Colitis ulcerosa

Tofacitinib als neue Option in den Leitlinien


Dr. Stefan Fischer, Stuttgart

Aus dem OCTAVE-Studienprogramm stehen mittlerweile Langzeitdaten zur Verfügung. Außerdem ist Tofacitinib nun in der S3-Leitlinie Colitis ulcerosa aufgeführt. Diese Daten wurden auf einem Fachpressegespräch der Firma Pfizer im Dezember 2019 präsentiert.

Unkomplizierte Verläufe der Colitis ulcerosa können mit Mesalazin behandelt werden. Erreicht der Patient so keine Remission, kann der Arzt Glucocorticoide über einen begrenzten Zeitraum einsetzen. Spricht der Patienten auf Glucocorticoide nicht an oder kommt es nach dem Absetzen zum Rezidiv, stehen mehrere Substanzgruppen zur Auswahl (z. B. TNF-α-Hemmer). Trotzdem ist die Lebensqualität vieler Patienten eingeschränkt, selbst wenn sie sich nach Einschätzung der Therapeuten in Remission befinden.

Seit 2018 ist der JAK-Inhibitor Tofacitinib (Xeljanz®) als weitere Option für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Colitis ulcerosa zugelassen, die auf eine konventionelle Therapie nicht angesprochen haben.

Induktions- und Erhaltungstherapie

In der Induktionsphase des OCTAVE-Studienprogramms (Abb. 1) erhielten die Patienten

  • Tofacitinib 10 mg (2-mal/Tag) oder
  • Placebo.

Abb. 1. Studiendesign des OCTAVE-Programms

Mindestens 70 % der Patienten wies einen Glucocorticoid-refraktären Krankheitsverlauf auf.

Deutlich mehr Patienten waren unter Verum-Therapie nach 8 Wochen in Remission (Tab. 1). Es profitierten auch Patienten, die mit TNF-α-Hemmern vorbehandelt waren.

Tab. 1. Studienergebnisse

Induktionsphase

OCTAVE 1

Remission nach 8 Wochen [%]

  • Tofacitinib 10 mg

19

  • Placebo

8

OCTAVE 2

Remission nach 8 Wochen [%]

  • Tofacitinib 10 mg

17

  • Placebo

4

Erhaltungsphase

OCTAVE Sustain

Remission nach 54 Wochen [%]

  • Tofacitinib 10 mg

41

  • Tofacitinib 5 mg

34

  • Placebo

11

Die Responder erhielten anschließend über 53 Wochen

  • Tofacitinib 10 mg (2-mal/Tag) oder
  • Tofacitinib 5 mg (2-mal/Tag) oder
  • Placebo.

Tofacitinib war auch in dieser Erhaltungstherapie wirksam (Tab. 1). Mit TNF-α-Hemmern vorbehandelte Patienten profitierten besonders von der höheren Dosis.

Langzeitdaten

In der unverblindeten Studie OCTAVE Open untersuchten die Studienautoren die Langzeitanwendung von Tofacitinib.

Patienten in Remission erhielten eine Dosis von 5 mg (2-mal/Tag). Ein großer Teil dieser Patienten blieb anschließend in Remission. 24 Monate nach Eintritt in die Langzeitstudie waren es noch 77,3 %. Bei der Subgruppe, die zuvor eine 10-mg-Dosis erhalten hatten, zeigte sich eine ähnliche Remissionsrate (76,2 %).

Patienten, die in der initialen Induktionsphase nicht angesprochen hatten, konnten ebenfalls an der Verlängerungsstudie OCTAVE Open teilnehmen. Sie erhielten eine erneute Induktion über 8 Wochen (10 mg 2-mal/Tag). Patienten, die noch immer keine Response zeigten, schieden aus. Die Responder (ca. 50 %) wurden auch in OCTAVE Open weiter mit der 10-mg-Dosis behandelt. Von ihnen befanden sich nach 24 Monaten etwa 45 % in Remission.

Sicherheit

In der Erhaltungsphase trat bei 6,6 % der Patienten unter Placebo ein schweres unerwünschtes Ereignis (UE) auf; unter 2-mal 5 mg Tofacitinib waren es 5,1 % und unter 2-mal 10 mg Tofacitinib 5,6 %. Auch die Abbrecherrate aufgrund UE war unter Placebo höher (18,7 %) als unter Tofacitinib (9,1 bzw. 9,7 %).

