Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen
Nach wie vor besteht ein hoher Bedarf zur Vereinfachung der oralen Behandlung von Patienten mit HIV-Infektion, um beispielsweise die Tabletten-Menge sowie Wechselwirkungen mit der Nahrung zu verringern und die Adhärenz zu verbessern.
Derzeit wird von ViiV eine Depotinjektion mit dem Integrasehemmer Cabotegravir und dem Nicht-nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI) Rilpivirin entwickelt. In den beiden randomisierten Phase-III-Studien ATLAS und FLAIR war die virale Suppression mit der intramuskulären Gabe von Cabotegravir plus Rilpivirin alle vier Wochen der Wirkung einer oralen Dreifachtherapie nicht unterlegen.
Diese Ergebnisse sowie pharmakokinetische Parameter der Substanzen legten nahe, ein noch längeres Dosierungsintervall zu untersuchen. Daher wurde in der offenen Phase-IIIb-Studie ATLAS-2M der Effekt einer 4-wöchentlichen und einer 8-wöchentlichen Injektion von Cabotegravir plus Rilpivirin verglichen.
Injektion alle vier vs. alle acht Wochen
In die Studie wurden 391 Patienten aus der ATLAS-Studie eingeschlossen, die noch mit der monatlichen Injektion behandelt wurden. Außerdem wurden 654 Teilnehmer aufgenommen, die bisher noch nicht parenteral behandelt worden waren.
Die Studienteilnehmer erhielten 1 : 1 randomisiert eine Erhaltungstherapie mit Cabotegravir + Rilpivirin i. m. alle acht Wochen (n = 522) oder alle vier Wochen (n = 523; Tab. 1). Die Dosierung war in der 8-Wochen-Gruppe mit 600 mg Cabotegravir und 900 mg Rilpivirin höher als in der 4-Wochen-Gruppe mit 400 mg Cabotegravir und 600 mg Rilpivirin. Primärer Endpunkt der Studie war nach 48 Wochen der Anteil der Patienten mit einer Plasma-HIV-RNA ≥ 50 Kopien (c)/ml. Die Studie war auf Nichtunterlegenheit angelegt. Wichtiger sekundärer Endpunkt war der Anteil der Patienten mit einer Plasma-HIV-RNA unter 50 c/ml in Woche 48.
Tab. 1. Design der ATLAS-2M-Studie
Erkrankung |
HIV-Infektion |
Studienziel |
Vergleich eines vierwöchigen versus eines achtwöchigen Dosierungsinteralls von Cabotegravir plus Rilpivirin |
Studientyp/Design |
Randomisiert, interventionell, doppelblind, Phase III |
Patienten |
1045 |
Intervention |
Cabotegravir + Rilpivirin i. m.
|
Primärer Endpunkt |
Anteil der Patienten mit einer Plasma-HIV-RNA ≥ 50 Kopien (c)/ml nach 48 Wochen |
Sponsor |
ViiV Healthcare |
Studienregister-Nr. |
NCT03299049 |
Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren gut vergleichbar. Das mediane Alter der Patienten lag bei 42 Jahren, 27 % waren Frauen, 27 % waren keine Weißen. Der Body-Mass-Index lag im Median bei 26 kg/m², die CD4-Zellzahl bei 661.
Nichtunterlegenheit nachgewiesen
Die Nichtunterlegenheit der beiden Therapieregime konnte im primären und sekundären Endpunkt nach 48 Wochen nachgewiesen werden. Die virale Suppressionsrate war mit 94,3 % (8 Wochen) und 93,5 % ähnlich gut. Ein bestätigtes Therapieversagen trat bei insgesamt zehn Patienten auf, und zwar bei acht in der 8-Wochen- und bei zwei in der 4-Wochen-Gruppe. Bei sechs Therapieversagern der 8-Wochen-Gruppe konnten Marker einer Rilpivirin-Resistenz und bei fünf Therapieversagern einer Resistenz gegen Integrasehemmer nachgewiesen werden. Alle Fälle waren weiterhin auf Dolutegravir empfindlich.
Bei weniger als 1 % der Injektionen in jeder Gruppe kam es zu schweren injektionsbedingten Reaktionen.
Die intramuskuläre Injektion von Cabotegravir und Rilpivirin alle acht Wochen bietet damit eine Alternative in der Erhaltungstherapie bei Patienten mit HIV-Infektion. Allerdings wurde die Resistenzrate im 8-Wochen-Arm kritisch gesehen. Hier sollten weitere Daten vorgelegt werden.
Quelle
Overton ET, et al. Cabotegravir + rilpivirin every 2 months is noninferior to monthly: ATLAS-2M study. Virtual CROI 2020, Abstract 34. www.croiconference.org (Zugriff am 20.05.2020).
Arzneimitteltherapie 2020; 38(07):315-327