Fortgeschrittenes Prostatakarzinom

Relugolix versus Leuprorelin in der HERO-Studie


Veröffentlicht am: 28.09.2020

Dr. Susanne Heinzl, Reutlingen

Die Androgendeprivation mit dem neuen GnRH-Antagonisten Relugolix war bei Männern mit metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom der Behandlung mit dem GnRH-Agonisten Leuprorelin in allen primären und sekundären Endpunkten überlegen. Das einmal täglich oral applizierbare Relugolix erzielte höhere anhaltende Kastrationsraten und senkte die Testosteron-Spiegel und den PSA-Wert rascher als das dreimonatlich subkutan injizierte Leuprorelin. Dies ergab die Phase-III-Studie HERO, die beim virtuellen Jahreskongress 2020 der American Society of Clinical Oncology (ASCO) vorgestellt und parallel online im New England Journal of Medicine publiziert worden ist.

Ein Prostatakarzinom ist die häufigste Krebsdiagnose und die zweithäufigste Krebs-bedingte Todesursache bei Männern. Die häufigste Todesursache bei Patienten mit Prostatakrebs sind kardiovaskuläre Erkrankungen. Etwa 30 % der Männer mit einem Prostatakarzinom leiden an kardiovaskulären Erkrankungen, sehr viel mehr weisen Risikofaktoren wie Übergewicht, Diabetes mellitus, Hypertonie und Hyperlipidämie auf.

Zur Unterdrückung des Testosteron-Spiegels (Androgendeprivation) werden langwirkende GnRH-Agonisten injiziert oder GnRH-Antagonisten eingesetzt. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass GnRH-Antagonisten das kardiovaskuläre Risiko im Vergleich zu GnRH-Agonisten senken.

HERO-Studie mit Relugolix

Relugolix ist ein neuer, oral applizierbarer, hoch selektiver GnRH-Antagonist, der aufgrund seiner langen Halbwertszeit von 25 Stunden einmal täglich eingenommen werden kann.

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Relugolix und Leuprorelin (GnRH-Analogon) wurden in der internationalen, offenen, randomisierten HERO-Studie [1, 2] verglichen (Tab. 1).

Tab. 1. Studiendesign [1, 2]

Erkrankung

Lokal fortgeschrittenes oder metastasiertes Prostatakarzinom

Studientyp/Design

Randomisiert, open Label, Phase III

Patienten

934 randomisiert

Intervention

  • Relugolix
  • Leuprorelin

Primärer Endpunkt

Anhaltende Suppression des Testosteron-Spiegels unter 50 ng/dl von Tag 29 bis Woche 48.

Sponsor

Myovant Sciences

Studienregisternummer

NCT 03085095
(ClinicalTrials.gov)

In die Studie wurden 934 Männer mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Prostatakarzinom oder mit einem biochemischen oder klinischen Rezidiv eines Prostatakarzinoms eingeschlossen. Ausgeschlossen waren Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie akuter Herzerkrankung oder Schlaganfall in den vorangegangenen sechs Monaten, mit Arrhythmien oder nicht kontrolliertem Bluthochdruck.

Die Patienten erhielten 2 : 1 randomisiert Relugolix (Loading-Dose 360 mg an Tag 1, dann 120 mg/Tag) oder Leuprorelin (22,5 mg subkutan injiziert alle drei Monate) über 48 Wochen.

Primärer Endpunkt war die anhaltende Suppression des Testosteron-Spiegels unter 50 ng/dl unter der jeweiligen Therapie von Tag 29 bis Woche 48. Etwa 90 % der Patienten in beiden Gruppen durchliefen die 48 Wochen der Studie komplett.

Die demographischen Parameter der beiden Gruppen waren vergleichbar. Die Patienten der Relugolix-Gruppe waren im Median 72 Jahre, die der Leuprorelin-Gruppe 71 Jahre alt. Rund 50 % hatten ein biochemisches Rezidiv (Anstieg des Prostata-spezifischen Antigens), knapp 23 % litten an neu diagnostizierter Androgen-empfindlicher metastasierter Erkrankung und 27 % an lokal fortgeschrittenem Prostatakarzinom. Bei über 90 % der Patienten lag mindestens ein kardiovaskulärer Risikofaktor vor.

