Metastasiertes kastrationsresistentes Prostatakarzinom

Sequenz der antihormonellen Therapie


Dr. Petra Jungmayr, Esslingen

Bei einem metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom mit keiner oder leichter Symptomatik werden bevorzugt Abirateron oder Enzalutamid eingesetzt. Wie sieht deren Einsatz in der täglichen Praxis aus und gibt es eine optimale Sequenz? Diese Fragen wurden im Rahmen einer von Janssen veranstalteten Fachpressekonferenz diskutiert.

Das metastasierte kastrationsresistente Prostatakarzinom (mCRPC) mit milder Symptomatik oder Beschwerdefreiheit macht rund 64 % aller metastasierten kastrationsresistenten Prostatatumoren aus. Für die Erstlinientherapie der milden/nicht symptomatischen Form gibt die S3-Leitlinie (nach alleiniger Androgen-Deprivationstherapie) folgende Empfehlung:

  • Patienten mit metastasierter, kastrationsresistenter, asymptomatischer oder gering symptomatischer und progredienter Erkrankung sollte (alphabetische Reihenfolge) Abirateron (in Kombination mit Prednison/Prednisolon) oder Enzalutamid als Erstlinientherapie angeboten werden (Empfehlungsgrad B).
  • Patienten mit metastasierter, kastrationsresistenter, asymptomatischer oder gering symptomatischer und progredienter Erkrankung kann Docetaxel als Erstlinientherapie angeboten werden (Empfehlungsgrad 0) [4].

Das heißt also, bei milder Symptomatik oder Beschwerdefreiheit ist in der Erstlinientherapie die antihormonelle Behandlung der Chemotherapie vorzuziehen. Für die Zweitlinientherapie empfiehlt die S3-Leitlinie wiederum eine antihormonelle Behandlung oder eine Chemotherapie.

Wie sollte die antihormonelle Erstlinientherapie gestaltet werden und wie sieht das Vorgehen in der Praxis aus? Mit diesen Fragen befassten sich zwei aktuelle Studien, die 2020 beim ASCO und beim ESMO vorgestellt wurden.

Französische Registerstudie (präsentiert auf dem ASCO 2020)

In einer französischen, retrospektiven Registerstudie mit 1432 Patienten wurde in der Erstlinientherapie Abirateron mit Docetaxel verglichen. Die erforderlichen Daten wurden der Nationalen Datenbank des Gesundheitswesens (SNDS) entnommen. Die Patienten mit einem medianen Alter von 74 bzw. 75 Jahren waren an einem mCRPC mit milder Symptomatik oder Beschwerdefreiheit erkrankt und erhielten in der Erstlinientherapie entweder eine Chemotherapie mit Docetaxel oder eine antihormonelle Therapie mit Abirateron. Der Vorteil von Abirateron zeigte sich bei verschiedenen Parametern, so etwa bei der

  • adjustierten Wahrscheinlichkeit des Gesamtüberlebens nach 36 Monaten: Docetaxel vs. Abirateron 27,9 % (95%-Konfidenzintervall [KI] 25,0–31,2] vs. 34,6 % (95%-KI 31,5–38,1); p < 0,003 sowie
  • beim medianen Gesamtüberleben: Docetaxel vs. Abirateron 18,5 Monate (95%-KI 17,1–20,7) vs. 25,5 Monate (95%-KI 23,0–27,3) [1].

US-amerikanische Kohortenstudie (präsentiert auf dem ESMO 2020)

Bei der zweiten Studie handelt es sich um eine US-amerikanische retrospektive Kohortenstudie zur Sequenztherapie des nicht symptomatischen oder mild symptomatischen mCRPC. Die erforderlichen Daten wurden dem Flatiron Health Electronic Health Record (EHR) entnommen, das Daten von rund zwei Millionen Krebspatienten aus mehr als 800 onkologischen Einrichtungen aus den gesamten USA enthält. Die Studienpopulation umfasste 5213 Patienten mit bestätigtem mCRPC mit einem medianen Alter von 72,6 Jahren. Die Erstdiagnose wurde im Mittel vor 5,8 Jahren gestellt; 90 % der Patienten wurden in Praxen, 10 % in Zentren versorgt. Die Auswertung der Daten umfasste die Aufzeichnung von der Diagnosestellung bis zum Ende der Dokumentation im EHR oder Tod. Es konnten folgende Aussagen getroffen werden:

