Schlaganfall

Frühe Therapie mit transdermalem Glyceroltrinitrat: Die RIGHT-II-Studie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Die Behandlung hypertoner Blutdruckwerte mit transdermalem Glyceroltrinitrat bei Patienten mit akutem Schlaganfall auf dem Weg ins Krankenhaus ist nicht wirksamer als eine Scheintherapie.

Viele Patienten mit akutem Schlaganfall haben erhöhte Blutdruckwerte. Glyceroltrinitrat (GTN) ist ein Vasodilatator, der den Blutdruck senkt und wenige Nebenwirkungen hat (außer Kopfschmerzen). In einer Phase-II-Studie im United Kingdom ergaben sich Hinweise darauf, dass eine mögliche frühe Therapie mit GTN bei Patienten mit akutem Schlaganfall möglicherweise die Prognose verbessert [1]. Daher sollte jetzt in einer Studie untersucht werden, ob GTN wirksam ist, wenn es bereits während des Transports zum Krankenhaus transdermal appliziert wird.

Studiendesign

Es handelt sich um eine multizentrische prospektive randomisierte Studie, in die erwachsene Patienten mit Schlaganfall innerhalb von vier Stunden nach Beginn der Symptomatik aufgenommen wurden. Sie mussten systolische Blutdruckwerte von 125 mm Hg oder höher aufweisen. Die Therapie erfolgte durch Rettungssanitäter im Krankenwagen auf dem Weg zum Krankenhaus. Die Patienten erhielten entweder einen transdermalen Patch mit GTN oder eine Scheinbehandlung. Die Evaluation der Endpunkte erfolgte verblindet. Der primäre Endpunkt war der funktionelle Outcome gemessen mit der modifizierten Rankin-Skala nach 90 Tagen. Die statistische Analyse umfasste zunächst Patienten, bei denen sich ein Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) nach der Aufnahme im Krankenhaus bewahrheitete, und in einem zweiten Schritt alle Patienten, die in die Studie eingeschlossen wurden.

Ergebnisse

Die Studie lief im United Kingdom zwischen Oktober 2015 und Mai 2018. Insgesamt wurden 1149 Patienten in die Studie aufgenommen (Tab. 1). Die mediane Zeit zwischen Schlaganfall und Randomisierung betrug 71 Minuten. 597 Patienten (52 %) hatten einen ischämischen Insult, 145 (13 %) eine intrazerebrale Blutung, 109 (9 %) eine TIA und 297 (26 %) eine andere Diagnose als Schlaganfall (z. B. stroke mimics). Die Patienten waren im Mittel 74 Jahre alt und der systolische Blutdruck betrug bei Einschluss in die Studie im Mittel 162 mm Hg.

Tab. 1. Studiendesign Right II [nach The RIGHT-2 Investigators 2019]

Erkrankung

Schlaganfall

Studienziel

Wirksamkeit eines Glyceroltrinitrat-Pflasters

Studientyp/Design

Randomisiert, Schein-Therapie-kontrolliert

Patienten

1149 mit systolischem Blutdruck über 125 mm Hg

Intervention

  • Glyceroltrinitrat-Pflaster
  • Placebo-Pflaster

Primärer Endpunkt

Wert auf der Rankin-Skala nach 90 Tagen

Patienten, die GTN erhielten, hatten einen um 5,8 mm Hg geringeren systolischen Blutdruck verglichen mit der Gruppe, die Scheinpflaster erhielt. Dieser Unterschied war statistisch signifikant. In der Kohorte I, also bei Patienten mit Schlaganfall oder TIA, ergab sich kein Unterschied in den Werten der modifizierten Rankin-Skala zwischen den beiden Therapiegruppen mit einem Odds-Ratio von 1,25 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,97–1,60; p = 0,083). Auch in der Intention-to-treat-Analyse, in die alle Patienten aufgenommen wurden, fand sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den beiden Therapiegruppen. Dies galt ebenfalls für die Mortalität, die jeweils etwa 5 % betrug, und andere sekundäre Endpunkte.

Kommentar

Die Right-II-Studie wurde basierend auf den Ergebnissen einer kleineren Phase-II-Studie geplant und durchgeführt, die zuvor nahegelegt hatte, dass eine frühe Behandlung mit GTN bei Patienten mit akuten Schlaganfall und erhöhten Blutdruckwerten möglicherweise wirksam ist [1]. Dies hat sich in dieser sehr gut organisierten Studie nicht bewahrheitet. Die Studie zeigt allerdings, dass es möglich ist, randomisierte Therapiestudien mit Rettungssanitätern durchzuführen. Die Untersuchung reiht sich in die in der Zwischenzeit große Zahl von Studien ein, die alle zeigen, dass eine Blutdrucksenkung in der Akutphase des Schlaganfalls keine therapeutische Wirkung hat.

Quelle

RIGHT-2 Investigators. Prehospital transdermal glyceryl trinitrate in patients with ultra-acute presumed stroke (RIGHT-2): an ambulance-based, randomised, sham-controlled, blinded, phase 3 trial. Lancet 2019, published online February 6.

Literatur

1. ENOS Trial Investigators; Bath PM, et al. Efficacy of nitric oxide, with or without continuing antihypertensive treatment, for management of high blood pressure in acute stroke (ENOS): a partial-factorial randomised controlled trial. Lancet 2015;385:617–28.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(06):229-247