Morbus Huntington

Hat die Therapie mit Antisense-Oligonukleotiden eine Zukunft?


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Phase-I-IIa-Studie wurde die intrathekale Gabe eines Antisense-Oligonukleotids gegen Huntingtin-Messenger-RNA gut vertragen. Es kommt zu einer dosisabhängigen Reduktion der Konzentration des mutierten Huntingtins im Liquor.

Die Huntington-Erkrankung ist eine schwere, autosomal dominante, neurodegenerative Erkrankung des Gehirns, die mit choreatiformen Bewegungsstörungen, progredienten kognitiven Einschränkungen bis zur Demenz und psychologischen und psychiatrischen Auffälligkeiten wie Depressionen, Psychosen oder Störungen der Impulskontrolle einhergeht. Im Jahr 1983 wurde das entsprechende Gen auf dem Chromosom 4 identifiziert. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass es sich bei dieser Erkrankung um eine CAG-Trinukleotid-Repeat-Expansion im Huntington-Gen handelt. Dieses Gen kodiert das Huntingtin-Protein (HTT). Der Gendefekt führt zur Produktion eines mutierten Proteins und zum Untergang von Neuronen und letztendlich zum Tod. Bisher gibt es keine kausale Therapie dieser Erkrankung. Eine Reihe von neurologischen Erkrankungen wird in der Zwischenzeit erfolgreich mit Antisense-Oligonukleotiden behandelt. Eine Arbeitsgruppe am Queens Square Institute of Neurology in London hat jetzt ein Antisense-Oligonukleotid entwickelt, das die HTT-Messenger-RNA hemmt und auf diese Weise die Konzentration von mutiertem Huntingtin-Protein reduziert.

Methodik

Es handelte sich um eine randomisierte, doppelblinde Dosisfindungsstudie, in die erwachsene Patienten mit beginnender Huntington-Erkrankung eingeschlossen wurden (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign [Tabrizi et al. 2019]

Erkrankung

Morbus Huntington

Studienziel

Dosisfindung für das Antisense-Oligonukleotid HTTRX

Studientyp/Design

Randomisiert, doppelblind, Phase I/IIa

Patienten

46

Intervention

  • 10, 30, 60, 90 oder 120 mg HTTRX
  • Placebo

Primärer Endpunkt

Sicherheit der Therapie

Sponsor

Ionis Pharmaceuticals

Studienregisternummer

NCT 02519036
(ClinicalTrials.gov
)

Die Patienten wurden im Verhältnis 3 : 1 randomisiert und erhielten entweder das Antisense-Oligonukleotid (HTTRX) oder Placebo. Die Gabe erfolgte in Dosierungen von 10, 30, 60, 90 oder 120 mg als intrathekale Bolusgabe alle vier Wochen über vier Monate. Die Substanz wurde in fünf verschiedenen Dosierungen untersucht und mit Placebo verglichen.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Sicherheit der Therapie. Der sekundäre Endpunkt war die Pharmakokinetik von HTTRX im Liquor. Außerdem wurden die Konzentrationen des mutierten Huntingtin im Liquor untersucht.

Ergebnisse

Die Studie schloss 46 Patienten ein. Die Patienten waren im Mittel 49 Jahre alt und die Zahl der CAG-Repeats betrug im Mittel 44. Während der Studie gab es keine schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen. Die Behandlung mit den Antisense-Oligonukleotiden führte zu einer dosisabhängigen Reduktion der Konzentrationen des mutierten Huntingtins im Liquor. Die Reduktion betrug 10 % in der Placebo-Gruppe und zwischen 20 und 42 % bei den Dosierungen zwischen 10 mg und 120 mg.

Kommentar

Die vorliegende Studie könnte einen Durchbruch in der Therapie der Huntington-Erkrankung darstellen. Ob das Therapiekonzept tatsächlich trägt, wird im Moment in einer größeren Phase-III-Studie untersucht, in die 660 Patienten mit Morbus Huntington eingeschlossen und über zwei Jahre behandelt werden sollen. Erst wenn die Ergebnisse dieser Studie vorliegen, kann entschieden werden, ob es sich bei dem hier vorgestellten Therapieansatz um eine wirksame Behandlung dieser schwerwiegenden neurodegenerativen Erkrankung handelt.

Quelle

Tabrizi SJ, et al. Targeting Huntingtin expression in patients with Huntington’s disease. N Engl J Med 2019;380:2307–16.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(09):317-334