  • In der Erstlinientherapie wurde am häufigsten Abirateron (34,8 %) verordnet, gefolgt von Enzalutamid (29,6 %) und Docetaxel (13,5 %).
  • In der Zweitlinientherapie wurde am häufigsten Enzalutamid verordnet (28,9 %), gefolgt von Abirateron (22,2 %), Docetaxel (16,1 %) und Cabazitaxel (6 %).
  • Häufigste Sequenz in Erst- und Zweitlinientherapie: zwei moderne antihormonelle Therapien (z. B. Abirateron und Enzalutamid) [5].

Einordnung der Ergebnisse

Diese aktuellen Daten stehen im Einklang mit den Aussagen mehrerer retrospektiver Untersuchungen und einer prospektiven Studie zur antihormonellen Sequenztherapie. Die Autoren einer 2020 publizierten Arbeit unterzogen zehn Studien mit 1096 Teilnehmern einem systematischen Review und werteten acht Studien mit 643 Patienten in einer Metaanalyse aus. Auch hier zeigte sich der Vorteil der Sequenz Abirateron → Enzalutamid im Vergleich mit Enzalutamid → Abirateron. So wurde unter der Sequenz Abirateron → Enzalutamid ein besseres progressionsfreies Überleben (PFS) als unter der Sequenz Enzalutamid → Abirateron (pooled Hazard-Ratio [HR] 0,62; 95%-KI 0,49–0,78; p < 0,001) sowie ein signifikant längeres kombiniertes PSA-PFS (HR 0,48; 95%-KI 0,38–0,61) beobachtet. Beim Gesamtüberleben war kein signifikanter Unterschied feststellbar (pooled HR 0,77; 95%-KI 0,59–1,01; p = 0,055) [3].

Diese Ergebnisse sind auch in der Leitlinie der European Association of Urology (EAU) berücksichtigt [2]. Hier wird für den Fall, dass die antihormonelle Sequenztherapie die einzige Option ist, die Sequenz Abirateron → Enzalutamid empfohlen.

Quelle

Prof. Dr. Thomas Steuber, Hamburg; Fachpressekonferenz online „Erleada® und Zytiga® in der Sequenztherapie von fortgeschrittenen Prostatakarzinomen“, 28. Oktober 2020, veranstaltet von Janssen-Cilag GmbH.

Literatur

1. Gross-Goupil M, et al. Survival outcome in patients with metastatic castration-resistant prostate cancer according to first-line treatment. DOI: 10.1200/JCO.2020.38.15_suppl.5570 Journal of Clinical Oncology 38, no. 15_suppl (May 20, 2020) 5570–5570 (Zugriff am 03.11.2020).

2. https://uroweb.org/guideline/prostate-cancer/ (Zugriff am 30.10.2020).

3. Mori K, et al. Sequential therapy of abiraterone and enzalutamide in castration-resistant prostate cancer: a systematic review and meta-analysis. Prostate Cancer Prostatic Dis. 2020 Mar 9. doi:10.1038/s41391-020-0222-6. Epub ahead of print. PMID: 32152435.

4. S3-Leitlinie Prostatakarzinom; Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms. Registernummer 043 – 022OL.

5. Shore N, et al. ESMO 2020. Abstract 661P & Poster. https://oncologypro.esmo.org/meeting-resources/esmo-virtual-congress-2020/real-world-treatment-tx-patterns-of-metastatic-castration-resistant-prostate-cancer-mcrpc-patients-pts-in-the-us (Zugriff am 30.10.2020).


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Arzneimitteltherapie 2020; 38(12):524-529