Fortgeschrittenes Ovarialkarzinom

Niraparib und Veliparib in der Therapie des neu diagnostizierten Ovarialkarzinoms


Veröffentlicht am: 06.02.2020

Maximilian Günther, Bonn

Poly-ADP-Ribose-Polymerase-(PARP-)Inhibitoren werden zur Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit rezidiviertem Ovarialkarzinom eingesetzt. In den vorliegenden randomisierten Placebo-kontrollierten Studien zu Niraparib und Veliparib zeigen beide Wirkstoffe, dass ihr Einsatz bei einem neu diagnostizierten Ovarialkarzinom unabhängig vom BRCA-Mutationsstatus von Vorteil ist. Veliparib kam dabei auch in der Initialtherapie zum Einsatz.

Die Standardtherapie für Patientinnen mit neu diagnostiziertem, fortgeschrittenem Ovarialkarzinom besteht aus einer zytoreduktiven Operation und einer Chemotherapie mit Platin- und Taxan-Derivaten. Trotz erfolgreicher Initialtherapie erleiden bis zu 85 % der Patientinnen ein Rezidiv. Olaparib kann zur Erhaltungstherapie nach der Erstlinienchemotherapie eingesetzt werden – allerdings nur bei Patientinnen mit BRCA-Mutation (Abb. 1).

Abb. 1. PARP-Enzyme sind für die Reparatur von Einzelstrangbrüchen verantwortlich. PARP-Inhibitoren binden an PARP und verhindern die Dissoziation von der DNA. Es kommt zu Doppelstrangbrüchen. Zellen mit einer BRCA-Mutation können diese schlechter reparieren (mod. nach [1])

Der Effekt von Niraparib (Zejula®) und Veliparib wurde in den Studien PRIMA und VELIA untersucht. Niraparib wurde in der Erhaltungstherapie, Veliparib auch in der Initialtherapie eingesetzt. Die Eckdaten der Studien sind in Tabelle 1 dargestellt. Bei der Auswertung der Subgruppen unterschieden die Autoren, ob eine BRCA-Mutation vorlag oder ob generell die Fähigkeit zur homologen Rekombination gestört war (HRD) (Kasten).

Subgruppen

BRCA

Das Gen ist für einen Reparaturmechanismus bei Doppelstrangbrüchen verantwortlich. Bei einer Mutation ist die homologe Rekombination in der Regel gestört.

HRD (homologous-recombination deficiency)

Die Fähigkeit der Zelle zur homologen Rekombination ist gestört. Das kann durch eine BRCA-Mutation ausgelöst worden sein oder andere Gründe haben.

Tab. 1. Studiendesigns [nach González-Martín et al. und Coleman et al.]

Studie

PRIMA

VELIA

Erkrankung

Ovarialkarzinom

Studienziel

Effektivität von Niraparib in der Erhaltungstherapie

Effektivität von Veliparib in Kombination mit Erstlinienchemotherapie und als Erhaltungstherapie

Studientyp

Interventionsstudie

Studienphase

Phase III

Studiendesign

International, randomisiert, doppelblind, Placebo-kontrolliert

Eingeschlossene Patienten

733 Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung (FIGO-Grad III oder IV) und Ansprechen auf die Erstlinienchemotherapie

1140 Patientinnen mit fortgeschrittener Erkrankung (FIGO-Grad III oder IV)

Intervention

  • Niraparib (n = 487)
  • Placebo (n = 246)
  • Veliparib-Initial- und -Erhaltungstherapie (Veliparib + Chemotherapie + Veliparib-Erhaltung, n = 382)
  • Veliparib-Initialtherapie (Veliparib + Chemotherapie + Placebo-Erhaltung, n = 383)
  • Kontrollgruppe (Placebo + Chemotherapie + Placebo-Erhaltung, n = 375)

Primärer Endpunkt

Progressionsfreies Überleben (PFS)

PFS der Gruppe mit Veliparib-Initial- und Erhaltungstherapie im Vergleich zur Kontrollgruppe

Sekundäre Endpunkte

Gesamtüberleben (OS), Dauer bis zur ersten Folgetherapie, PFS 2 (Progression unter Folgetherapie), Patientenberichtete Endpunkte

OS der Gruppe mit Veliparib-Inital- und Erhaltungstherapie, PFS und OS der Gruppe mit Veliparib-Initialtherapie, Patientenberichtete Endpunkte

Sponsoren

GlaxoSmithKline

AbbVie

Studienregisternummer

NCT 02655016 (ClinicalTrials.gov)

NCT 02470585 (ClinicalTrials.gov)

Ergebnisse

In der PRIMA-Studie zeigte sich in der gesamten Studienpopulation durch die Erhaltungstherapie mit Niraparib mit 13,8 Monaten in Vergleich zu 8,2 Monaten unter Placebo ein signifikant verlängertes progressionsfreies Überleben (PFS) (Hazard-Ratio [HR] 0,62; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,50–0,76; p < 0,001). Der Effekt war in der Kohorte der Patientinnen mit HRD noch stärker ausgeprägt (HR 0,43; 95%-KI 0,31–0,59; p < 0,001). In einer Interimsanalyse deutet sich für den Niraparib-Arm ein besseres Gesamtüberleben (OS) an.

In der VELIA-Studie war das PFS der Patientinnen, die initial eine kombinierte Veliparib-Chemotherapie und eine Veliparib-Erhaltungstherapie erhielten, mit 23,5 Monaten im Vergleich zu 17,3 Monaten signifikant höher als in der Kontrollgruppe (HR 0,68; 95%-KI 0,56–0,83; p < 0,001).

Der Effekt für die Subgruppen der Patientinnen mit HRD (HR 0,57; 95%-KI 0,43–0,76; p < 0,001) und BRCA-Mutation (HR 0,44; 95%-KI 0,28–0,68; p < 0,001) war noch stärker ausgeprägt. Daten zum OS lagen zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht vor. In der Gruppe der Patientinnen, die nur initial eine Veliparib-Chemotherapie erhielten, konnte das PFS nicht verlängert werden.

Zu beobachtende unerwünschte Ereignisse waren in beiden Studien insbesondere Zytopenien sowie Nausea und Fatigue in der VELIA-Studie.

Diskussion

Nach Meinung der Autoren ist eine Erhaltungstherapie mit Niraparib für alle Patientinnen mit einem fortgeschrittenen neu diagnostizierten Ovarialkarzinom von Vorteil – nicht nur für die Subpopulation mit einer BRCA-Mutation. Veliparib wurde zusätzlich zur Erhaltungstherapie als Initialtherapie eingesetzt und verlängerte auch das PFS der gesamten Studienpopulation. Der Effekt scheint auf die Erhaltungstherapie zurückzuführen zu sein, da das PFS in der Gruppe mit alleiniger initialer Veliparib-Chemotherapie nicht verlängert werden konnte. Der relative Beitrag der Erhaltungstherapie zum PFS kann mangels einer entsprechenden Studiengruppe nicht bestimmt werden.

Quellen

González-Martín A, et al. Niraparib in patients with newly diagnosed advanced ovarian cancer. N Engl J Med 2019; DOI: 10.1056/NEJMoa1910962.

Coleman RL et al. Veliparib with first-line chemotherapy and as maintenance therapy in ovarian cancer. N Engl J Med 2019; DOI: 10.1056/NEJMoa1909707.

Literatur

1. Neubeck M. Olaparib hemmt DNA-Reparaturmechanismen Neue Arzneimittel 2015;62:74.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(01):24-38