Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
Das Jahr 2023 war ein aufregendes Jahr für die Neurologie mit vielen neuen Studien zur Diagnose, Klinik und Therapie neurologischer Krankheiten. Zu den wichtigsten Studien gehörte der Nachweis einer Wirksamkeit der beiden monoklonalen Antikörper Donanemab [15] und Lecanemab [17] gegen Beta-Amyloid beim beginnenden Morbus Alzheimer (s. S. 311 ff.). Sollten diese Substanzen zugelassen werden, stellen sich jedoch erhebliche logistische Probleme bei der Diagnostik und im Einsatz dieser Substanzen. Die Diagnose setzt den Nachweis von Beta-Amyloid in der Positronen-Emissions-Tomographie (PET) oder durch Biomarker voraus. Die Infusionen müssen alle zwei bzw. vier Wochen vorgenommen werden. Während der Behandlung müssen regelmäßig Kernspintomographien durchgeführt werden, um die Amyloid-bezogenen Nebenwirkungen (ARIA) wie Hirnödeme und Mikroblutungen zu überwachen. Für diese Maßnahmen gibt es bisher in Deutschland keine Infrastruktur. Hinzu kommen hohe Kosten für die neuen Arzneimittel: In den USA liegen sie bei 25 000 Euro pro Jahr. Ein weiterer Angriffspunkt für die Therapie des Morbus Alzheimer ist das Tau-Protein. Dieses ist monoklonalen Antikörpern allerdings nicht zugänglich, da es intrazellulär in Neuronen liegt. Derzeit wird zum Beispiel der Einsatz von Antisense-Oligonukleotiden untersucht [12].
Erstmals gibt es Fortschritte bei der Behandlung der amyotrophen Lateralsklerose (ALS). Für eine genetische Unterform der ALS, nämlich bei Vorliegen einer Mutation im Superoxid-Dismutase-1(SOD1)-Gen, konnte eine Wirksamkeit von Tofersen nachgewiesen werden [11]. Beruhigende Nachrichten gibt es auch aus der Epileptologie. Die modernen Antiepileptika führen bei Schwangeren im Gegensatz zur Valproinsäure nicht zu einem erhöhten Risiko teratogener Schädigungen oder späterer Entwicklungsstörungen [5].
Frustrierend ist leider weiterhin die medikamentöse Therapie des Morbus Parkinson mit dem Ansatz, die Krankheitsprogression zu verlangsamen. In einer in Deutschland initiierten Studie konnte beispielsweise kein Nutzen einer transkutanen Nikotin-Therapie über ein Jahr im Vergleich zu Placebo gefunden werden [13].
Aus dem Bereich der multiplen Sklerose (MS) gibt es gute Nachrichten. Hier zeigte sich, dass eine COVID-19-Impfung das Risiko von neuen MS-Schüben nicht erhöht [16]. Im Bereich der Behandlung der Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung gibt es rasante Fortschritte. Die neuen monoklonalen Antikörper Eculizumab, Satralizumab und Inebilizumab, die den Krankheitsprozess positiv beeinflussen, sind zum Teil so wirksam, dass bei einem Teil der Patienten keine neuen Krankheitsschübe mehr auftreten (Kasten „Es stand in der AMT“).
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