVA (n = 7)

Primärer Endpunkt

Absolute prozentuale Änderung des FEV1 im Vergleich zur Baseline, ermittelt am Tag 29 nach Beginn der Studienmedikation; Sicherheit

Sekundäre Endpunkte

Änderung der Chlorid-Konzentration im Schweiß im Vergleich zur Baseline, Änderung des CFQ-R im Vergleich zur Baseline (Tag 29)

Sponsor

Vertex Pharmaceuticals

Vertex Pharmaceuticals

Studienregisternummer

Clinicaltrials.gov; NCT03224351

Clinicaltrials.gov; NCT03227471

CFQ-R: cystic fibrosis questionnaire revised; IVA: Ivacaftor; TEZ: Tezacaftor

Studienergebnisse

In den von Patienten gewonnenen Epithelzellen der Atemwege konnte eine signifikant verstärkte Proteinanreicherung in den Zellmembranen mit der Kombination von VX-659 (bzw. VX-445)-TEZ-IVA erzielt werden im Vergleich zu den Einzelsubstanzen oder zum Standard TEZ-IVA. Auch die Funktionalität konnte bestätigt werden, wie korrespondierende Chloridtransport-Experimente zeigten. So war der Strom unter der Dreifachkombination signifikant stärker.

Die in die Studien eingeschlossenen Patienten waren bezüglich Krankheitsaktivität, Geschlecht, Chloridgehalt im Schweiß und FEV1 über alle Arme weitgehend gleich verteilt, soweit es die für eine Phase-II-Studie geringe Teilnehmerzahl zuließ. Der Basalwert im CFQ-R (cystic fibrosis questionnare revised) war in der Dreifach-Placebo-Gruppe bei Phe508del-MF-Patienten höher. Dies wurde in der Analyse durch Adjustierung berücksichtigt.

Bei allen Patienten, die mit VX-659 oder VX-445 zusätzlich zu TEZ + IVA behandelt wurden, konnte ein signifikant besseres FEV1 ermittelt werden. Bei Phe508del-MF-Patienten erhöhte sich das FEV1 um 13,3 % (VX-659) bzw. 13,8 % (VX-445), und bei (Phe508del)2-Patienten verbesserten die neuen Substanzen zusätzlich zum Standard IVA + TEZ das FEV1 um 9,7 % (VX-659) bzw. 11,0 % (VX-445). Eine signifikante Verbesserung des CFQ-R-Werts konnte unter Verum ebenfalls beobachtet werden.

VX-561 zeigte bei einmal täglicher Gabe eine ähnliche Wirksamkeit wie das Therapieregime mit zweimal täglich IVA.

Weitere Ergebnisse sind in Tabelle 2 und Tabelle 3 dargestellt.

Tab. 2. Studienergebnisse zu VX-659

Endpunkt

Phe508del-MF

(Phe508del)2

Dreifach-Placebo

(n = 10)

80 mg VX-659

+IVA+TEZ (n = 11)

240 mg VX-659

+IVA+TEZ

(n = 20)

400 mg VX-659

+IVA+TEZ

(n = 22)

Placebo

+IVA+TEZ

(n = 11)

400 mg VX-659

+IVA+TEZ

(n = 18)

Absolute %-Änderung FEV1 zu Baseline (95%-KI)

0,4 ± 2,8

(–5,3 bis 6,1)

10,2 ± 2,7

(4,8 bis 15,5)

12,0 ± 2,0

(8,0 bis 16,0 )

13,3 ± 1,9

(9,5 bis 17,1 )

0,0 ± 1,9

(–3,9 bis 3,9)

9,7 ± 1,5

(6,6 bis 12,7)

p-Wert

0,90

< 0,001

< 0,001

< 0,001

0,99

< 0,001

Chloridkonzentration Schweiß [mmol/l]

Absolute Änderung zu Baseline (95%-KI)

2,9 ± 4,6

(–6,3 bis 12,2)

–45,7 ± 4,3

(–54,4 bis –37,0)

–43,8 ± 3,4

(–50,7 bis –37,0)

–51,4 ± 3,2

(–57,8 bis–44,9)

3,0 ± 2,8

(–2,8 bis 8,9)

–42,2 ± 2,2

(–46,8 bis –37,7)

CFQ-R-Score

Absolute Änderung zu Baseline (95%-KI)

4,7 ± 6,1

(–7,5 bis 16,8)

24,6 ± 5,8

(13,0 bis 36,2)

19,8 ± 4,4

(11,0 bis 28,6)

21,8 ± 4,1

(13,6 bis 30,0)

2,9 ± 4,0

(–5,2 bis 11,1)

19,5 ± 3,1

(13,1 bis 25,9)

CFQ-R: cystic fibrosis questionnaire revised; IVA: Ivacaftor; KI: Konfidenzintervall; TEZ: Tezacaftor

Tab. 3. Studienergebnisse zu VX-445

Endpunkt

Phe508del-MF

(Phe508del)2

Dreifach-Placebo

(n = 12)

50 mg VX-445

+IVA+TEZ (n = 10)

100 mg VX-445

+IVA+TEZ

(n = 22)

200 mg VX-445

+IVA+TEZ

(n = 21)

Placebo

+IVA+TEZ

(n = 7)

