Dr. Maja M. Christ, Stuttgart
Für Patientinnen und Patienten mit HR-positivem, metastasiertem Brustkrebs ist eine endokrinbasierte Therapie die erste Wahl [1]. Erst wenn endokrine Therapien ausgeschöpft sind, sollte eine Chemotherapie erfolgen. Nach antihormoneller Therapie bilden sich allerdings oft Resistenzen. Ein erster Inhibitor, der die endokrine Resistenzbildung deutlich überwinden konnte, war der mTOR-Inhibitor Everolimus. Fortschritte in der Therapie des HR+/HER2– Mammakarzinoms ließen sich auch mit selektiven CDK4/6-Inhibitoren erzielen.
PIK3CA-Mutationen sind häufig
Ein weiterer Treiber der Pathogenese des Mammakarzinoms ist das Gen PIK3CA, das für die katalytische α-Untereinheit der Phosphoinositid-3-Kinasen (PI3K) kodiert. Diese spielen eine Rolle bei der Zellproliferation und Apoptose, aber auch bei der Glucose-Aufnahme. Mutationen im PIK3CA-Gen sind beim Mammakarzinom häufig – sie kommen bei etwa 40 % der HR+/HER2– Tumoren vor.
Mit Alpelisib (Piqray®) wurde nun ein Arzneimittel zugelassen, das gezielt in den Signalweg eingreift (Abb. 1).

Abb. 1. Wirkmechanismus des PI3K-Inhibitors Alpelisib [Novartis] 4EBP1: eukaryotic translation initiation factor 4E-binding protein 1; AKT: Proteinkinase B; B-RAF: Rat fibrosarcoma, Isoform B; rapidly accelerated fibrosarcoma Isoform B; v-Raf murine sarcoma viral oncogene homolog B1; ERK: Extracellular-signal regulated kinases; IGF: Insulin-like growth factor; MEK: Mitogen-activated protein kinase/ERK kinase; mTOR: mechanistic target of rapamycin; PDGF: Platelet-derived growth factor; PI3-Kinase: Phosphoinositid-3-Kinase; PIP2: Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphate; PIP3: Phosphatidylinositol-3,4,5-trisphosphat; PTEN: phosphatase and tensin homolog; RAS: Rat sarcoma; S6K: Ribosomal S6 kinase; TGF-α: transforming growth factor alpha; VEGF: vascular endothelial growth factor
SOLAR-1 bestätigt Wirksamkeit von Alpelisib
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Alpelisib wurden in SOLAR-1 untersucht, einer randomisierten, multizentrischen Phase-III-Studie (Tab. 1) mit Männern und Frauen mit HR+/HER2– Mammakarzinom. Es waren sowohl Teilnehmer mit als auch ohne PIK3CA-Mutation eingeschlossen. Sie erhielten Fulvestrant ± Alpelisib. In der Kontrollgruppe ohne Mutation verlängerte eine Behandlung mit Alpelisib das progressionsfreie Überleben (PFS) nicht. Bei Patienten mit Mutation konnte die Zugabe von Alpelisib das PFS signifikant verlängern (p=0,00065; Tab. 2). Dabei spielte es keine Rolle, ob die Behandlung als Erst- oder Zweitlinientherapie erfolgte.
Tab. 1. Studiendesign SOLAR-1 [2]
Erkrankung |
Metastasiertes HR+/HER2– Mammakarzinom |
Studienziel |
Wirksamkeit und Sicherheit von Alpelisib bei Männern und postmenopausalen Frauen |
Studientyp/Design |
Randomisiert, interventionell, Phase III |
Patienten |
572 (davon 341 mit bestätigter PIK3CA-Mutation) |
Intervention |
|
Primärer Endpunkt |
Progressionsfreies Überleben (PFS) in der Kohorte mit PIK3CA-Mutation |
Sponsor |
Novartis Pharmaceuticals |
Studienregister-Nr. |
NCT 02437318 |
HER: humaner epithelialer Wachstumsfaktor; HR: Hormonrezeptor
Tab. 2. SOLAR-1-Studie: Endpunkt progressionsfreies Überleben in der Kohorte mit PIK3CA-Mutation [2]
Alpelisib + Fulvestrant |
Placebo + Fulvestrant |
Hazard-Ratio (95%-KI) |
|
Patienten mit PIK3CA-Mutation |
n = 169 |
n = 172 |
|
PFS; Ereignisse [Anzahl (%)] |
103 (61 %) |
129 (75 %) |
|
Medianes PFS |
11,0 Monate |
5,7 Monate |
0,65 (0,50–0,85) |
Subgruppen |
|||
Erstlinientherapie |
n = 88 |
n = 89 |
|
PFS; Ereignisse |
51 (58 %) |
64 (72 %) |
|
Medianes PFS |
11,0 Monate |
6,8 Monate |
0,71 (0,49–1,03) |
Zweitlinientherapie |
n = 79 |
n = 82 |
|
PFS; Ereignisse |
50 (63 %) |
65 (79 %) |
|
Medianes PFS |
10,9 Monate |
3,7 Monate |
0,61 (0,42–0,89) |
Mit vorangegangener CDK4/6-Inhibitor-Therapie |
n = 9 |
n = 11 |
|
PFS; Ereignisse |
7 (78 %) |
10 (91 %) |
|
Medianes PFS |
5,5 Monate |
1,8 Monate |
0,48 (0,17–1,36) |
Ohne vorangegangene CDK4/6-Inhibitor-Therapie |
n = 160 |
n = 161 |
|
PFS; Ereignisse |
96 (60 %) |
119 (74 %) |
|
Medianes PFS |
11,0 Monate |
6,8 Monate |
0,67 (0,51–0,87) |
CDK4/6: Cyclin-abhängigen Kinasen 4/6; KI: Konfidenzintervall; PFS: progressionsfreies Überleben
Nebenwirkungsmanagement: Diabetologen und Dermatologen einbeziehen
Da Alpelisib in viele Stoffwechselwege eingreift, ist eine sorgfältige Medikamentenanamnese Pflicht. Doch die Nebenwirkungen von Alpelisib lassen sich in der Regel gut managen und sind reversibel.
