Zulassungserweiterungen ohne Zusatznutzen?


Dr. Maja M. Christ, Stuttgart

[Foto: Ferdinando Iannone]

Selten werden Arzneimittel nur für eine einzige Erkrankung angewendet: Jedes zweite der in Europa zugelassenen Arzneimittel ist in einer weiteren, jedes sechste sogar in drei weiteren Indikationen zugelassen [10]. Mit jeder neuen Indikation sinkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass dem Therapeutikum ein Zusatznutzen zugesprochen wird. Das zeigt eine kürzlich im British Medical Journal veröffentlichte Analyse mit Daten aus Europa und den USA [10]. Hatten bei der ursprünglichen Indikation 47 % der Arzneimittel in Europa einen Zusatznutzen zugesprochen bekommen, waren es bei Erweiterungen nur noch 36 %. Die Wahrscheinlichkeit sank mit jeder weiteren Indikation: bei der zweiten um 37 % (Rate-Ratio 0,63; p = 0,02), bei der dritten um 52 % (Rate-Ratio 0,48; p = 0,004) gegenüber der ersten Indikation.

Natürlich bedeutet dieses Ergebnis nicht zwangsläufig, dass diese Arzneimittel nicht wirksam sind – die Studienlage lässt aber in den meisten Fällen keine Aussage zu, ob die neue Therapie besser als die bestehenden ist. Hier zeigt sich wieder einmal, wie wichtig Head-to-Head-Vergleiche sind. Diese sind zwar für den Zulassungsprozess in Europa nicht nötig, werden aber für das Bewertungsverfahren zum Zusatznutzen gefordert.

Das Beispiel Upadacitinib zeigt die Problematik: Der Janus-Kinase-Inhibitor ist nicht mehr nur für die rheumatoide Arthritis zugelassen (RA, Erstzulassung), sondern inzwischen auch für axiale Spondylo- und Psoriasis-Arthritis, ankylosierende Spondylitis, atopische Dermatitis sowie die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa [2]. Wurde Upadacitinib in den Studien gegen eine bestehende Therapie wie Adalimumab verglichen, konnte durchweg ein Zusatznutzen bescheinigt werden [3–8]. Im Anwendungsgebiet Colitis ulcerosa lagen nur Vergleiche gegen Placebo vor. Dementsprechend konnte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hier keinen Zusatznutzen bescheinigen [8]. Ähnliches steht der Indikation Morbus Crohn bevor – hier legte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) dem G-BA kürzlich seine Bewertung vor [9]. Bemängelt wird auch hier, dass Upadacitinib weder mit einem TNF-α-Antagonisten (Adalimumab oder Infliximab) noch mit einem Integrin- (Vedolizumab) oder Interleukin-Inhibitor (Ustekinumab) verglichen wurde. Wo die direkten Vergleiche bleiben, fragt Daniela Preukschat, IQWiG-Ressort Arzneimittelbewertung [9]:

„Seit über zwanzig Jahren sind in der Indikation Morbus Crohn Biologika zugelassen und im Einsatz – und dennoch werden uns wieder Studien vorgelegt, in denen neue immunsuppressive Substanzen nur mit Placebo oder in unterschiedlichen Dosierungen mit sich selbst verglichen werden.“

Dass es im Fall von Morbus Crohn anders gehen kann, sieht man an der Bewertung von Risankizumab, für die eine Head-to-Head-Studie herangezogen werden konnte (S. 239 f.). Das zeigt: Es ist möglich, frühzeitig vergleichende Studien zu starten.

Wird kein Zusatznutzen bescheinigt, kann es schon einmal vorkommen, dass ein Hersteller sein neues Arzneimittel vom deutschen Markt nimmt – wie kürzlich mit Amivantamab geschehen [1]. Patienten mit chronisch-entzündlichen Erkrankungen erleiden nicht selten Rezidive oder sprechen auf bisherige Therapien nicht mehr ausreichend an. Dann ist es wichtig, Alternativen anbieten zu können, die nicht nur wirksam und sicher, sondern auch erhältlich sind.

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