200 mg VX-445

+IVA+TEZ

(n = 21)

Absolute %-Änderung FEV1 zu Baseline (95%-KI)

0,0 ± 2,2

(–3,9 bis 4,0)

11,1 ± 2,1

(7,0 bis 15,3)

7,9 ± 1,4

(5,1 bis 10,6)

13,8 ± 1,4

(10,9 bis 16,6)

0,4 ± 2,8

(–5,4 bis 6,2)

11,0 ± 1,5

(7,9 bis 14,0)

p-Wert

0,99

< 0,001

< 0,001

< 0,001

0,89

< 0,001

Chloridkonzentration Schweiß [mmol/l]

Absolute Änderung zu Baseline (95%-KI)

–2,2 ± 3,9

(–9,9 bis 5,6)

–38,2 ± 4,2

(–46,7 bis –29,8)

–33,2 ± 2,8

(–38,9 bis –27,5)

–39,1 ± 2,9

(–44,9 bis –33,3)

0,8 ± 4,9

(–9,3 bis 11,0)

–39,6 ± 2,8

(–45,3 bis –33,8)

CFQ-R-Score

Absolute Änderung zu Baseline (95%-KI)

4,2 ± 4,9

(–5,6 bis 14,0)

20,8 ± 5,4

(10,1 bis 31,6)

15,4 ± 3,7

(8,1 bis 22,8)

25,7 ± 3,7

(18,3 bis 33,1)

5,2 ± 7,1

(–9,5 bis 19,9)

20,7 ± 4,0

(12,5 bis 29,0)

CFQ-R: cystic fibrosis questionnare revised; IVA: Ivacaftor; KI: Konfidenzintervall; TEZ: Tezacaftor

Mehr als 80 % der Teilnehmer in jedem Arm meldeten mindestens ein unerwünschtes Ereignis (UE). Die meisten UE im VX-659-TEZ-IVA-Arm waren in der Ausprägung leicht bis moderat. Am häufigsten (> 10 %, gepoolt) wurde über Husten, infektionsbedingte pulmonale Exazerbation, Kopfschmerz und erhöhte Sputumproduktion berichtet. Unter Verum traten insgesamt vier schwere UE auf. Ernsthafte Nebenwirkungen (am häufigsten Exazerbationen, die zu Krankenhauseinweisung führten) traten unter VX-659-TEZ-IVA bei 10 % der Teilnehmer, unter Dreifach-Placebo bei 30 % und bei der TEZ-IVA-Kontrolle bei 18 % auf. Es kam zu keinem Studienabbruch aufgrund von UE. Ein Patient unter VX-659 unterbrach die Therapie aufgrund von Hautausschlag, konnte aber die Studie fortführen, nachdem der Ausschlag wieder abgeklungen war. Das Nebenwirkungsprofil von VX-445 war ähnlich. Es brachen jedoch vier Patienten (drei unter VX-445, einer aus der Kontrollgruppe) die Studie aufgrund von UE ab. Das UE-Profil von VX-561 war ähnlich dem Therapiearm mit IVA.

Fazit der Studienautoren

Mit den „Next-Generation“-CFTR-Korrektoren VX-659 und VX-445 wurden in den Phase-II-Studien bereits nach vier Wochen beeindruckende Ergebnisse bei Phe508del-MF-Patienten erzielt, ein Kollektiv, für das bisher keine Therapie mit CFTR-Modulatoren zur Verfügung steht. Äußerst vielversprechend ist auch, dass bei (Phe508del)2-Patienten mit den neuen Substanzen, die zusätzlich zum Standard IVA + TEZ gegeben werden, die Therapieeffekte des Standards nochmal erheblich verbessert werden konnten. Die neuen Arzneistoffe wurden gut vertragen und entsprechen dem UAW-Profil der etablierten Modulatoren. Ob die Effekte erhalten bleiben oder sich mit der Zeit sogar noch verbessern können, muss in weiteren Studien evaluiert werden. Ebenso ist die Langzeitsicherheit zu überprüfen. Mit VX-561 ist eine Alternative zu IVA verfügbar, die die Therapie mit der Möglichkeit einer einmal täglichen Gabe vereinfacht. Fernando Holguin konstatiert in einem Editorial [1], dass die Dreifach-Therapie ein Durchbruch in der CF-Behandlung sein könnte, da diese das FEV1 in weit bedeutenderem Ausmaß verbessert als eine duale Therapie. Ob sich auch weitere wichtige Parameter, wie eine bei vielen CF-Patienten gewünschte Gewichtszunahme und eine Reduktion der Exazerbationsrate verbessern lassen, wird sich in länger andauernden und größeren Phase-III-Studien zeigen, die der Hersteller bereits initiiert hat.

Quellen

Davis JC, et al. VX-659-Tezacaftor-Ivacaftor in patients with cystic fibrosis and one or two Phe508del alleles. N Engl J Med 2018;379:1599–611.

Keating D, et al. VX-445-Tezacaftor-Ivacaftor in patients with cystic fibrosis and one or two Phe508del alleles. N Engl J Med 2018;379:1612–20.

Literatur

1. Holguin F. Triple CFTR modulator therapy for cystic fibrosis. N Engl J Med 2018: 379:1671–2.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(03):76-95