Caring for every patient, learning from every patient


Highlights vom ASCO 2019

Dr. rer. nat. Maja M. Christ, Stuttgart

[Foto: Ferdinando Iannone]

Wie jedes Jahr trafen sich im Frühsommer Onkologen aus aller Welt beim „Annual Meeting“ der American Society for Clinical Oncology (ASCO). Das zentrale Motto des diesjährigen Kongresses, der in Chicago/USA stattfand, lautete „Caring for every patient, learning from every patient“. Einige der Kongress-Highlights stellen wir Ihnen in dieser Ausgabe der Arzneimitteltherapie vor. Die gute Nachricht vorweg: Für Patientengruppen, für die es vor wenigen Jahren keine Therapieoptionen mehr gab, stehen neue vielversprechende Onkologika zur Verfügung. Auf die Kehrseite der Medaille machte die ASCO-Präsidentin Monica M. Bertagnolli im ersten Teil des Kongress-Mottos aufmerksam: Neue Arzneimittel und Therapieoptionen müssen den einzelnen Patienten auch tatsächlich erreichen, und das ist nicht überall gegeben.

Olaparib bei metastasiertem Pankreaskarzinom

PARP-Inhibitoren sind bislang vor allem bei Ovarial- und Mammakarzinomen im Einsatz und insbesondere dann wirksam, wenn BRCA-Keimbahnmutationen vorliegen. Diese Mutationen kommen auch bei Pankreas-Tumoren vor. Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom haben mit einem medianen Überleben (mOS) < 1 Jahr eine sehr schlechte Prognose. Neue Therapieoptionen sind für diese Patientengruppe also besonders wichtig.

Als Late-breaking-Abstract wurden die parallel im New England Journal of Medicine veröffentlichten Ergebnisse der Phase-III-Studie POLO vorgestellt [2, 3]: 92 von 154 Patienten mit metastasiertem Pankreaskarzinom und BRCA-Keimbahnmutation erhielten Olaparib als Erhaltungstherapie nach einer Erstlinienchemotherapie auf Platinbasis (Placebo: n = 62). Das mediane progressionsfreie Überleben (mPFS) war unter Olaparib signifikant länger (7,4 vs. 3,8 Monate; Hazard-Ratio [HR] 0,53; p = 0,0038). Nach 24 Monaten waren unter dem PARP-Inhibitor noch doppelt so viele Patienten progressionsfrei (22 % vs. 10 %). Das Gesamtüberleben verbesserte sich hingegen nicht – wie auch schon in Studien mit Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren. In der vorläufigen OS-Analyse betrug es 18,9 vs. 19,1 Monate (HR 0,91; p = 0,68). Dennoch sehen Experten einen deutlichen Vorteil für diese Patienten, und zwar im Zugewinn an Lebensqualität durch die chemotherapiefreie Zeit. Doch auch diese Therapie ist nicht nebenwirkungsarm: Nebenwirkungen vom Grad ≥ 3 traten bei 40 % der Patienten unter Verum und 23 % der Patienten unter Placebo auf.

Ribociclib bei prämenopausalem Mammakarzinom

Erstmals konnte mit einem Biomarker-basierten Therapieansatz bei prämenopausalen Frauen mit Mammakarzinom eine Verlängerung des Gesamtüberlebens erreicht werden. In der Phase-III-Studie MONALEESA 7 reduzierte sich das Sterberisiko um 29 %, wenn zur endokrinen Therapie der CDK4/6-Inhibitor Ribociclib gegeben wurde (Seite 371 ff.).

Doch der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) attestierte Ribociclib bislang keinen Zusatznutzen. Warum kam es zu dieser Entscheidung? Der Vorteil von Ribociclib auf das Überleben war vor allem bei Patienten zu sehen, deren neoadjuvante endokrine Vortherapie mindestens 12 Monate zurücklag. Doch ausgerechnet diese Gruppe berücksichtigte der G-BA nicht in seiner Auswertung. Der Grund: Ein Großteil der Verum-Patienten erhielt eine Kombination aus Ribociclib und Tamoxifen, die die Zulassung nicht abdeckt.

