Aus der Wissenschaft für die Klinik


Jahrestagung der European Society for Cardiology (ESC)

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Starnberg

[Foto: privat]

Die Jahrestagung der European Society for Cardiology (ESC), die in diesem Jahr zusammen mit dem Weltkongress für Kardiologie in Paris stattfand, ist mit rund 35 000 Teilnehmern der weltweit größte Kardiologenkongress. Auch diesmal wurde den Teilnehmern ein umfangreiches wissenschaftliches Programm geboten.

DAPA-HF-Studie: Dapagliflozin bei Herzinsuffizienz

In früheren Studien konnte gezeigt werden, dass SGLT2-Inhibitoren bei Typ-2-Diabetikern das Risiko für die Manifestation einer Herzinsuffizienz senken. Dieser Effekt tritt bereits sehr schnell – nämlich innerhalb von einigen Wochen nach Therapiebeginn – auf, sodass er nicht durch eine bessere Stoffwechselkontrolle erklärt werden kann. Vielmehr dürften direkte kardioprotektive Mechanismen die entscheidende Rolle spielen. Dies ist die Rationale für die DAPA-HF-Studie, mit der man die Wirkung des SGLT2-Inhibitors Dapagliflozin bei herzinsuffizienten Patienten untersuchte.

Aufgenommen wurden 4744 Patienten, die eine Herzinsuffizienz mit erniedrigter Auswurffraktion (HFrEF) mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion (LVEF) < 40 % hatten. Sie erhielten randomisiert 20 mg Dapagliflozin einmal täglich oder Placebo neben der Leitlinien-gerechten Standardtherapie (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor [ARNI] oder AT1-Blocker oder ACE-Hemmer 94 %, Betablocker 86 %, Mineralocorticoid-Rezeptor-Antagonist 71 %). Primärer Endpunkt der Studie war die Kombination aus Auftreten oder Verschlechterung einer Herzinsuffizienz und kardiovaskulärem Tod. Nur die Hälfte der Studienteilnehmer hatte einen Typ-2-Diabetes.

Unter Dapagliflozin konnte bei einem medianen Follow-up von 18,2 Monaten der primäre kombinierte Endpunkt um 26 % (p < 0,00001), das Risiko für eine Herzinsuffizienz bzw. eine Verschlechterung einer solchen um 30 % (p = 0,00003) und das kardiovaskuläre Sterberisiko um 18 % (p = 0,029) reduziert werden. Die Gesamtsterblichkeit wurde um 17 % (p = 0,022) gesenkt. Auch die Lebensqualität wurde deutlich verbessert. Dapagliflozin wurde gut vertragen und es gab bei der Verträglichkeit keinen Unterschied zu Placebo. Nur ein Flüssigkeitsmangel trat unter Dapagliflozin etwas häufiger auf (6,5 % vs. 6,8 %). Die Vergleichszahlen bezüglich der Verschlechterung einer Niereninsuffizienz lagen bei 6,5 % vs. 7,2 %.

THEMIS-Studie: Duale Plättchenhemmung bei Diabetikern mit stabiler KHK

Typ-2-Diabetiker mit koronarer Herzkrankheit (KHK) haben ein deutlich erhöhtes Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis. Der Frage, ob eine kombinierte Plättchenhemmung mit Ticagrelor plus Acetylsalicylsäure (ASS) einer ASS-Monotherapie im Hinblick auf die Verhinderung eines solchen Ereignisses überlegen ist, wurde im Rahmen der THEMIS-Studie nachgegangen. Bei dieser doppelblinden, Placebo-kontrollierten Studie, in die mehr als 19 000 diabetische KHK-Patienten mit einem Alter von ≥ 50 Jahren aufgenommen wurden, erhielten die Patienten randomisiert entweder die Kombination 75 bis 150 mg ASS plus zweimal täglich 90 mg Ticagrelor mit der Möglichkeit der Dosisreduktion auf zweimal 60 mg oder nur ASS plus Placebo. Patienten mit bekanntem Myokardinfarkt oder Schlaganfall wurden ausgeschlossen.

Der kombinierte Endpunkt aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Infarkt oder Schlaganfall wurde nach einer Beobachtungszeit von 36 Monaten in der Placebo-Gruppe von 7,6 %, in der Ticagrelor-Gruppe dagegen nur von 6,9 % der Patienten erreicht (Hazard-Ratio [HR] 0,90; p = 0,038). Bei der kardiovaskulären Mortalität waren die Vergleichszahlen mit 3,3 % vs. 3,0 % nicht signifikant unterschiedlich. Beim isolierten Endpunkt Infarkt erwies sich jedoch die Kombination als signifikant effektiver (2,6 % vs. 3,3 %). Das gleiche galt für den Endpunkt Schlaganfall (1,5 % vs. 1,8 %). Bei der On-treatment-Auswertung waren die Vergleichszahlen für den kombinierten Endpunkt 5,2 % unter Ticagrelor vs. 6,4 % unter Placebo.

Unter der Kombination war allerdings das Blutungsrisiko erhöht. Es lag bei 0,89 größeren Blutungen pro 100 Patientenjahre unter der Kombination im Vergleich zu nur 0,36 Ereignissen pro 100 Patientenjahre in der Placebo-Gruppe.

Im Rahmen der THEMIS-PCI-Studie wurde die Subgruppe der Patienten, die früher eine perkutane koronare Intervention (PCI) erhalten hatten, analysiert. Dabei zeigte sich, dass nur PCI-Patienten von der dualen Therapie profitierten (6,5 % mit Ticagrelor vs. 7,7 % mit Placebo), aber nicht solche ohne eine interventionelle Therapie in der Vorgeschichte (7,4 % vs. 7,5 %). Das erhöhte Blutungsrisiko bestand jedoch in beiden Gruppen. Ein klinischer Netto-Benefit ergab sich somit nur in der PCI-Subgruppe (8,2 % vs. 9,7 %; p = 0,005). Zusammenfassend besagen diese Daten, dass die duale Plättchenhemmung in der Langzeittherapie für Diabetiker mit einer stabilen KHK dann vorteilhaft sein kann, wenn früher einmal eine PCI durchgeführt wurde und ein niedriges Blutungsrisiko und ein hohes ischämisches Risiko vorliegen.

PARAGON-Studie: ARNI bei HFpEF

Bezüglich des ARNI sprechen neue Daten aus der PROVE-HF- und EVALUATE-HF-Studie dafür, dass seine Wirkung nur durch kardiale und nicht durch vaskuläre Effekte zu erklären ist. Bei der diastolischen Herzinsuffizienz (HFpEF) enttäuschte die Substanz allerdings, wie die Daten der PARAGON-Studie zeigen.

Sehr interessant sind auch die Ergebnisse der ISAR-REACT-5-Studie, bei der Ticagrelor direkt mit Prasugrel bei akutem Koronarsyndrom (ACS) verglichen wurde. Solche Head-to-Head-Studien sind aus nachvollziehbaren Gründen etwas sehr Seltenes. Der „Gewinner“ war eindeutig Prasugrel.

Neue Diabetes-Leitlinie

Nicht nur neue Studiendaten, sondern auch aktualisierte Leitlinien wurden vorgestellt, beispielsweise zum Thema Typ-2-Diabetes. Danach ist es jetzt möglich, einem Diabetiker mit einer arteriosklerotischen Begleiterkrankung wie KHK, Schlaganfall oder Niereninsuffizienz direkt ohne Zwischenschritt über Metformin eine innovative Substanz aus der Gruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten oder SGLT2-Inhibitoren zuteil werden zu lassen.

Arzneimitteltherapie 2019; 37(11):387-388