EditorialDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Medicus rationalis statt Medicus sapiens?

Diskussionsforum ArzneimitteltherapieThomas M. Kapellen, Corinna Gebauer, Birgit Labitzke, Oana Brosteanu und Wieland Kiess, Leipzig

Arzneimittel-Anwendung ohne oder außerhalb der Zulassung

Gängige Praxis der Pharmakotherapie bei Kindern und Jugendlichen

Je nach Alter und Indikation werden bei Kindern und Jugendlichen bis zu 90 % aller Arzneimittel außerhalb der Zulassung verwendet. Ein hohes Risiko für eine Arzneimittel-Anwendung außerhalb der Zulassung haben intensivpflichtige Säuglinge, aber auch chronisch kranke Patienten, die auf neu entwickelte Arzneimittel angewiesen sind. Auch außerhalb der Kliniken werden in der täglichen Praxis Arzneimittel in nicht unerheblichem Anteil außerhalb der Zulassung verschrieben. Die Verwendung solcher Arzneimittel, die nicht für die entsprechende Indikation oder das entsprechende Lebensalter zugelassen sind oder in anderer Formulierung verwendet werden, ist mit einem höheren Risiko für eine unerwünschte Arzneimittelwirkung verbunden. Gleichzeitig kann noch nicht einmal eine Wirksamkeit der applizierten Substanzen garantiert werden, wenn eine entsprechende klinische Prüfung im Kindesalter nicht stattgefunden hat. Zur Verbesserung der Situation wurde kürzlich durch die Förderung des BMBF ein pädiatrisches Netzwerk (PAED-Net) für klinische Studien in Deutschland aufgebaut.
Arzneimitteltherapie 2004;22:34-38.

ÜbersichtMatthias Wettstein, Gerald Kircheis und Dieter Häussinger, Düsseldorf

Therapie der hepatischen Enzephalopathie

Die hepatische Enzephalopathie ist eine potenziell reversible Funktionsstörung des zentralen Nervensystems, die bei chronischen und akuten Lebererkrankungen auftreten kann. Pathogenetisch ist eine durch Ammoniak und andere Toxine induzierte Funktionsstörung der Astroglia bedeutsam. Die wichtigsten Maßnahmen bei Vorliegen einer hepatischen Enzephalopathie sind die Erkennung und Beseitigung auslösender Faktoren, zu denen unter anderem gastrointestinale Blutungen, Infektionen und übermäßige Nahrungsproteinaufnahme gehören. Die weitere Therapie zielt in erster Linie auf eine Verringerung der enteralen Bildung und Resorption toxischer Metaboliten mit vorübergehender Eiweißrestriktion, Lactulose und oralen Antibiotika. l-Ornithin-l-aspartat verbessert die Ammoniakentgiftung und die klinische Symptomatik. Der Benzodiazepin-Antagonist Flumazenil sowie die Substitution verzweigtkettiger Aminosäuren und von Zink können bei Untergruppen von Patienten zu einer Besserung des Krankheitsbilds führen.
Arzneimitteltherapie 2004;22:39-45.

ÜbersichtErhard Hiller, München

Umstellung von oralen Antikoagulanzien auf Heparin

Bei der Umstellung von der oralen Antikoagulation auf niedermolekulare Heparine (NMH) muss für die betroffenen Patienten das individuelle Thromboembolie-Risiko eingeschätzt und dementsprechend die Dosierung der NMH festgelegt werden. In vielen Fällen kann die Umstellung ambulant erfolgen, was zu erheblichen Kostensenkungen führt. Aufgrund der Erfahrungen bei anderen Indikationen (z. B. Therapie der Venenthrombose) kann man bei über 90 % der Patienten damit rechnen, dass sie im angestrebten Therapiebereich liegen. Dies ist bei Einsatz von unfraktioniertem Heparin (UFH) nur in knapp 50 % der Fälle zu erwarten. NMH sind aufgrund ihres vorteilhafteren Wirkungsprofils dem UFH bei der Umstellung dauerhaft oral antikoagulierter Patienten vor interventionellen Eingriffen vorzuziehen. NMH bieten sich jedoch auch als sehr gute Alternative für einen längerfristigen Einsatz bei den Patienten an, bei denen eine Kontraindikation gegen orale Antikoagulanzien besteht. Es wäre wünschenswert, wenn die verschiedenen Fachgesellschaften Richtlinien zur Umstellung von oralen Antikoagulanzien auf niedermolekulare Heparine erarbeiten würden, um somit eine größere Sicherheit anstatt der derzeit bestehenden Unsicherheit für die Anwender zu schaffen.
Arzneimitteltherapie 2004;22:46-51.