Mein Kollege Dr. Stefan Fischer, Stuttgart, kommentiert das Ergebnis der Nutzenbewertung in unserem Newsportal Pharmakotherapie.blog als „frustrierend“. Die Zusatznutzenbewertung sollte bereits bei der Planung der Zulassungsstudien berücksichtigt werden. Hier sieht er nicht nur die Hersteller, sondern auch die Zulassungsbehörden in der Pflicht:

„Um den Aufwand in Grenzen zu halten, wäre ein einheitliches europäisches Verfahren nötig, das den Nachweis von Wirksamkeit und Zusatznutzen abdeckt.“

Pembrolizumab bei nichtkleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC)

Zur ersten klinischen Studie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab – der Phase-I-Studie Keynote 001 – wurden auf dem ASCO-Kongress die 5-Jahres-OS-Daten vorgestellt. Bei NSCLC-Patienten, die Pembrolizumab als Erstlinientherapie erhalten hatten, betrug das 5-Jahres-OS 23 %, in der Zweitlinientherapie 16 %. Eine ausführliche Besprechung des Studien-Updates findet sich auf Seite 373 f.

Atezolizumab bei metastasiertem triple- negativem Mammakarzinom (mTNBC)

Ebenfalls eine schlechte Prognose haben Patientinnen mit mTNBC. Wie die zweite Interimsanalyse der Studie IMpassion130 zeigt, können vor allem Patientinnen mit einem positiven PD-L1-Status von der Zugabe des PD-L1-Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab zur Taxan-haltigen Chemotherapie profitieren (s. Seite 382 f.). Das mOS lag bei dieser Patientengruppe mit Atezolizumab bei 25 Monaten versus 18 Monate unter Placebo, das mPFS bei 7,5 Monaten versus 5,0 Monaten. In den USA wurde Atezolizumab inzwischen zur Erstlinientherapie für diese Patientengruppe zugelassen [1], die Zulassung für Europa wird zum Jahresende 2019 erwartet.

3-Fach-Chemotherapie plus Bevacizumab bei metastasiertem Kolorektalkarzinom

Wird zur Therapie des metastasierten Kolorektalkarzinoms Bevacizumab zu FOLFOXIRI statt zu FOLFOX gegeben, zeigt sich eine bessere Wirksamkeit – auf Kosten einer erhöhten Toxizität. Daher ist diese Viererkombination nicht für alle Patienten empfehlenswert. Ein geeigneter Biomarker könnten zirkulierende Tumorzellen sein. Das legen jedenfalls die Ergebnisse der VISNU-1-Studie nahe (Seite 375 f.).

Real-World-Data: „Learning from every patient“

Es finden sich immer mehr Subgruppen unter den Tumoren, die maßgeschneiderte Therapien möglich machen. Dafür ist es jedoch auch erforderlich, die nötigen Biomarker zu finden. Das vermindert unnötige Behandlungen und Kosten. Die vielen Subgruppen erschweren allerdings auch die Durchführung klinischer Studien mit genügend großen Patientengruppen. Einen möglichen Ansatz zur Abhilfe bieten Basket-Studien, bei denen man den Einfluss eines Arzneistoffs nicht bei einer bestimmten Krebsform untersucht, sondern bei Vorliegen einer bestimmten Mutation, die bei verschiedenen Krebsformen auftreten kann.

Die Erkenntnisse aus Krankenkassen- oder Registerdaten können die Versorgung weiter verbessern. Darauf zielte der zweite Teil des Kongress-Mottos ab: von jedem Patienten lernen. Doch bis dieser Wunsch Wirklichkeit werden kann, wird wohl nicht nur den Chicago River, sondern auch den Rhein noch viel Wasser hinunterfließen.

Quellen

ASCO Annual Meeting. Program Details. https://meetings.asco.org/am/program (Zugriff am 26.07.2019).

Dr. med. C. Benedikt Westphalen, München, Pressedinner „Wie die Digitalisierung die Onkologie von morgen gestaltet“, veranstaltet von Roche, 11. Juni 2019, Düsseldorf.

Prof. Dr. med. Jürgen Wolf, Köln, Prof. Dr. med. Andreas Schneeweiss, Heidelberg, Pressekonferenz „Aktuelles vom Amerikanischen Krebskongress 2019“, veranstaltet von Roche, 12. Juni 2019, Düsseldorf.

Literatur

1. FDA. Pressemitteilung vom März 2019. FDA approves atezolizumab for PD-L1 positive unresectable locally advanced or metastatic triple-negative breast cancer.

2. Golan T, et al. Maintenance Olaparib for Germline BRCA-Mutated Metastatic Pancreatic Cancer. N Engl J Med 2019;381:317–27.

3. Kindler HL, et al. J Clin Oncol 37, 2019 (suppl; abstr LBA4).

Arzneimitteltherapie 2019; 37(10):345-346