Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Unter der Einnahme von Thrombozytenfunktionshemmern beträgt das Risiko intrakranieller Blutungen zwischen 0,5 und 2 % pro Jahr. Ein ähnliches Risiko besteht bei Patienten, die antikoaguliert sind. Bisher gibt es keine randomisierten Studien mit der Fragestellung, ob eine erneute Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern thromboembolische Ereignisse verhindert oder ob diese therapeutische Option zu vermehrten erneuten intrazerebralen Blutungen führt. Diese Fragestellung sollte jetzt in einer großen randomisierten Studie untersucht werden. In einer Subgruppenanalyse sollte zusätzlich untersucht werden, ob es zerebrale Bildgebungsparameter gibt, die eine erneute zerebrale Blutung oder thrombotische Ereignisse voraussagen.
Methodik
RESTART war eine Investigator-initiierte pragmatische, multizentrische, prospektive, randomisierte, offene Studie an 120 Krankenhäusern in Großbritannien (Tab. 1). Die Bewertung der Endpunkte erfolgte verblindet. Eingeschlossen wurden Patienten im Alter über 18 Jahren, die unter einer antithrombotischen Therapie für die Prävention arteriosklerotischer Verschlusskrankheiten behandelt wurden und die eine intrazerebrale Blutung erlitten. Die Vortherapie konnte mit Thrombozytenfunktionshemmern oder Antikoagulanzien erfolgen. Eingeschlossen wurden Patienten, die länger als 24 Stunden überlebten.
Tab. 1. Studiendesign [nach RESTART Collaborators 2019]
Erkrankung |
Intrazerebrale Blutung unter Thrombozytenfunktionshemmern zur Prävention arteriosklerotischer Verschlusskrankheiten |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit einer erneuten Therapie mit Thrombozytenfunktionshemmern |
Studientyp/Design |
Offen, randomisiert |
Patienten |
562 |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Erneute nichttraumatische symptomatische intrazerebrale Blutungen |
Sponsor |
University of Edinburgh (UK) and NHS Lothian |
Studienregisternummer |
ISRCTN71907627 |
Die Patienten wurden dann in zwei Therapiegruppen randomisiert, wobei bei einer Gruppe Thrombozytenfunktionshemmer und bei der zweiten Gruppe keine Thrombozytenfunktionshemmer gegeben wurden.
Endpunkte der Studie waren unter anderem thromboembolische Ereignisse und erneute intrazerebrale Blutungen. Der primäre Endpunkt der Studie waren tödliche oder nichttödliche erneute nichttraumatische symptomatische intrazerebrale Blutungen. Sekundäre Endpunkte waren alle schwerwiegenden Blutungskomplikationen und die Manifestation einer arteriellen Verschlusskrankheit im Bereich von Gehirn (Schlaganfall), Herz (Myokardinfarkt) oder peripheren Arterien oder revaskularisierende Eingriffe. In diesem Endpunkt waren auch Venenthrombosen und Lungenembolien erfasst worden.
Für die Subgruppenanalyse wurde bei allen Studienteilnehmern Computer- und Kernspintomographien vor der Randomisierung durchgeführt. Wenn ein erneutes Ereignis eintrat, wie eine intrazerebrale Blutung oder ein ischämischer Schlaganfall, erfolgte eine erneute zerebrale Bildgebung.
Ergebnisse
Die Studie rekrutierte zwischen Mai 2013 und Mai 2018. Es wurden 562 Patienten eingeschlossen. Davon waren 67 % Männer. Das mittlere Alter betrug 76 Jahre. Die Indikation für eine antithrombotische Therapie vor der intrazerebralen Blutung war bei 17 % der Patienten Vorhofflimmern. 62 % der Patienten hatten eine lobäre Hirnblutung. Im Mittel vergingen 75 Tage von der intrazerebralen Blutung bis zur Randomisierung.
Die Endpunkte sind in Tabelle 2 dargestellt.
Tab. 2. Studienendpunkte [nach RESTART Collaborators 2019]
Erneute Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern (n = 268) |
Keine Behandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern (n = 268) |
|
Erneute symptomatische intrazerebrale Blutung * |
4 % * |
9 % * |
Schwerwiegendes Blutungsereignis |
7 % |
9 % |
Thrombotisches Ereignis |
15 % |
14 % |
* Hazard-Ratio (HR) 0,51; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,25–1,03; p = 0,060
Bei 50 % der Patienten erfolgte zusätzlich zur Computertomographie eine Kernspintomographie. Es ergab sich kein Zusammenhang zwischen der Zahl und Lokalisation von zerebralen Mikroblutungen und dem Risiko einer erneuten intrazerebralen Blutung.
Kommentar
Die RESTART-Studie ist die erste Studie, die eine Gabe von Thrombozytenfunktionshemmern bei Patienten mit intrazerebralen Blutungen untersucht, bei denen diese Blutung unter antithrombotischer Therapie aufgetreten war. Das überraschende Ergebnis war, dass Patienten, die erneut mit Thrombozytenfunktionshemmern behandelt wurden, sogar weniger erneute intrazerebrale Blutungen hatten als Patienten, die keinen Thrombozytenfunktionshemmer mehr erhielten. Die Studie hat aber auch einige methodische Schwächen: Insgesamt war die Zahl der Patienten relativ klein. Die Studie war bezüglich der Therapie nicht verblindet. Die Beobachtungszeit war zumindest für die erneuten thrombotischen Ereignisse mit zwei Jahren relativ kurz. Praktische Implikation im klinischen Alltag ist allerdings, dass Patienten, die eine antithrombotische Therapie benötigen, beispielsweise weil sie eine transitorische ischämische Attacke oder ein Schlaganfall erlitten haben, nach einer intrazerebralen Blutung mit Thrombozytenfunktionshemmern behandelt werden können, ohne dass ein erhöhtes Risiko für eine erneute intrazerebralen Blutung besteht. Dies gilt auch für Patienten mit weniger als 20 Mikroblutungen in der Kernspintomographie.
Quellen
RESTART Collaborators. Effects of antiplatelet therapy after stroke due to intracerebral haemorrhage (RESTART): a randomised, open-label trial. Lancet 2019 published online May 22, http://dx.doi.org/10.1016/S0140–6736(19)30 840–2.
Al-Shahi Salman R, et al. Effects of antiplatelet therapy on stroke risk by brain imaging features of intracerebral haemorrhage and cerebral small vessel diseases: subgroup analyses of the RESTART randomised, open-label trial. Lancet Neurol 2019, published online May 22, http://dx.doi.org/10.1016/S1474–4422(19)30 184-X.
Arzneimitteltherapie 2019; 37(09):317-334