In der Langzeitbetrachtung zeigten sich keine neuen Sicherheitssignale. Es bestätigte sich das Risiko für ein dosisabhängiges Auftreten von Herpes Zoster. Die Inzidenz lag bei etwa 4 Fällen pro 100 Personenjahren. Malignome, Perforationen und schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse traten selten auf.

Rote-Hand-Brief

In einer Studie zur rheumatoiden Arthritis zeigte sich ein erhöhtes Auftreten von Lungenembolien und eine erhöhte Sterblichkeit unter 2-mal 10 mg Tofacitinib. Diese Dosierung ist in Deutschland nicht zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen, wird aber bei der Colitis ulcerosa eingesetzt. In einem Rote-Hand-Brief wurde daher gefordert, Patienten mit einem erhöhten Risiko für Lungenembolien nicht mit der 10-mg-Dosierung zu behandeln.

Thrombosen und Lungenembolien wurden im OCTAVE-Programm selten beobachtet. Eine Erklärung könnte sein, dass im Gegensatz zur Therapie der rheumatoiden Arthritis keine Kombination mit Methotrexat stattfand.

Leitlinie

In den aktualisierten Leitlinien [2] zur Behandlung der Colitis ulcerosa wurde nun auch Tofacitinib aufgenommen. Es ist eine weitere Option in den folgenden Situationen:

  • Therapieversagen unter einer Therapie mit TNF-α-Hemmern.
  • Glucocorticoid-abhängiger Verlauf (= das Glucocorticoid kann nicht abgesetzt werden, ohne dass die Krankheitsaktivität wieder steigt).
  • Glucocorticoid-refraktärer Verlauf (= unzureichendes Ansprechen auf Glucocorticoide). ≥ 70 % der Patienten der OCTAVE-Studien wiesen einen Glucocorticoid-refraktären Krankheitsverlauf auf.
  • Unzureichendes Ansprechen auf Thiopurine. Etwa 70 % der Patienten in allen OCTAVE-Studien wurden mit Thiopurinen vorbehandelt.

Eine generelle Priorisierung der Optionen nehmen die Autoren der Leitlinie nicht vor.

Fazit

Tofacitinib ist eine weitere Option für vorbehandelte Patienten mit Colitis ulcerosa. Es zeigt ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis. Das belegt zum Beispiel die geringere Rate an Abbrechern unter Verum als unter Placebo.

Die Langzeitdaten zeigten keine neuen Sicherheitssignale. Das Risiko einer Herpes-Aktivierung sollten die behandelnden Ärzte jedoch bedenken. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt generell eine Immunisierung mit dem neuen Herpes-Zoster-Totimpfstoff (Shingrix®) bei Colitis-ulcerosa-Patienten ab einem Alter von 50 Jahren. Auch die Sicherheitshinweise der EMA zum Embolierisiko müssen umgesetzt werden (Kasten), wenngleich die Patienten mit Colitis ulcerosa jünger sind und im Gegensatz zu den Patienten mit rheumatoider Arthritis nicht gleichzeitig mit Methotrexat behandelt werden.

Da vergleichende Studien fehlen, konnte der G-BA keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie feststellen [1]. Entsprechend empfiehlt die Leitlinie Tofacitinib als weitere, gleichwertige Option. Tofacitinib könnte zum Beispiel eingesetzt werden, wenn eine orale Darreichungsform gewünscht ist.

Quelle

Dr. Thomas Meng, Pfizer, Prof. Dr. Torsten Kucharzik, Prof. Dr. Axel Dignaß, Frankfurt am Main: Tofacitinib bei Colitis ulcerosa; Fachpressegespräch „Einzug des JAK-Inhibitors in die neue S3-Leitlinie der DGVS“, Frankfurt am Main, 10. Dezember 2019, veranstaltet von Pfizer.

Literatur

1. Gemeinsamer Bundesausschuss. Beschluss „Arzneimittel-Richtlinie/Anlage XII: Tofacitinib (neues Anwendungsgebiet: Colitis ulcerosa). https://www.g-ba.de/beschluesse/3678/ (Zugriff am 19.12.19).

2. Kucharzik, et al. Aktualisierte S3-Leitlinie Colitis ulcerosa. Zeitschrift für Gastroenterologie 2019;57:1321–1405.

EMA: Sicherheitshinweise zum Einsatz von Xeljanz®

https://www.ema.europa.eu/en/medicines/human/referrals/xeljanz

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Arzneimitteltherapie 2020; 38(01):47-51