Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Akute Pankreatitis
Bei der akuten Pankreatitis wird zwischen zwei Verlaufsformen unterschieden, der milden ödematösen und der schweren nekrotisierenden Form. Häufigster Auslöser ist der Alkoholabusus, gefolgt von inkarzerierten Gallengangsteinen im Bereich der Papilla Vateri. Seltenere Ursachen sind die Hyperlipoproteinämie, insbesondere die Hypertriglyzeridämie, die Hyperkalzämie, Arzneimittel und iatrogene Ursachen.
Die Aufklärung der Pathogenese der akuten Pankreatitis hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Doch die verschiedenen Ansätze für eine Pankreas-spezifische Therapie, zum Beispiel durch Hemmung der Proteasen, erwiesen sich bisher als nicht erfolgreich. Wahrscheinlich kommt dieser therapeutische Ansatz zeitlich zu spät.
Ödematöse Pankreatitis
Die Therapie der ödematösen Pankreatitis besteht im Wesentlichen in oraler Nahrungskarenz, der parenteralen Volumen-, Glucose- und Elektrolytzufuhr und einer adäquaten Schmerzbehandlung. Darüber hinaus empfiehlt sich eine Kreislaufüberwachung, die Bilanzierung der Ein- und Ausfuhr und des oft erheblichen Flüssigkeitsverlusts durch das Pankreasödem und in das Retroperitoneum, die Kontrolle des Blutzuckers, der Nieren- und Lungenfunktion. Ein wichtiger Parameter für die Beurteilung des Krankheitsverlaufs ist neben modernen bildgebenden Verfahren das C-reaktive Protein (CRP).
Nekrotisierende Pankreatitis
Die Behandlung der schweren nekrotisierenden akuten Pankreatitis ist eine interdisziplinäre Herausforderung, sie erfordert die Zusammenarbeit von Chirurgen und Intensivmedizinern. Die Initialtherapie besteht in einer Substitution des oft sehr ausgeprägten Volumenmangels. Dieser ist sowohl durch die verminderte Zufuhr als auch durch die Sequestration in die Bauchhöhle und das Retroperitoneum bedingt. Die erforderliche Menge kann mehr als 10 Liter täglich betragen. Die adäquate Flüssigkeitssubstitution verbessert die Organperfusion und kann deshalb der Entstehung oder Ausdehnung von Nekrosen entgegenwirken. Ob Plasmaexpander oder gar therapeutische Hämodilution sinnvoll sind, wird kontrovers beurteilt.
Verbesserung der Prognose
Seit vielen Jahren wird nach Medikamenten gesucht, die eine kausale und prognoseverbessernde Wirkung bei Patienten mit akuter Pankreatitis zeigen. Dabei hat sich das Konzept der Proteasen-Inhibition als nicht erfolgreich erwiesen. Auch bei Somatostatin sind die Daten in der Literatur zur Wirkung auf den Verlauf der Pankreatitis kontrovers. Große Hoffnungen galten dem Prinzip, PAF (platelet activating factor) zu hemmen. PAF soll pathogenetisch relevante Schlüsselmediatoren bei der akuten Pankreatitis verstärken. Erste positive Daten mit solchen Substanzen konnten jedoch in größeren Studien nicht bestätigt werden. Somit existiert bis heute keine spezifische Pharmakotherapie der akuten Pankreatitis.
Bei Nachweis von Organnekrosen im Kontrast-CT muss mit einem schweren komplikationsträchtigen Verlauf gerechnet werden, insbesondere dann, wenn sich die Nekrosen bakteriell infizieren, was die Prognose wesentlich verschlechtert. Die bakterielle Besiedlung erfolgt jedoch nicht sofort, sondern im Verlauf von 1 bis 3 Wochen. Aufgrund des Erregerspektrums scheinen die Bakterien aus dem Kolon zu stammen, wobei sie entweder direkt aus dem Querkolon in das Pankreas einwandern oder aber über den Lymphweg ins Pankreas gelangen. Entsprechend dem Ergebnis einer Metaanalyse kann durch eine prophylaktische Antibiotika-Gabe bei nekrotisierender Pankreatitis der Verlauf der Erkrankung und somit die Prognose günstig beeinflusst werden. Empfehlenswert sind Imipenem (3 x 500 mg täglich) oder die Kombination von Ofloxacin (3 x 200 mg täglich) plus Metronidazol (3 x 500 mg täglich) und zwar über insgesamt 14 Tage.
In jüngster Zeit wird diskutiert, ob eine solche prophylaktische Antibiotika-Gabe die Entstehung von Pilzinfektionen begünstigen könnte und deshalb bei Nachweis einer Nekrose nicht generell eine antibiotische Behandlung empfohlen werden sollte.
