Asundexian versus Apixaban bei Patienten mit Vorhofflimmern


Veröffentlicht am: 16.10.2024

Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen

Bei Patienten mit Vorhofflimmern und Schlaganfallrisiko war in einer randomisierten Studie eine Therapie mit dem Faktor-XI-Inhibitor Asundexian in einer täglichen Dosis von 50 mg mit einer höheren Inzidenz von Schlaganfällen oder systemischer Embolie verbunden als die Behandlung mit Apixaban. Daher wurde die Studie vorzeitig abgebrochen. Unter Asundexian traten weniger schwerwiegende Blutungen auf als unter Apixaban.
Mit einem Kommentar des Autors

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Patienten mit Vorhofflimmern haben ein hohes Risiko, einen ischämischen Schlaganfall zu erleiden. Dieses Risiko kann durch eine Antikoagulation deutlich reduziert werden. Die Schlaganfallprävention mit direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien (DOAK) bei Patienten mit Vorhofflimmern ist hoch wirksam. Allerdings besteht auch ein erhöhtes Blutungsrisiko. Asundexian, ein aktivierter Faktor-XI(XIa)-Inhibitor, ist ein orales Antikoagulans, das Schlaganfälle theoretisch mit geringerem Blutungsrisiko verhindern sollte.

Studiendesign

In einer internationalen doppelt-verblindeten Phase-III-Studie wurden Hochrisikopatienten mit Vorhofflimmern in einem Verhältnis von 1 : 1 randomisiert (Tab. 1). Sie erhielten entweder Asundexian (50 mg einmal täglich) oder die Standarddosis Apixaban. Der primäre Studienendpunkt umfasste Schlaganfälle oder systemischen Embolien. Der primäre Sicherheitsendpunkt erfasste schwere Blutungsereignisse.

Tab. 1.  Studiendesign OCEANIC-AF [Piccini et al. 2024]

ErkrankungVorhofflimmern
StudienzielWirksamkeit und Sicherheit von Asundexian versus Apixaban zur Vorbeugung von Schlaganfällen und systemischen Embolien
StudiendesignMultizentrisch, international, randomisiert, aktiv kontrolliert, doppelblind, parallel, Phase III
Eingeschlossene Patienten14 810 (14 737 erhielten mind. 1 Dosis der Studienintervention)
Intervention
  • Asundexian 50 mg einmal tägl. (n = 7415)
  • Apixaban 5 mg zweimal tägl. (Dosisreduktion auf 2,5 mg zweimal tägl. möglich; n = 7395)
Primärer WirksamkeitsendpunktSchlaganfall oder systemische Embolie in der Intention-to-Treat-Population
Primärer SicherheitsendpunktSchweres Blutungsereignis
SponsorBayer
Studienregister-Nr.NCT05643573 (ClinicalTrials.gov)

Ergebnisse

In die Intention-to-treat-Population der Studie wurden insgesamt 14 810 Patienten aufgenommen. Das mittlere (±Standardabweichung) Alter der Patienten betrug 73,9 ± 7,7 Jahre, 35 % waren Frauen, 19 % hatten eine chronische Nierenerkrankung, 18 % hatten bereits einen Schlaganfall oder eine transitorische ischämische Attacke (TIA) erlitten. Der mittlere CHA2DS2-VASc-Score lag bei 4,3 ± 1,3. Die Studie wurde auf Empfehlung des unabhängigen Datenüberwachungsausschusses vorzeitig abgebrochen.

Ein Schlaganfall oder eine systemische Embolie traten auf  

  • bei 98 Patienten (1,3 %) unter Asundexian und  
  • bei 26 Patienten (0,4 %) unter Apixaban;
  • Hazard-Ratio [HR] 3,79; 95%-Konfidenzintervall [KI] 2,46–5,83.  


Schwerwiegende Blutungen traten auf  

  • bei 17 Patienten (0,2 %) unter Asundexian und
  • bei 53 Patienten (0,7 %) unter Apixaban;
  • HR 0,32; 95%-KI 0,18–0,55
     

Die Inzidenz weiterer unerwünschter Ereignisse war in beiden Gruppen ähnlich.

Kommentar

Die Entwicklung von Antagonisten des Gerinnungsfaktors XI beruht auf der Beobachtung, dass Menschen mit einem genetisch bedingten Mangel dieses Gerinnungsfaktors weniger ischämische Schlaganfälle und Myokardinfarkte erleiden und nur ein minimal erhöhtes Blutungsrisiko haben. Es gibt verschiedene Ansätze, den Gerinnungsfaktor XI zu hemmen, unter anderem kleine Moleküle und monoklonale Antikörper [1]. Potenzielle Indikationen für Faktor-XI-Hemmer sind venöse Thromboembolien, Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern und die Prophylaxe von Thrombosen von AV-Shunts bei Dialysepatienten. Das Ergebnis der OCEANIC-AF Studie war sehr überraschend, da nicht zu erwarten war, dass Asundexian bezüglich der Vorbeugung von Schlaganfällen bei Patienten mit Vorhofflimmern deutlich weniger wirksam ist als Apixaban.  

Es gibt dafür zwei potenzielle Erklärungen:  

  1. Es könnte sein, dass die Dosis von Asundexian zu niedrig war und keine vollständige Hemmung des Gerinnungsfaktors XIa erreicht wurde.  
  2. Es ist durchaus möglich, dass das Konzept, dass der Entwicklung von Faktor-X-Inhibitoren zugrunde liegt, beim Verhindern von thromboembolischen Ereignissen nicht funktioniert. 
     

Dies kann erst geklärt werden, wenn die Ergebnisse der noch laufenden weiteren Studien zum Einsatz von Faktor-XI-Hemmern beendet sind. In Übereinstimmung mit der Hypothese über die Wirksamkeit von Faktor-XI-Hemmern fand sich in dieser Studie allerdings eindeutig eine geringere Zahl von schwerwiegenden Blutungskomplikationen unter Asundexian als unter Apixaban.

Quelle

Piccini JP, et al. Asundexian versus Apixaban in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med. 2024 Sep 1. doi: 10.1056/NEJMoa2407105. Online ahead of print.

Literatur

  1. Nolte C, et al. Faktor-XI-Hemmer – neue Therapeutika in der Prävention von Thromboembolien. Info Neurologie & Psychiatrie. 2024;26:28–36.

 

Arzneimitteltherapie 2024;42:e24037.

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