Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Essen
Es gibt vier monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor, von denen drei in Deutschland zur Prophylaxe der episodischen und chronischen Migräne zugelassen sind (Erenumab, Fremanezumab, Galcanezumab). Angesichts der hohen Kosten der Therapie haben viele Gesundheitssysteme die Anwendung auf Patienten eingeschränkt, bei denen die traditionellen Migräneprophylaktika entweder unwirksam waren, nicht vertragen wurden oder kontraindiziert sind. Daher wurden für alle monoklonalen Antikörper randomisierte Therapiestudien für diese Patientenpopulationen durchgeführt.
Studiendesign
CONQUER war eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Studie, die in 12 Ländern durchgeführt wurde (Tab. 1). Eingeschlossen wurden Patienten im Alter von 18 bis 75 Jahren mit episodischer oder chronischer Migräne. Einschlusskriterium war, dass in der Vergangenheit Wirkstoffe aus zwei bis vier Klassen von Migräneprophylaktika nicht wirksam waren oder nicht vertragen wurden.
Tab. 1. Studiendesign [Mulleners et al. 2020]
Indikation |
Episodische oder chronische Migräne nach Versagen von zwei bis vier Klassen von Migräneprophylaktika |
Studientyp/Design |
Randomisiert, doppelblind |
Intervention |
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Primärer Endpunkt |
Reduktion der Zahl der monatlichen Migränetage |
Sponsor |
Eli Lilly |
Studienregisternummer |
NCT 03559257 |
Die Patienten wurden im Verhältnis 1 : 1 zur subkutanen Gabe von Placebo oder Galcanezumab 120 mg pro Monat über drei Monate randomisiert. Patienten in der Verum-Gruppe erhielten zusätzlich eine Loading-Dose von 240 mg Galcanezumab verabreicht als zwei 120-mg-Spritzen.
Der primäre Endpunkt der Studie war die Reduktion der Zahl der monatlichen Migränetage.
Ergebnisse
Zwischen September 2018 und März 2019 wurden 462 Teilnehmer mit episodischer (n = 269; 58 %) oder chronischer Migräne (n = 193; 42 %) randomisiert und erhielten entweder Placebo (n = 230) oder Galcanezumab (n = 232).
Die Patienten waren im Mittel 46 Jahre alt und 87 % waren Frauen. Am häufigsten waren zuvor Topiramat (72 %), Amitriptylin (47 %) oder Propranolol (45 %) eingesetzt worden.
Die mit Galcanezumab behandelten Patienten hatten über die Monate 1 bis 3 eine signifikant höhere Reduktion der Migränetage als die mit Placebo behandelten Patienten. Die Galcanezumab-Gruppe hatte im Vergleich zum Ausgangswert (13,4 Tage) im Durchschnitt 4,1 weniger monatliche Migränetage, während die Placebo-Gruppe im Durchschnitt einen Migränetag weniger aufwies als in der Baseline (13,0 Tage). Der absolute Unterschied zwischen den beiden Gruppen betrug 3,1 Migränetage (95%-Konfidenzintervall [KI] –3,9 bis –2,3; p < 0,0001). Der Unterschied in der Reduktion der Migränetage zwischen Galcanezumab und Placebo war bei der episodischen Migräne geringer als bei der chronischen Migräne. Die 50%-Responderrate betrug 37,7 % unter Verum und 13,3 % unter Placebo.
Sicherheit
Art und Anzahl der behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse waren unter Galcanezumab und Placebo nicht unterschiedlich. Behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse wurden bei 122 (53 %) der 230 Patienten in der Placebo-Gruppe und 119 (51 %) von 232 Patienten in der Galcanezumab-Gruppe beobachtet.
Kommentar
Die Studie mit Galcanezumab bei Patienten, bei denen die bisherigen Migräneprophylaktika nicht wirksam waren oder nicht vertragen wurden, war im Vergleich zu Placbo für alle primären und sekundären Endpunkte positiv. Ähnliche Ergebnisse wurden auch für Erenumab und Fremanezumab publiziert [1, 2]. Ein besonders wichtiger Aspekt ist hier, dass eine Wirksamkeit von Galcanezumab in dieser Patientengruppe auch bei Patienten mit chronischer Migräne nachgewiesen wurde. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass unter der Therapie mit dem monoklonalen Antikörper insbesondere bei Patienten mit chronischer Migräne die Einnahmetage mit Akutmedikation deutlich zurückgingen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um den Übergang in einen Dauerkopfschmerz durch Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln zu vermeiden. Die Studie mit Galcanezumab unterscheidet sich von den beiden anderen Studien dadurch, dass eine Kontraindikation gegen eines der traditionellen Migräneprophylaktika kein Ausschlusskriterium war. Es bleibt nun abzuwarten, ob der gemeinsame Bundesausschuss bei seiner rigorosen Haltung bleibt, dass monoklonale Antikörper nur eingesetzt werden dürfen, wenn bei episodischer Migräne vier Klassen von Migräneprophylaktika und bei chronischer Migräne fünf Klassen von Migräneprophylaktika nicht wirksam waren, nicht vertragen wurden oder kontraindiziert sind.
Quelle
Mulleners WM, et al. Safety and efficacy of galcanezumab in patients for whom previous migraine preventive medication from two to four categories had failed (CONQUER): a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3b trial. Lancet Neurol 2020;19:814–25.
Literatur
1. Ferrari MD, et al. Fremanezumab versus placebo for migraine prevention in patients with documented failure to up to four migraine preventive medication classes (FOCUS): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3b trial. Lancet 2019;394:1030–40.
2. Reuter U, et al. Efficacy and tolerability of erenumab in patients with episodic migraine in whom two-to-four previous preventive treatments were unsuccessful: a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3b study. Lancet 2018;392:2280–7.
Arzneimitteltherapie 2020; 38(12):511-517