Das wichtigste dosislimitierende unerwünschte Ereignis unter Alpelisib ist eine Hyperglykämie. Sie trat in der Zulassungsstudie bei 64 % der Patienten unter Alpelisib auf, davon in mehr als der Hälfte der Fälle Grad 3/4, unter Placebo bei 10 %. Sechs von 100 Patienten brachen die Alpelisib-Therapie aufgrund der Hyperglykämie ab.
Der Hyperglykämie liegt eine therapieinduzierte Insulinresistenz zugrunde. Sie tritt rasch ein – in der Regel innerhalb des ersten Behandlungsmonats. Zur Behandlung bietet sich ein orales Antidiabetikum an, bevorzugt Metformin (kein Insulin!). Betroffene Patienten können zudem mit Lebensstil-modifizierenden Maßnahmen selbst Einfluss nehmen (Ernährung, Bewegung, Alkoholkonsum). Angezeigt sind regelmäßige Messungen des Nüchternblutspiegels sowie des HbA1c-Werts.
Bei gut eingestellten Typ-II-Diabetikern sollte eine Behandlung mit Alpelisib normal durchführbar sein; bei schlecht eingestellten Patienten ist auf jeden Fall eine sehr gute Überwachung nötig. Anders sieht es bei Diabetes mellitus Typ I aus: Da keine Patienten mit Typ-I-Diabetes in den Studien eingeschlossen waren, sollte Alpelisib in dieser Patientengruppe nicht angewandt werden.
Ebenfalls häufig traten Hautausschlag (36 % vs. 6 %) oder gastrointestinale Ereignisse wie Diarrhö oder Übelkeit auf. Die Hautreaktionen waren meist leichten Grades und traten innerhalb der ersten zwei Monate auf. Bei 3 % führten sie allerdings zum Therapieabbruch. Präventiv wird ein orales Antihistaminikum – etwa Cetirizin einmal täglich – empfohlen, hilfreich sind aber auch Lotionen und das Meiden von Sonnenbädern.
Testen auf PIK3CA-Mutation am besten im Metastasengewebe
Bevor Alpelisib gegeben werden kann, muss getestet werden, ob eine PIK3CA-Mutation vorliegt. Dazu kann zwar eine Liquid Biopsy durchgeführt werden, sie liefert allerdings oft falsch negative Ergebnisse: In SOLAR-1 war nur bei 55 % der Patienten mit Mutation im Tumorgewebe auch die Liquid-Biopsy-Probe positiv. Daher muss trotz negativem Befund eine Mutationsanalyse von Metastasen-Biopsat erfolgen. Steht kein Biopsat einer Metastase zur Verfügung, kann gegebenenfalls auf Material des Primärtumors zurückgegriffen werden. Die Testung sollte vor der ersten Therapielinie erfolgen und ist in der Regel erstattungsfähig.
Ausblick
Alpelisib ist eine neue Therapieoption für Patienten mit metastasiertem, HR+/HER2– Mammakarzinom und PIK3CA-Mutation. Alpelisib wird einmal täglich oral nach einer Mahlzeit eingenommen. Dosisanpassungen sind in 50-mg-Schritten flexibel möglich. Die Nebenwirkungen sind gut beherrschbar, bedürfen jedoch einer guten Aufklärung, Prävention und interdisziplinärer Betreuung.
Noch sollte die Anwendung von Alpelisib spezialisierten Zentren vorbehalten sein, mit zunehmender Erfahrung kann die Substanz auch außerhalb von Zentren zum Einsatz kommen.
Quelle
Prof. Dr. med. Peter Fasching, Erlangen, Prof. Dr. med. Christoph Thomssen, Halle, Prof. Dr. med. Annette Lebeau, Lübeck, Prof. Dr. med. Wolfgang Janni, Ulm, Prof. Dr. med. Tjoung-Won Park-Simon, Hannover, virtuelle Launch-Pressekonferenz „Alpelisib (Piqray®) bei HR+/HER2- fortgeschrittenem Brustkrebs: Zulassung der ersten gezielt an PIK3CA-Mutation ansetzenden Therapieoption“, 2. September 2020, veranstaltet von Novartis.
Literatur
1. Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO). www.ago-online.de/leitlinien-empfehlungen/leitlinien-empfehlungen/kommission-mamma (Zugriff am 08.09.20).
2. André F, et al. Alpelisib for PIK3CA-mutated, hormone receptor-positive advanced breast cancer. N Engl J Med 2019;380:1929–40.
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Arzneimitteltherapie 2020; 38(10):438-443