Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Narkolepsie ist eine seltene neurologische Erkrankung, die mit Schlafstörungen und Schlafattacken im Tagesverlauf einhergeht. Die ausgeprägte Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus führt bei den meisten Patienten zu einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit mit Einschränkung alltäglicher Funktionen. Daneben kommt es bei einem Teil der Patienten zu einer Kataplexie mit einem plötzlichen Tonusverlust. Die symptomatische Therapie der Narkolepsie erfolgt im Moment mit Methylphenidat, Modafinil oder Armodafinil. Solriamfetol ist ein selektiver Hemmer von Dopamin- und Norepinephrin-Transportern. Im Gegensatz zu Amphetamin-Stimulanzien werden keine Monoamine freigesetzt. In zwei Phase-II-Studien bei Patienten mit Narkolepsie reduzierte Solriamfetol die Tagesmüdigkeit. Jetzt sollte die Substanz in einer großen Phase-III-Studie untersucht werden.
Methodik
Die Studie schloss 236 Patienten ein. Diese wurden über zwölf Wochen entweder mit 75 mg, 150 mg oder 300 mg Solriamfetol behandelt oder mit Placebo (Tab. 1). Einschlusskriterien waren die Diagnose einer Narkolepsie mit und ohne Kataplexie, eine mittlere Latenz zum Einschlafen unter 25 Minuten und ein Wert auf der Epworth Sleepiness Scale (ESS) von < 10. Die Studie hat zwei primäre Endpunkte: Die Veränderung der Werte im Maintenance of Wakefulness-Test und auf der Epworth Sleepiness Scale. Darüber hinaus wurde der Gesamteindruck der Patienten erfasst.
Tab. 1. Studiendesign [nach Thorpy et al. 2019]
Erkrankung |
Narkolepsie |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit von Solriamfetol |
Studientyp/Design |
Randomisiert, doppelblind, Phase III |
Patienten |
236 |
Intervention |
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Koprimäre Endpunkte |
Veränderung der Werte bis Woche 12:
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Sponsor |
Jazz Pharmaceuticals |
Studienregisternummer |
Ergebnisse
In die Studie wurden 231 Patienten eingeschlossen, von denen 43 bis 52 Patienten die einzelnen Therapiegruppen beendeten. Die Patienten waren im Mittel 36 Jahre alt und 60 % waren Frauen. Bei der Hälfte der Patienten bestand neben der Schlafstörung eine Kataplexie. Die mittlere Schlaflatenz betrug 7,5 Minuten. Der ESS-Score betrug bei Einschluss in die Studie 17,2.
Die Verbesserung der Schlaflatenz, gemessen mit dem Maintenance of Wakefulness-Test, betrug für die 300-mg-Dosis von Solriamfetol 10,14 Minuten, für die 150-mg-Dosis 7,65 Minuten und für die 75-mg-Dosis 2,62 Minuten verglichen mit Placebo. Für die beiden hohen Dosen war der Unterschied signifikant.
Die Verbesserung auf der Epworth Sleepiness Scale betrug –4,7 bzw. –3,8 Punkte für die hohe und mittlere Dosis und –2,2 Punkte für die niedrigere Dosis. Hier waren alle Unterschiede signifikant.
Bei der Einschätzung der allgemeinen Wirksamkeit berichten 45,1 % der Patienten mit der hohen Dosis, 38,5 % der Patienten mit der mittleren Dosis von und 28,1 % der Patienten mit der niedrigeren Dosis eine signifikante Verbesserung.
Die häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen unter Solriamfetol waren Kopfschmerzen (21 %), Übelkeit (11 %), Appetitlosigkeit (11 %) sowie obere Atemwegsinfektionen, Mundtrockenheit und Angst.
Kommentar
Solriamfetol hat einen neuen Wirkungsmechanismus zur Behandlung der Narkolepsie. Die Wirksamkeit für die 150- und 300-mg-Dosis wurde in dieser großen Phase-III-Studie gegenüber Placebo belegt. Die Studie würde sich allerdings nur auf die Verbesserung der Tagesmüdigkeit auswirken. Die Kataplexie wird nicht beeinflusst. Solriamfetol ist eine wichtige Ergänzung der derzeitig verfügbaren Therapie, da die wirksamen Behandlungen mit Methylphenidat oder Modafinil von einem Teil der Patienten nicht toleriert werden. Allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass es unter Solriamfetol zu einer relativ hohen Rate unerwünschter Arzneimittelwirkungen kommt.
Quelle
Thorpy MJ, et al. A randomized study of solriamfetol for excessive sleepiness in narcolepsy. Ann Neurol 2019;85:359–70.
Arzneimitteltherapie 2019; 37(06):229-247