Onkologie

Gabapentin bei verzögerter Übelkeit wirksam?


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Susanne Wasielewski, Münster

Eine Mammakarzinom-Patientin mit Zytostatika-induzierter schwerer Übelkeit bekam zur Behandlung ihrer Hitzewallungen dreimal täglich 300 mg Gabapentin. Auch die Übelkeit verschwand. In einer daraufhin durchgeführten offenen Studie an Mammakarzinom-Patientinnen mit mittelschwerer bis schwerer Übelkeit sank der Maximalwert der verzögerten Übelkeit auf einer 8-Punkte-Skala bei 6 von 9 Patientinnen um mindestens 3 Punkte. Bei drei Patientinnen verschwanden akute und verzögerte Übelkeit vollständig.

Eine 59-jährige Mammakarzinom-Patientin, die mit Doxorubicin und Cyclophosphamid behandelt wurde, litt nach den ersten beiden Zyklen an schwerer Übelkeit, obwohl sie eine antiemetische Prophylaxe aus 10 mg Ondansetron und 10 mg Dexamethason erhalten hatte. Eine zusätzliche Gabe von dreimal täglich Prochlorperazin half nicht. Zwischen dem zweiten und dritten Zyklus begann sie zur Behandlung ihrer Hitzewallungen dreimal täglich 300 mg des Antiepileptikums Gabapentin einzunehmen. Die Hitzewallungen verschwanden, und nach dem dritten und vierten Zyklus trat überraschenderweise keine Übelkeit auf.

Aufgrund dieses Fallberichts wurde Gabapentin in einer offenen Studie an Mammakarzinom-Patientinnen eingesetzt, die nach der ersten Chemotherapie unter der üblichen antiemetischen Prophylaxe an mindestens mittelschwerer Übelkeit litten.

Alle neun Patientinnen bekamen alle 3 Wochen insgesamt 4 Zyklen einer adjuvanten Chemotherapie aus Doxorubicin 60 mg/m2 und Cyclophosphamid 600 mg/m2. Das antiemetische Regime bestand in den Zyklen 1 und 3 aus Ondansetron 16 bis 24 mg i. v. und Dexamethason 20 mg i. v. Gleichzeitig durfte Lorazepam 0,5 bis 1,0 mg i. v. gegeben werden. Als orale Notfallmedikation wurden Ondansetron 8 mg dreimal täglich, Prochlorperazin 10 mg viermal täglich und/oder Dexamethason 20 mg einmal täglich angewendet. In den Zyklen 2 und 4 wurden zusätzlich zum antiemetischen Standardregime Gabapentin-Kapseln eingenommen. Die Einnahme begann 5 Tage vor der Chemotherapie (an 2 Tagen abends eine Kapsel mit 300 mg). Die Einnahmefrequenz wurde schrittweise erhöht (2 Tage zweimal täglich eine Kapsel, dann 6 Tage dreimal täglich eine Kapsel), und die Einnahme endete am sechsten Tag nach der Chemotherapie.

Die Frauen beurteilten ihre Übelkeit jeweils 5 Tage lang in 4 Tagesabschnitten in einem Tagebuch auf einer 8-Punkte-Skala von 0 = keine Übelkeit über 1 = leichte Übelkeit bis 7 = schwere Übelkeit.

Die Gabapentin-Einnahme war mit einer mittleren Senkung der Spitzenwerte sowohl der akuten als auch der verzögerten Übelkeit verknüpft. Bei drei Patientinnen verschwanden akute und verzögerte Übelkeit vollständig. Bei drei anderen Patientinnen sank der Spitzenwert der verzögerten Übelkeit um mindestens 3 Punkte. Bei insgesamt acht Frauen sank der Spitzenwert der verzögerten Übelkeit nach Gabapentin-Einnahme.

Zwei Frauen berichteten im Zusammenhang mit der Gabapentin-Einnahme über Schläfrigkeit, die aber keine Dosisreduktion erforderte. Drei Patientinnen, die im zweiten Zyklus trotz Gabapentin-Einnahme noch unter Übelkeit litten, erhielten im vierten Zyklus die doppelte Dosis (dreimal täglich 600 mg). Sie hatten keine Nebenwirkungen.

Auch wenn es sich nur um eine offene Studie ohne Plazebo-Kontrolle handelt, weisen die Ergebnisse zumindest darauf hin, dass Gabapentin bei ansonsten behandlungsresistenter Zytostatika-induzierter Übelkeit wirksam sein könnte.

Quelle

Guttuso T Jr, et al. Effect of gabapentin on nausea induced by chemotherapy in patients with breast cancer. Lancet 2003;361:1703-5.

Arzneimitteltherapie 2004; 22(02)