ÜbersichtAlfred O. Mueck und Harald Seeger, Tübingen

Rauchen und Estrogen-Therapie

Durch Rauchen kann die Wirksamkeit von Estrogenen reduziert bis völlig aufgehoben werden, abhängig von Art, Dauer und Intensität des Nicotin-Konsums. Dies betrifft die positiven Estrogen-Wirkungen auf Hitzewallungen, urogenitale Beschwerden sowie den Lipidstoffwechsel, Osteoporose-Prävention und möglicherweise auch günstige vaskuläre Effekte. Wichtigste Ursache ist eine dosisabhängige Erhöhung der hepatischen Clearance, häufig in Verbindung mit erniedrigten Estrogen-Spiegeln. Eine kompensatorische Erhöhung der Dosen für Raucherinnen sollte aber nicht in Betracht gezogen werden, da dies zu der Bildung von toxischen, potenziell mutagenen Estrogen-Metaboliten führen könnte – Substanzen, die kürzlich auch mit einem erhöhten Brustkrebsrisiko in Verbindung gebracht wurden. Wenn Frauen trotz aller Warnungen weiter rauchen und eine Estrogen-Therapie benötigen, wird die transdermale Applikation empfohlen. Dieser Applikationsweg ermöglicht niedrige Dosierungen und vermeidet gleichzeitig weitgehend die Bildung unphysiologischer Metaboliten, da die Leber primär umgangen wird.
Arzneimitteltherapie 2004;22:52-58.

Informationsforum ArzneimitteltherapieDr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Omega-3-Fettsäuren

Keine antiarrhythmischen Effekte nachweisbar

Bei Patienten, die wegen einer lebensbedrohlichen tachykarden ventrikulären Herzrhythmusstörung mit einem implantierbaren Defibrillator behandelt wurden, zeigten Omega-3-Fettsäuren keine antiarrhythmische Wirkung.

Informationsforum ArzneimitteltherapieDr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Perkutane Koronarintervention

Kann Bivalirudin Heparin ersetzen?

Bei Patienten nach Koronarintervention verhinderte der direkte Thrombinhemmer Bivalirudin, wenn nötig kombiniert mit einem Glykoprotein-IIb/IIIa-(GP-IIb/IIIa-)Antagonisten, ischämische Endpunkte vergleichbar wie Heparin plus routinemäßige GP-IIb/IIIa-Blockade. Mit Bivalirudin traten weniger schwere Blutungen auf.

Informationsforum ArzneimitteltherapieSusanne Wasielewski, Münster

Onkologie

Gabapentin bei verzögerter Übelkeit wirksam?

Eine Mammakarzinom-Patientin mit Zytostatika-induzierter schwerer Übelkeit bekam zur Behandlung ihrer Hitzewallungen dreimal täglich 300 mg Gabapentin. Auch die Übelkeit verschwand. In einer daraufhin durchgeführten offenen Studie an Mammakarzinom-Patientinnen mit mittelschwerer bis schwerer Übelkeit sank der Maximalwert der verzögerten Übelkeit auf einer 8-Punkte-Skala bei 6 von 9 Patientinnen um mindestens 3 Punkte. Bei drei Patientinnen verschwanden akute und verzögerte Übelkeit vollständig.

Informationsforum ArzneimitteltherapieProf. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen

Alzheimer-Krankheit

Memantin im fortgeschrittenen Stadium wirksam

Bei Patienten mit fortgeschrittener Alzheimer-Krankheit kann Memantin (Axura®, Ebixa®) den Krankheitsprozess verlangsamen.

Informationsforum ArzneimitteltherapieAlexandra Hennemann, Stuttgart

Kolorektalkarzinom

Adjuvante Therapie mit Oxaliplatin verbessert krankheitsfreies Überleben

Mit einer adjuvanten Kombinationstherapie aus Fluorouracil und Folinsäure plus Oxaliplatin erreichten signifikant mehr Patienten mit Kolorektalkarzinom im Stadium II oder III ein krankheitsfreies Überleben über drei Jahre als mit Fluorouracil/Folinsäure allein. Dies ergab die vorläufige Zwischenauswertung einer großen Phase-III-Studie mit etwa 2 200 Patienten.

Informationsforum ArzneimitteltherapieGabriele Blaeser-Kiel, Hamburg

Nierentransplantation

Chance auf stabilisierte Nierenfunktion durch Wechsel von Calcineurin-Inhibitoren auf Sirolimus

Die Halbwertzeit von transplantierten Nieren (Totspenden) stagniert seit geraumer Zeit bei etwa zehn Jahren. Einen nicht unwesentlichen Anteil daran hat der nephrotoxische Effekt der Standardimmunsuppression mit Calcineurin-Inhibitoren. Ein Ausweg ist möglicherweise die Umstellung der Abstoßungsprophylaxe auf den mTor-Inhibitor Sirolimus.

Informationsforum ArzneimitteltherapieBettina Polk, Stuttgart

Primärtherapie bei Ovarialkarzinom

Bessere Lebensqualität unter Paclitaxel/Carboplatin im Vergleich zu Paclitaxel/Cisplatin

Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Onkologie (AGO) ergab, dass mit einer Kombination von Paclitaxel/Carboplatin beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom gleiche Wirkung wie mit der bisherigen Standardtherpie (Paclitaxel/Cisplatin) erreicht wird, bei jedoch geringerer Neurotoxizität und besserer Lebensqualität.