Schmerztherapie
Zur Schmerztherapie empfiehlt sich eine individuell angepasste Monotherapie, zum Beispiel mit Metamizol, Tramadol oder Buprenorphin. Auch wenn eine Dauerinfusion mit Procain weit verbreitet ist, so ist die intravenöse Applikation von Buprenorphin einer solchen Procain-Therapie bei der schmerzlindernden Wirkung überlegen. Bei nicht ausreichender Wirkung einer Monotherapie müssen verschiedene Analgetika kombiniert werden und zwar peripher wirksame mit zentral wirksamen (z. B. Metamizol plus Tramadol). Die perkutane Applikation eines Opioids, zum Beispiel Fentanyl, hat den Vorteil gleich bleibender Wirkspiegel. Bei Therapieversagen kommt auch die Gabe von Bupivacain über einen Periduralkatheter in Betracht. Die Gabe von Enzympräparaten im Rahmen der akuten Pankreatitis zur Schmerztherapie hat keine Wirkung.
Ernährung
Zur Ernährung bei akuter Pankreatitis hat in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel stattgefunden. So empfiehlt sich heute eine frühe enterale Ernährung über eine Jejunalsonde, da eine enterale Ernährung möglicherweise der sekundären Nekroseninfektion vorbeugt und somit das Sepsisrisiko reduziert. Auch das Risiko eines paralytischen Ileus wird günstig beeinflusst. Somit empfiehlt sich heute bei der milden oder mäßig schweren Form der akuten Pankreatitis bereits ab dem 3. Tag mit dem Kostaufbau zu beginnen. Bei der schweren Form sollte ab Tag 3 eine kontinuierliche enterale Ernährung mit einer Elementardiät erfolgen, und zwar über eine Ernährungssonde, die distal des Treitz’schen Bandes im Jejunum platziert ist. Die zusätzliche Anreicherung der parenteralen Ernährung mit Glutamin könnte von Vorteil sein.
Biliäre Pankreatitis
Bei einer biliären Pankreatitis besteht die dringende Indikation für eine ERCP (endoskopische retrograde Cholangiopankreatographie) zum Nachweis von Gallengangssteinen mit möglicher Entfernung über eine Papillotomie. Die elektive Cholezystektomie sollte dann im Intervall erfolgen. Auch die Therapie eines Pankreasabszesses als Spätfolge einer akuten Pankreatitis sollte primär bis zur vollständigen Demarkierung konservativ antibiotisch erfolgen. Erst dann stellt sich die Frage, ob der Abszess durch interventionelle Drainage oder operativ saniert werden sollte.
Chronische Pankreatitis
Die chronische Pankreatitis ist eine fortschreitende entzündliche Erkrankung des Pankreas, die durch irrreversible morphologische Organveränderungen charakterisiert ist, was zu rekurrenten oder andauernden abdominellen Schmerzen und schließlich zur exokrinen und später auch endokrinen Funktionsseinschränkung führt.
Häufigste Ursache ist exzessiver Alkoholabusus über mehrere Jahre. Deshalb kommt der psychosozialen Betreuung der Patienten unter besonderer Berücksichtigung des Alkoholproblems eine wichtige Bedeutung zu. Absolute Alkoholkarenz ist die Grundlage jeglicher Therapie. Eine spezielle Diät für Patienten mit chronischer Pankreatitis gibt es nicht (Tab. 1). Prinzipiell empfiehlt sich jedoch, zunächst eine fettarme Diät mit 5 bis 7 über den Tag verteilten kleineren Mahlzeiten einzuhalten. In der Regel sollte der Fettanteil der Ernährung zwischen 60 und 100 g/Tag liegen. Außerdem sollte der Eiweißanteil der Nahrung erhöht werden. Auch kann bei längerer Krankheitsdauer mit Malabsorption die parenterale intramuskuläre Gabe von fettlöslichen Vitaminen notwendig werden.
Die medikamentöse Schmerztherapie bei chronischer Pankreatitis sollte sich an den Empfehlungen der WHO für die Behandlung anhaltender Schmerzen bei chronischen Erkrankungen orientieren (Tab. 2). Kann durch Analgetika keine ausreichende Schmerzkontrolle erreicht werden oder besteht die Gefahr der Opiatabhängigkeit, so sollte eine operative oder interventionelle Therapie diskutiert werden.