Primärer Endpunkt erreicht

Die Studie erreichte den primären Endpunkt. Mit Relugolix kam es bei 96,7 % der Patienten zu einer anhaltenden Kastration bis Woche 48, in der Leuprorelin-Gruppe konnte bei 88,8 % der Testosteron-Spiegel anhaltend unter 50 ng/dl gesenkt werden. Damit konnten sowohl die Nichtunterlegenheit als auch die Überlegenheit von Relugolix im Vergleich zu Leuprorelin nachgewiesen werden.

In allen wichtigen sekundären Endpunkten erwies sich Relugolix als überlegen im Vergleich zu Leuprorelin, so war beispielsweise der Anteil mit PSA-Senkung an Tag 15 und erneuter Bestätigung an Tag 29 mit 79,4 % deutlich höher als unter Leuprorelin mit 19,8 % (p < 0,0001).

Die Testosteron-Senkung verlief signifikant rascher. Der Testosteron-Spiegel war an Tag 15 bei 98,7 % unter Relugolix und bei 12,0 % unter Leuprorelin unter 50 ng/dl gesunken (p < 0,0001).

Wie erwartet, kam es unter Leuprorelin zunächst zu einem Testosteron-Anstieg, während der Testosteron-Spiegel unter Relugolix schon an Tag 4 der Behandlung unterhalb von 50 ng/ml lag.

Die Compliance war in beiden Gruppen mit über 99 % gut.

Verträglichkeit vergleichbar

Unerwünschte Wirkungen traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf, bei 18 % der Patienten im Relugolix-Arm und bei 20,5 % im Leuprorelin-Arm kam es zu schweren unerwünschten Wirkungen vom Grad 3 oder höher.

Die häufigsten unerwünschten Wirkungen waren in beiden Gruppen auf den Abfall des Testosteron-Spiegels zurückzuführen. Hitzewallungen traten insgesamt bei über 50 % der Patienten auf, Fatigue bei 21,5 % unter Relugolix und 18,5 % unter Leuprorelin. Unter Relugolix kam es häufiger zu Durchfall (12,2 % vs. 6,8 %), dieser war jedoch meist leicht oder mäßig schwer ausgeprägt.

Weniger kardiovaskuläre Ereignisse unter Relugolix

In einer vordefinierten Analyse zur kardiovaskulären Sicherheit betrug die Rate schwerer kardiovaskulärer Ereignisse (MACE = nichttödlicher Herzinfarkt oder Schlaganfall, Tod jeder Ursache) unter 48 Wochen Relugolix-Behandlung 2,9 %, unter Leuprorelin-Therapie 6,2 %.

Männer mit MACE innerhalb der letzten sechs Monate waren von der Studie ausgeschlossen. Trotzdem hatten noch rund 14 % der Patienten in beiden Gruppen ein MACE in der Anamnese. Bei diesen Patienten lag die MACE-Rate unter Relugolix bei 3,6 %, unter Leuprorelin bei 17,8 % (Odds-Ratio [OR] 5,8). Bei Männern ohne MACE in der Anamnese lag die Ereignisrate bei 2,8 bzw. 4,2 % (OR 1,5).

Die Kaplan-Meier-Analyse der kumulativen Inzidenz von MACE über 48 Wochen ergab für Relugolix eine Rate von 5,6 %, für Leuprorelin von 2,8 %. Die Hazard-Ratio von 0,46 entspricht einer Senkung des Risikos für ein MACE um 54 % durch Relugolix im Vergleich zu Leuprorelin (Hazard-Ratio 0,46; 95%-Konfidenzintervall 0,24–0,88; Abb. 1).

Abb. 1. Kaplan-Meyer-Analyse zur kumulativen Inzidenz von schweren kardiovaskulären Ereignissen in der HERO-Studie über 48 Wochen [1, 2]

Fazit der Autoren

Aufgrund der Ergebnisse der HERO-Studie sind die Autoren der Meinung, dass Relugolix das Potenzial hat, ein neuer Standard in der Androgendeprivationstherapie bei Männern mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom zu werden.

Quellen

1. Shore ND, et al. HERO phase III trial: Results comparing relugolix, an oral GnRH receptor antagonist, versus leuprolide acetate for advanced prostate cancer. 2020 ASCO Virtual Scientific Program. J Clin Oncol 2020;38(Suppl.):Abstract 5602, https://meetinglibrary.asco.org/record/191602/abstract.

2. Shore ND, et al. Oral relugolix for androgen-deprivation therapy in advanced prostate cancer. N Engl J Med 2020;382:2187–96.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(10):423-424