Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Rivaroxaban (Xarelto®) in einer Dosis von 20 mg einmal täglich zeigt eine Wirksamkeit in der Schlaganfallprävention bei Patienten mit Vorhofflimmern [2]. In der Primärprävention des Schlaganfalls wurde die Substanz bisher nicht untersucht. Personen mit einer Arteriosklerose haben ein erhöhtes Schlaganfallrisiko und eine Monotherapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) resultiert in einer 12%igen jährlichen Reduktion für schwerwiegende vaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder vaskulärem Tod. Pathophysiologisch muss angenommen werden, dass es bei Patienten mit Arteriosklerose sowohl embolische Mechanismen gibt als auch eine lokale Thrombozytenaggregation auf arteriosklerotischen Plaques. Daher wäre es theoretisch sinnvoll, eine Antikoagulation in niedrigerer Dosis (um Blutungen zu reduzieren) mit dem Thrombozytenfunktionshemmer ASS zu kombinieren.
Patienten und Methodik
Die COMPASS-Studie war eine randomisierte, doppelblinde Studie, die Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit einschloss, aber Patienten mit vorheriger transistorischer ischämischer Attacke (TIA) oder ischämischem Insult ausschloss. Die Patienten wurden in drei Therapiegruppen randomisiert:
- 2,5 mg Rivaroxaban 2-mal täglich plus 100 mg ASS
- 5 mg Rivaroxaban 2-mal täglich
- 100 mg ASS 1-mal täglich
In der Gruppe der Patienten mit peripherer Verschlusskrankheit waren auch Patienten mit asymptomatischen Carotisstenosen oder Patienten, bei denen eine Carotisstenose revaskularisiert worden war. Ausgeschlossen wurden Patienten mit hohem Blutungsrisiko und Patienten mit deutlich eingeschränkter Nierenfunktion.
Ergebnisse
Die Studie schloss 27 395 Patienten mit einem mittleren Alter von 68 Jahren ein. 78 % der Patienten waren Männer, 91 % hatten eine stabile koronare Herzerkrankung und 27 % eine periphere arterielle Verschlusskrankheit. 7 % der Patienten hatten eine asymptomatische Carotisstenose von über 50 % oder eine vorherige Intervention (Operation oder Stenting) an der Arteria carotis interna.
Unter der Kombination aus niedrig dosiertem Rivaroxaban und ASS kam es versus ASS-Monotherapie zu einer 24%igen Risikoreduktion für die Kombination aus kardiovaskulärem Tod, Myokardinfarkt und Schlaganfall (= primärer Endpunkt) [1]. In der vorliegenden Publikation wurde spezifisch auf die Reduktion von Schlaganfällen eingegangen.
In einem Zeitraum von 23 Monaten zeigte die Kombination von niedrig dosiertem Rivaroxaban plus ASS eine signifikante Reduktion von Schlaganfällen verglichen mit der ASS-Monotherapiegruppe. In absoluten Zahlen betrug der Unterschied 83 versus 142 Schlaganfälle mit einem Hazard-Ratio von 0,58 und einem p-Wert von 0,001. Für ischämische Insulte betrugen die Zahlen 68 versus 132 Ereignisse mit einem Hazard-Ratio von 0,51 (p < 0,0001). Auch tödliche Schlaganfälle oder Schlaganfälle mit bleibender Behinderung waren durch die Kombinationstherapie signifikant reduziert verglichen mit der ASS-Monotherapie.
Für den Vergleich der Rivaroxaban-Monotherapie (2-mal 5 mg) mit der ASS-Monotherapie ergab sich kein Unterschied bezüglich der Schlaganfälle.
Kommentar
Die COMPASS-Studie hat überwiegend Bedeutung für Kardiologen, die Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung betreuen, sowie für Angiologen und Internisten, die Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit haben. Für Neurologen sind die Ergebnisse relevant, da dies die erste große Studie darstellt, in der Patienten mit asymptomatischen Carotisstenosen in einem randomisierten Design behandelt wurden. Für diese Subpopulation zeigt sich ebenfalls ein therapeutischer Nutzen der Kombinationstherapie gegenüber der Monotherapie mit ASS, wobei die Ergebnisse hier aufgrund der geringeren Patientenzahlen nicht signifikant sind. Ungeachtet dessen stellt die Kombinationstherapie mit niedrig dosiertem Rivaroxaban plus Acetylsalicylsäure eine Behandlungsalternative für Patienten mit Arteriosklerose dar.
Quelle
Sharma M, et al. Stroke outcomes in the COMPASS trial. Circulation 2019;139:1134–45.
Literatur
1. Eikelboom JW, et al. Rivaroxaban with or without aspirin in stable cardiovascular disease. N Engl J Med 2017;377:1319–30.
2. Patel MR, et al. Rivaroxaban versus warfarin in nonvalvular atrial fibrillation. N Engl J Med 2011;365:883–91.
Arzneimitteltherapie 2019; 37(06):229-247