Eine Indikation zur Substitutionstherapie mit Pankreasenzymen bei chronischer Pankreatitis besteht bei folgenden Befunden:
- Steatorrhö über 15 g/Tag
- Gewichtsverlust
- Diarrhöen
- Starker Meteorismus
- Dyspeptische Beschwerden
- als Therapieversuch bei Schmerzen
Da das gesunde Pankreas einen Überschuss an Verdauungsenzymen sezerniert, tritt eine Malabsorption erst dann auf, wenn die sezernierten Verdauungsenzyme unter 10 % der normalen Enzymsekretion abfallen. Der Therapieerfolg wird gemessen an einem Sistieren des Gewichtsverlusts oder an einer Gewichtszunahme, an einer Reduktion des Stuhlfettgehalts auf weniger als 7 g/Tag sowie einer Besserung der Diarrhöen und der zuvor beklagten Beschwerden wie Dyspepsie und Meteorismus.
Die heute zur Verfügung stehenden Enzympräparate enthalten Pankreatin, einen pulverisierter Extrakt aus Schweinepankreas. Dieser Extrakt enthält die Pankreasenzyme Lipase, α-Amylase, Trypsin und Chymotrypsin. Die Präparate liegen als Kapseln, Dragees, Granulat, Filmtabletten oder säuregeschützte Mikropellets vor. Die Einnahme der Enzyme sollte kurz vor oder während der Mahlzeit erfolgen. Bei einer Enzymsubstitution muss sichergestellt werden, dass eine ausreichende Menge an Enzymen an den Wirkort im Duodenum gelangt. Für eine ausreichende Verdauung der Nahrung müssen mindestens 5 bis 10 % der normalen Pankreasenzymsekretion in das Duodenum gelangen. Die kleinste notwendige Menge an Enzymen sind 30 000 I. E. Lipase und 10 000 I. E. Trypsin innerhalb von 4 Stunden nach der Nahrungsaufnahme.
Das Erreichen dieser Zieldosis ist allerdings ein Problem, da die Pankreasenzyme sehr säureanfällig sind und durch die Magensäure schnell abgebaut werden können. Deshalb wurden säuregeschützte Enzympräparate entwickelt, die erst bei einem höheren pH-Wert die Enzyme freisetzen. Beim Einsatz einer solchen Substanz müssen jedoch auch einige Voraussetzungen erfüllt sein; denn im Rahmen der chronischen Pankreatitis kommt es auch zu einer reduzierten Bicarbonat-Konzentration im Pankreassaft, was wiederum zu einem abnormal niedrigen duodenalen pH-Wert nach Nahrungsaufnahme führt. Damit die Enzyme freigesetzt werden können, muss deshalb eine ausreichende Bicarbonat-Sekretionsleistung des Pankreas gegeben sein, so dass der Nahrungsbrei im Duodenum auf einen pH-Wert über 5,5 alkalisiert werden kann. Außerdem muss der gastrale pH-Wert unter 5 liegen, damit es zu keiner vorzeitigen Freisetzung der Enzyme im Magen kommt.
Bei Patienten mit einer chronischen Pankreatitis finden sich nicht selten Veränderungen beim Transport des Speisebreis, und zwar sowohl Passageverzögerungen als auch beschleunigte Magen-Darm-Passagen. Dies kann entweder zu einer zu frühen Auflösung der Enzyme im Magen oder zu einer zu späten Auflösung in den weiter distalen Darmabschnitten führen. Ein asynchroner Transport von Enzymen und Speisebrei kann auch bei Verwendung von einer zu großen Partikelgröße der Enzyme vorliegen. Um all diese Probleme zu umgehen, wurden säureresistente Mikrosphärenpräparate entwickelt, die als Mikropellets oder Mikrotabletten angeboten werden. Die Überlegenheit solcher Präparate konnte in klinischen Studien dokumentiert werden. Als günstigste Mikrosphärengröße für die Enzympräparate gilt ein Durchmesser von weniger als 2 mm. Die Therapie mit solchen säuregeschützten mikrosphärisch verkapselten Enzympräparaten stellt derzeit die Medikation der Wahl für die Substitutionstherapie mit Pankreasenzymen dar. Die gleichzeitige Verabreichung von säuresekretionshemmenden Medikamenten wie H2-Blockern oder Protonenpumpen-Inhibitoren sollte dann erfolgen, wenn mit der alleinigen Verabreichung von säuregeschützten Enzympräparaten kein ausreichender Behandlungserfolg eintritt.
Die Therapie mit Pankreasenzympräparaten sollte zunächst mit einer Anfangsdosis von 25 000 bis 50 000 I. E. zu den Hauptmahlzeiten erfolgen. Als Dosierung für Zwischenmahlzeiten sollte mit 25 000 I. E. begonnen werden. Die Dosierung im weiteren Verlauf sollte jedoch individuell festgelegt werden und richtet sich auch nach den Ernährungsgewohnheiten des Patienten.
