COVID-19

Ergebnisse zum Einsatz antiviraler Therapie: Die SOLIDARITY-Studie


Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen

Mit einem Kommentar des Autors
Zu Beginn der Pandemie fanden sich schnell mehrere Kandidaten, die als antivirale Therapieoptionen in Betracht kamen. Doch fast alle scheiterten in ihren Studien. Die bisher einzige klinisch antiviral wirksame Substanz wird nun infrage gestellt.

Die Therapie der COVID-19-Erkrankung unterteilt sich in eine antivirale Therapie und das Management der erhöhten Freisetzung von Zytokinen durch Glucocorticoide. In der Zwischenzeit ist geklärt, dass sowohl Hydroxychloroquin [2] als auch die Kombination von Lopinavir und Ritonavir [3] unwirksam sind. Für Remdesivir gab es initial ermutigende Ergebnisse aus der ACCT-1-Studie, die bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19 eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer im Krankenhaus zeigte [1]. Jetzt liegen auch die Ergebnisse der SOLIDARITY-Studie vor, die im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation durchgeführt wurde.

Studiendesign

Die Autoren der SOLIDARITY-Studie (Tab. 1) untersuchten Remdesivir, Hydroxychloroquin, Lopinavir (Festdosis-Kombination mit Ritonavir) und Interferon beta-1a (hauptsächlich subkutan; zunächst mit Lopinavir, später nicht mehr).

Tab. 1. Studiendesign SOLIDARITY [nach Pan et al.]

Indikation

COVID-19

Studientyp/Design

Randomisiert, unverblindet

Patienten

11 266 randomisiert

Intervention

  • Remdesivir
  • Hydroxychloroquin
  • Lopinavir
  • Interferon plus Lopinavir
  • Interferon
  • Standardbehandlung

Primäres Untersuchunsziel

Auswirkungen auf Sterblichkeit im Krankenhaus

Sponsor

World Health Organization (WHO)

Studienregisternummer

NCT 04315948

(ClinicalTrials.gov)

COVID-19-Patienten, die im Krankenhaus behandelt wurden, erhielten randomisiert die lokal verfügbaren Studienmedikamente oder als Kontrolle die Standardbehandlung.

Die Studie war nicht verblindet. Die Primäranalysen zum Behandlungserfolg erfassten die Mortalität im Krankenhaus in den vier paarweisen Vergleichen jedes Studienmedikaments mit den Kontrollen. Kaplan-Meier-28-Tage-Risikokurven waren nicht adjustiert. Die Log-Rank-Rate-Ratios (RRs) für die Sterblichkeit wurden nach Alter und Beatmung bei Studieneintritt adjustiert.

Ergebnisse

In 405 Krankenhäusern in 30 Ländern wurden 11 266 Erwachsene randomisiert. 9120 (81 %) Patienten hatten ein Alter < 70 Jahre, 6985 (62 %) waren männlich, 2768 (25 %) hatten einen Diabetes mellitus, 916 (8 %) waren bereits beatmet und 7002 (62 %) wurden an den ersten beiden Tagen im Krankenhaus randomisiert.

2750 Patienten erhielten Remdesivir, 954 Hydroxychloroquin, 1411 Lopinavir, 651 Interferon plus Lopinavir, 1412 nur Interferon und 4088 kein Studienmedikament.

Die Compliance lag nach der Hälfte der Behandlung bei 94 bis 96 %. Es wurden 1253 Todesfälle gemeldet (am medianen Tag 8, Interquartilsabstand [IQR] 4 bis 14). Die 28-Tage-Mortalität nach der Kaplan-Meier-Berechnung lag bei 12 %. Die Sterblichkeit betrug 39 %, wenn bei Randomisierung bereits beatmet wurde, ansonsten 10 %.

In der Auswertung berechneten die Autoren das Verhältnis der Sterblichkeitsraten (Anzahl der Toten/Randomisierung). Dazu wurde jedes Medikament seiner Kontrolle gegenübergestellt.

  • Remdesivir RR = 0,95 (95%-Konfidenzintervall [KI] 0,81–1,11; p = 0,50; 301 Todesfälle/2743 Patienten in der Gruppe mit Medikament versus 303 Todesfälle/2708 Patienten in der Kontrollgruppe)
  • Hydroxychloroquin RR = 1,19 (95%-KI 0,89–1,59; p = 0,23; 104/947 versus 84/906)
  • Lopinavir RR = 1,00 (95%-KI 0,79–1,25; p = 0,97; 148/1399 versus 146/1372)
  • Interferon RR = 1,16 (95%-KI 0,96–1,39; p = 0,11; 243/2050 versus 216/2050).

Keines der Studienmedikamente reduzierte den Anteil der Patienten mit Beatmungsbeginn während der Studie oder die Dauer des Krankenhausaufenthalts.

Fazit

Die Therapien mit Remdesivir, Hydroxychloroquin, Lopinavir und Interferon hatten keine oder nur geringe Auswirkungen auf die Gesamtmortalität, den Beginn der Beatmung und die Dauer des Krankenhausaufenthalts bei Patienten mit COVID-19.

Kommentar

Die SOLIDARITY-Studie repliziert die Ergebnisse anderer randomisierten Studien zum Einsatz von Lopinavir-Ritonavir und Hydroxychloroquin. Remdesivir zeigte in einer Reihe von randomisierten Studien eine geringe Wirksamkeit bei schwer betroffenen Patienten. Remdesivir hat daher eine konditionelle Zulassung in den Vereinigten Staaten und Europa erhalten. Nach den negativen Ergebnissen der SOLIDARITY-Studie steht jetzt zu erwarten, dass diese Zulassung wahrscheinlich widerrufen wird. Die gesamte Hoffnung für das Management der COVID-19-Pandemie liegt jetzt auf der möglichst raschen Verfügbarkeit von wirksamen Impfstoffen.

Anmerkung der Redaktion

Die hier vorgestellten Daten der SOLIDARITY-Studie befinden sich aktuell noch in Begutachtung. Aufgrund des besonderen Sponsors und der Thematik haben wir uns entschlossen, die Daten trotzdem bereits vorzustellen.

Quelle

Pan H, et al. Repurposed antiviral drugs for COVID-19 – interim WHO SOLIDARITY trial results. medRxiv. 2020:2020.10.15.20 209 817.

Literatur

1. Beigel JH, et al. Remdesivir for the treatment of Covid-19 – final report. N Engl J Med 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2007764.

2. Group RC, et al. Effect of hydroxychloroquine in hospitalized patients with Covid-19. N Engl J Med 2020; doi: 10.1056/NEJMoa2022926.

3. Recovery Collaborative Group. Lopinavir-ritonavir in patients admitted to hospital with COVID-19 (RECOVERY): a randomised, controlled, open-label, platform trial. Lancet 2020;396:1345–52.

Arzneimitteltherapie 2020; 38(12):509-510