Sekundärprävention ischämischer Ereignisse

Clopidogrel bei Diabetikern besser wirksam als Acetylsalicylsäure?


Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen

Bei der Untergruppe der Patienten mit Diabetes mellitus sind 75 mg Clopidogrel in der Sekundärprävention von vaskulärem Tod, Myokardinfarkt, Schlaganfall und Rehospitalisierung besser wirksam als Acetylsalicylsäure allein. Dies wird nicht mit einer erhöhten Blutungsrate erkauft.

Die CAPRIE-Studie (Clopidogrel versus aspirin in patients at risk of ischaemic events) war eine randomisierte Studie mit 19 185 Patienten mit ischämischem Insult, Myokardinfarkt oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit, die entweder mit 75 mg Clopidogrel (Plavix®, Iscover®) oder mit 325 mg Acetylsalicylsäure (Aspirin®) behandelt wurden. Die Studie ergab über alle Risikogruppen und Endpunkte hinweg eine relative Risikoreduktion von 8,7 % zugunsten von Clopidogrel. Für die Untergruppen der Patienten mit Schlaganfall und Myokardinfarkt ergab sich kein Unterschied. Nur die Gruppe der Patienten mit peripherer arterieller Verschlusskrankheit profitierte signifikant von Clopidogrel.

Für den klinischen Alltag ist es wichtig, ob es Untergruppen von Patienten gibt, die von Clopidogrel mehr profitieren als andere. Die hier durchgeführte Analyse bezog sich auf 3 866 Patienten mit Diabetes mellitus, die in die CAPRIE-Studie eingeschlossen worden waren.

Insgesamt wurden 1 914 Diabetes-Patienten mit Clopidogrel und 1 952 mit Acetylsalicylsäure behandelt. Bei den übrigen Risikofaktoren waren beide Populationen vergleichbar. Die Ereignisraten (Myokardinfarkt, Schlaganfall, vaskulärer Tod sowie erneute stationäre Aufnahme wegen Ischämie oder Blutungskomplikationen) betrug 12,7 % (Acetylsalicylsäure) gegenüber 11,8 % (Clopidogrel) für Patienten ohne Diabetes mellitus. Bei Patienten mit Diabetes mellitus betrugen die Ereignisraten 17,7 % unter Clopidogrel und 15,6 % unter Acetylsalicylsäure, bei Patienten mit Insulin-pflichtigem Diabetes mellitus betrugen sie 21,5 % (Clopidogrel) gegenüber 17,7 % (Acetylsalicylsäure).

Die relative Risikoreduktion durch Clopidogrel für alle ischämischen Ereignisse betrug 12,9 %, der p-Wert ergab allerdings keine statistische Signifikanz.

Demzufolge könnten 11 ischämische Ereignisse pro 1 000 Patienten ohne Diabetes mellitus pro Jahr verhindert werden, wenn Patienten mit Clopidogrel anstelle von Acetylsalicylsäure behandelt werden. Bei Patienten mit Diabetes mellitus könnten 21 und bei Patienten mit Insulin-pflichtigem Diabetes mellitus könnten 38 ischämische Ereignisse pro 1 000 Patienten pro Jahr verhindert werden. Blutungsereignisse traten bei Diabetikern bei 1,8 % unter Clopidogrel und 2,8 % unter Acetylsalicylsäure auf.

Aus der CAPRIE-Studie allein lässt sich keine Empfehlung ableiten, bei Patienten mit Schlaganfall Acetylsalicylsäure durch Clopidogrel zu ersetzen. Ursprünglich lautete die Empfehlung, Clopidogrel bei den Patienten einzusetzen, die Acetylsalicylsäure nicht tolerieren oder bei denen Kontraindikationen bestehen. In der Zwischenzeit wurde eine Reihe von ursprünglich in Protokollen nicht spezifizierten Subgruppenanalysen durchgeführt, um die Risikopatienten zu identifizieren, die besonders von einer Gabe von Clopidogrel profitieren. Dazu gehören nach den Ergebnissen der hier vorliegenden Analyse Patienten mit Diabetes mellitus. Wie zu erwarten, sind die Ereignisraten bei Diabetikern deutlich höher als bei Nichtdiabetikern. Je höher die Ereignisrate an ischämischen Ereignissen, desto höher ist auch der therapeutische Nutzen von Clopidogrel im Vergleich zu Acetylsalicylsäure. Wichtig ist, dass der zusätzliche therapeutische Nutzen von Clopidogrel nicht mit einer erhöhten Blutungsrate erkauft wird.

Quelle

Bhatt DL, et al. Amplified benefit of clopidogrel versus aspirin in patients with diabetes mellitus. Am J Cardiol 2002;90:625-8.

Arzneimitteltherapie 2003; 21(08)