30 bis 50 % der Patienten entwickeln im weiteren Verlauf auch eine endokrine Insuffizienz, also einen Insulin-Mangel – Diabetes mellitus. Eine solche endokrine Pankreasinsuffizienz sollte zunächst mit diätetischen Maßnahmen behandelt werden. Dies ist jedoch meist nicht ausreichend. Da der Diabetes mellitus bei der chronischen Pankreatitis auf einem absoluten Insulin-Mangel durch den Untergang von Pankreasgewebe beruht, sind orale Antidiabetika weitgehend unwirksam. Eine euglykämische Stoffwechsellage ist mit oralen Antidiabetika meist nur kurzzeitig zu erreichen, so dass sich bei Auftreten einer diabetischen Stoffwechsellage die primäre Behandlung mit Insulin empfiehlt. Eine solche Insulin-Therapie gestaltet sich häufig schwierig, da Patienten mit chronischer Pankreatitis aufgrund verschiedener Ursachen stark schwankende Blutzuckerspiegel zeigen. Die instabile Blutzuckerlage ist Folge der verminderten Glucagon-Freisetzung durch die reduzierte Anzahl von Alpha-Zellen im entzündlich zerstörten Pankreas. Außerdem ist die Kalorienzufuhr oft schwankend wegen der abdominellen Schmerzsymptomatik und der Malabsorption. Ein weiterer Störfaktor ist weiter bestehender Alkoholabusus, der außerdem das Hypoglykämierisiko deutlich erhöht. Um solche hypoglykämischen Episoden zu vermeiden, sollte bei Patienten mit chronischer Pankreatitis die Blutzuckereinstellung nicht zu streng erfolgen. Als Richtwerte sind nüchtern gemessene Blutzuckerwerte zwischen 120 und 200 mg/dl anzustreben.
Quellen
Dr. A. Schneider, Mannheim, „Chronische Pankreatitis – konservative Therapie“ im Rahmen der X. Gastroenterologie Seminarwoche Titisee, 9. Februar 2004.
Prof. Joachim Mössner, Medizinische Klinik des Universitätsklinikums Leipzig, „ Akute Pankreatitis: Diagnostik und internistische Therapie“ im Rahmen der X. Gastroenterologie Seminarwoche Titisee, 9. Februar 2004.
Dr. med. Peter Stiefelhagen, DRK-Krankenhaus Westerwald, 57627 Hachenburg, E-Mail: PDrstiefel@aol.com
Tab. 1. Ernährungsplan bei chronischer Pankreatitis
Lebenslange Alkoholkarenz |
Ausreichende Kalorienzufuhr (= 2 500–3 000 kcal) in 5 bis 7 kleineren Mahlzeiten pro Tag (bei 70 kg Körpergewicht 2 900 kcal pro Tag) |
Kohlenhydrate: 300–400 g (= 1 200–1 600 kcal), Eiweiß: > 130 g (= ca. 520 kcal), |
Bei anhaltender Steatorrhö trotz ausreichender Enzymsubstitution und weiterhin anhaltendem Gewichtsverlust: Stufenweises Ersetzen der Nahrungsfette um täglich 10 bis 20 g durch mittelkettige Triglyceride (z. B. MCT Ceres Fette) bis 30–50 g pro Tag (= 270–450 kcal) |
Tab. 2. Therapie der abdominellen Schmerzen bei chronischer Pankreatitis nach dem Stufenschema der WHO zur Behandlung von anhaltenden Schmerzen bei chronischen Erkrankungen
Stufe 1 |
Allgemeinmaßnahmen Ausschaltung der Noxe, spezielle Therapie bei Alkoholkranken, Diätempfehlungen |
Stufe 2a |
Peripher wirkendes Analgetikum (z. B. Paracetamol 500 mg alle 4–6 h, |
Stufe 2b |
Peripher und schwach zentral wirkendes Analgetikum (Stufe 2a und Tramadol 20 mg alle 3–4 h) |
Stufe 2c |
Peripher wirkendes Analgetikum und Psychopharmakon Stufe 2a und Antidepressivum, z. B. Clomipramin 25 mg alle 8 h) |
Stufe 3 |
Wirksame Opioide, fakultativ ergänzt durch Stufe 2a (z. B. Buprenorphin 0,4 mg alle 6 h, |
Stufe 4 |
Operation bei Gefahr der Opiatabhängigkeit oder Versagen der medikamentösen Therapie |
Arzneimitteltherapie 2004; 22(06)