Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg
Onkologen sind sich einig: Mit der Entwicklung des Tyrosinkinase-Inhibitors Imatinib für die Therapie der Philadelphia-Chromosom positiven chronisch-myeloischen Leukämie (CML) hat eine neue Epoche der Tumortherapie begonnen. Erstmals ist es gelungen, eine für die Tumorentstehung entscheidende Zielstruktur spezifisch auszuschalten. Durch die selektive Hemmung der konstitutiv aktiven Tyrosinkinase ist eine komplette, häufig lang anhaltende Remission möglich.
Da Wirksamkeit und Verträglichkeit einer Chemotherapie auch mit innovativen Substanzen bei vielen Tumorentitäten stark limitiert sind, gründen sich auf solche neuen gezielten Therapien große Hoffnungen. Ob diese bei den weit verbreiteten soliden Tumoren in Erfüllung gehen, ist jedoch zweifelhaft; denn diese Tumoren zeigen zwar viele potenzielle Zielstrukturen, die Identifikation eines molekularen Schrittmachers ist jedoch oft schwierig.
Zu den wichtigsten Zielstrukturen auf zellulärer Ebene bei soliden Tumoren, also auch beim Kolonkarzinom, zählen gegenwärtig der Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF) und der Epidermal-Growth-Factor-Rezeptor (EGFR). Die Neubildung von Gefäßen ist eine zwingende Voraussetzung für das Tumorwachstum, die Invasion in benachbarte Strukturen und die Metastasierung. Unter den zahlreichen involvierten Wachstumsfaktoren gilt VEGF als stärkster Stimulator der Angiogenese auch beim kolorektalen Karzinom. Bei Betroffenen wurde eine eindeutige Korrelation der quantitativen Expression von VEGF im Serum mit der Prognose gezeigt.
Für eine zielgerichtete antiangiogene Therapie kommen Antikörper gegen den VEGF-Rezeptor wie Bevacizumab in Frage. Dieser humanisierte Antikörper führte in Phase-III-Studien beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom in Kombination mit Chemotherapie zur signifikanten Verlängerung des Gesamtüberlebens. Ebenfalls viel versprechend ist ein oraler Tyrosinkinase-Inhibitor, der selektiv die Tyrosinkinase der VEGF-Rezeptoren hemmt. Mit Angiozym versucht man dagegen, die prä-mRNS des VEGF-Rezeptors zu inaktivieren.
Der andere viel versprechende Angriffspunkt bei kolorektalen Karzinomen ist der EGF-Rezeptor. Mit Cetuximab steht ein humanisierter Antikörper zur Verfügung, der hochaffin an diesen Rezeptor bindet, ohne ihn zu aktivieren. Besonders interessant sind die im Juli 2004 publizierten Daten von Cunningham et al., der Cetuximab bei Patienten mit Irinotecan-refraktärem fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom einsetzte. In dieser Studie wurden Patienten mit einer Tumorprogression unter einer Irinotecan-Chemotherapie mit Cetuximab allein oder in Kombination mit einem erneuten Irinotecan-Regime behandelt. Bei der Monotherapie zeigte sich eine Ansprechrate von 10,8 %, die Zeit bis zur Progression betrug im Durchschnitt 1,5 Monate. Dagegen lag die Ansprechrate im Kombinationsarm bei 22,9 % und die Dauer der Progressionsfreiheit betrug 4,1 Monate. Ein signifikanter Unterschied beim Gesamtüberleben bestand jedoch nicht. Wegen dieser Daten erfolgte auch in Europa die Zulassung von Cetuximab für die Zweitlinientherapie beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom. Zur Zeit wird auch der Einsatz als Erstlinientherapie in Kombination mit Fluorouracil und Irinotecan untersucht.
Auch die Tyrosinkinase des EGF-Rezeptors kann durch orale Substanzen wie Gefitinib und Erlotinib inhibiert werden. Hier stimmen erste Studienergebnisse beim fortgeschrittenen kolorektalen Karzinom hoffnungsvoll, zumal Gefitinib in den USA bereits für das fortgeschrittene nichtkleinzellige Bronchialkarzinom zugelassen ist.
Obwohl die Ergebnisse viel versprechend sind, sind die Kosten solcher neuen Therapiestrategien eine kaum zu bewältigende Herausforderung. Deshalb ist es vorrangig, verlässliche prädiktive und prognostische Marker zu identifizieren, um die teuren innovativen Therapien gezielt einsetzen zu können.
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