VICTORIA-Studie

Patienten mit dekompensierter Herzinsuffizienz profitieren von Vericiguat


Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion (HFrEF) profitieren von einer Behandlung mit Vericiguat, so die Ergebnisse der randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten VICTORIA-Studie, die beim virtuellen ACC-2020-Kongress Ende März vorgestellt und parallel online im New England Journal of Medicine publiziert wurden.

Trotz optimaler Therapie ist bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz das Risiko, zu sterben oder wegen einer Herzinsuffizienz (erneut) ins Krankenhaus zu müssen, hoch – insbesondere dann, wenn sie akut dekompensiert sind. Bislang gibt es hierfür keine therapeutische Option.

Vericiguat – ein oraler sGC- Stimulator

Oral applizierbares Vericiguat stimuliert die lösliche Guanylatcyclase (sGC) direkt und unabhängig von Stickstoffmonoxid (NO) und verstärkt damit die Bildung von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP). Außerdem sensibilisiert Vericiguat die sGC für endogenes NO.

Die sGC ist ein Enzym des kardiopulmonalen Systems und ein Rezeptor für NO. Bindet NO an sGC, katalysiert das Enzym die Bildung von cGMP. Intrazelluläres cGMP spielt bei der Regulierung von Vorgängen, die Gefäßtonus, Proliferation, Fibrose und Entzündung beeinflussen, eine wichtige Rolle. Bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz sollen eine verminderte Aktivität der sGC und hieraus resultierende niedrige cGMP-Spiegel mit der Verschlechterung der Herzfunktion assoziiert sein.

Vericiguat wird von Bayer und MSD entwickelt. Das Therapieprinzip ist insgesamt nicht ganz neu: Mit Riociguat (Adempas®) befindet sich seit 2014 bereits ein Stimulator der sGC im Handel, der bei chronisch thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) und bei pulmonal arterieller Hypertonie (PAH) eingesetzt werden kann.

Phase-III-Studie VICTORIA

In der internationalen, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie VICTORIA (Vericiguat global study in subjects with heart failure with reduced ejection fraction) wurden Wirksamkeit und Verträglichkeit von Vericiguat bei 5050 Herzinsuffizienz-Patienten mit reduzierter Auswurffraktion nach einer akuten Dekompensation im Vergleich zu Placebo jeweils zusätzlich zur Standardtherapie verglichen [1, 2] (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign der VICTORIA-Studie

Erkrankung

Herzinsuffizienz

Studienziel

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Vericiguat bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion nach nach akuter Dekompensation

Studientyp/Design

Randomisiert, interventionell, doppelblind, Phase III

Patienten

5050

Intervention

  • Vericiguat (n = 2526)
  • Placebo (n = 2524)

Jeweils plus Standardtherapie

Primärer Endpunkt

Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod oder erster Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz

Sponsor

MSD & Bayer

Studienregister-Nr.

NCT02861534
(ClinicalTrials.gov)

Die Patienten litten unter einer Herzinsuffizienz der NYHA-Klasse II bis IV, hatten eine linksventrikuläre Auswurffraktion unter 45 % und erhielten eine leitliniengereichte Therapie. Als akute Dekompensation war eine Krankenhausaufnahme wegen Herzinsuffizienz oder die intravenöse Anwendung von Diuretika ohne Hospitalisierung definiert. Gleichzeitig mussten die natriuretischen Peptide erhöht sein.

Randomisiert wurden die Patienten zusätzlich zur leitliniengerechten Therapie mit Placebo (n = 2524) oder mit Vericiguat (n = 2526) behandelt, dessen Dosierung von initial 2,5 mg/Tag über vier Wochen auf 10 mg/Tag auftitriert wurde. Der primäre Endpunkt umfasste die Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod oder erster Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz. Die Studie war ereignisgesteuert.

Primärer Endpunkt erreicht

Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren ähnlich. Das mittlere Alter der Patienten lag bei 67,3 Jahren, etwa 24 % der Patienten waren Frauen. Häufigstes Index-Ereignis war Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, und zwar innerhalb der letzten drei Monate bei rund 67 % der Patienten und innerhalb der letzten drei bis sechs Monate bei etwa 17 %. 40 % waren der NYHA-Klasse III zuzuordnen, die Auswurffraktion lag im Median bei 29 %. 60 % erhielten als Basis eine Dreifachtherapie. Bei 32 % waren eine Defibrillator und/oder ein Schrittmacher implantiert.

Nach einer Follow-up-Zeit von 10,8 Monaten war der primäre Endpunkt bei 897 Patienten (35,5 %) in der Vericiguat-Gruppe und bei 972 Patienten (38,5 %) in der Placebo-Gruppe aufgetreten. Dies bedeutet eine signifikante Senkung des Risikos um 10 % (Hazard-Ratio 0,90; p = 0,019). Das Ergebnis des primären Endpunkts war in erster Linie auf eine Verringerung der Krankenhausaufnahmen zurückzuführen, die kardiovaskuläre Todesrate unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (Tab. 2).

Tab. 2. Endpunkte in der VICTORIA-Studie [1, 2]

Endpunkte

Vericiguat (n = 2526)

Placebo (n = 2524)

Hazard-Ratio (95%-KI)

p-Wert

Patienten
[%]

Ereignisse/
100 Pts-Jahre

Patienten
[%]

Ereignisse/
100 Pts-Jahre

Primärer Endpunkt

35,5

33,6

38,5

37,8

0,90 (0,82–0,98)

0,019

  • Hospitalisierung

27,4

29,6

  • Kardiovaskulärer Tod

8,2

8,9

Sekundäre Endpunkte

  • Kardiovaskulärer Tod

16,4

12,9

17,5

13,9

0,93 (0,81–1,06)

0,269

  • Hospitalisierung

27,4

25,9

29,6

29,1

0,90 (0,81–1,00)

0,048

  • Gesamt-Hospitalisierung

38,3

42,4

0,91 (0,84–0,99)

0,023

  • Gesamtsterblichkeit

20,3

16,0

21,2

16,9

0,95 (0,84–1,07)

0,377

Die Kurven zwischen Verum und Placebo begannen sich nach etwa drei Monaten zu teilen. Die Senkung des Risikos um 10 % für den primären Endpunkt entspricht bei einer Follow-up-Zeit von 10,8 Monaten einer Reduktion von 4,2 Ereignissen/100 Patientenjahren. Daraus ergibt sich eine NNT von 24, das heißt, 24 Patienten müssen über ein Jahr zusätzlich mit Vericiguat behandelt werden, um ein Ereignis des primären Endpunkts zu vermeiden.

Unerwünschte Wirkungen

Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei 32,8 % in der Vericiguat- und bei 34,8 % in der Placebo-Gruppe auf. Eine symptomatische Hypotonie trat bei 9,1 % in der Vericiguat-Gruppe und bei 7,9 % unter Placebo auf, eine Synkope bei 4,0 % bzw. 3,5 %. Insgesamt erwies sich die Substanz als gut verträglich.

Schlussfolgerung der Autoren

Vericiguat ist eine einmal täglich anzuwendende orale Therapie, die leicht zu titrieren und im Allgemeinen sicher und gut verträglich ist. Ein Monitoring der Nierenfunktion und von Elektrolyten ist nicht erforderlich, daher könnte es für Patienten mit aktueller Verschlechterung der Herzinsuffizienz nützlich sein, so die Schlussfolgerung des Referenten.

Literatur

1. Armstrong PW, et al. The VICTORIA (Vericiguat global study in subjects with heart failure with reduced ejection fraction) Trial. ACC 2020, 28.-30. März 2020. Abstract 402–08. www.abstractsonline.com/pp8/#!/8992/presentation/23903 (Zugriff am 28.05.20).

2. Armstrong PW, et al. Vericiguat in patients with heart failure and reduced ejection fraction. N Engl J Med 2020;382:1883–93. www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1915928 (Zugriff am 28.05.20).

Arzneimitteltherapie 2020; 38(07):315-327