Schlaganfall

Faktor VII zur Behandlung akuter intrazerebraler Blutungen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen

Eine Behandlung mit rekombinantem Faktor VIIa innerhalb von 4 Stunden nach Beginn einer intrazerebralen Blutung reduziert das Wachstum des Hämatoms und führt zu einer Abnahme der Sterblichkeit sowie zu einer Verbesserung des funktionellen Ergebnisses.

Etwa 20 % aller Schlaganfälle sind durch intrazerebrale Blutungen bedingt. Intrazerebrale Blutungen haben in Bezug auf die Sterblichkeit eine deutlich schlechtere Prognose als zerebrale Ischämien. Die klinische Verschlechterung bei Patienten mit einer Blutung kommt entweder durch den Raumforderungseffekt der initialen Blutungen zustande oder durch eine Zunahme des Blutungsvolumens, das so genannte Wachsen des Hämatoms.

Rekombinanter aktivierter Faktor VII (rFVIIa, Eptacog alfa [aktiviert], NovoSeven®) ist zugelassen für Patienten mit einer Hämophilie und Antikörpern gegen Faktor VIII und Faktor IX. Es gibt verschiedene Berichte darüber, dass rFVIIa bei Patienten ohne Blutgerinnungsstörungen ebenfalls Blutungen verringern kann. In zwei Dosisfindungsstudien zeigte sich, dass rFVIIa von Patienten mit akuten intrazerebralen Blutungen in Dosierungen zwischen 5 bis 160 µg/kg Körpergewicht (KG) vertragen wird und nicht zu einer erhöhten Rate von thromboembolischen Komplikationen führt. Der therapeutische Einsatz von rFVIIa wurde zwischen August 2002 und März 2004 in einer doppelblinden, Plazebo-kontrollierten Studie an 73 Krankenhäusern in 20 Ländern untersucht. In die Studie wurden 399 Patienten mit computertomographisch nachgewiesener intrazerebraler Blutung aufgenommen. Sie erhielten innerhalb von 3 Stunden nach Symptombeginn als intravenöse Einmalgabe Plazebo oder rFVIIa in einer Dosis von 40, 80, oder 160 µg/kg KG. Der rekombinante aktivierte Faktor VII musste innerhalb 1 Stunde nach Anfertigung des Computertomogramms (CT) gegeben werden.

Der primäre Endpunkt war die prozentuale Änderung des Blutungsvolumens nach 24 Stunden im CT. Das klinische Ergebnis wurde nach 90 Tagen beurteilt.

Bei den Patienten in der Plazebo-Gruppe nahm das Blutungsvolumen innerhalb der ersten 24 Stunden um 8,7 ml beziehungsweise 29 % zu. Bei den mit rFVIIa behandelten Patienten fiel die Zunahme des Blutungsvolumens deutlich geringer aus (Tab. 1). Der Unterschied war statistisch signifikant. Die klinischen Endpunkte schwere Behinderung oder Tod traten bei Behandlung mit rFVIIa signifikant seltener ein.

Schwerwiegende thromboembolische Ereignisse wie Herzinfarkt oder zerebrale Ischämie traten bei 7 % der Patienten auf, die mit rFVIIa behandelt wurden, und bei 2 % der Plazebo-Behandelten.

Kommentar

Bisher ist die Behandlung intrazerebraler Blutungen frustran. Eine medikamentöse Therapie stand bisher nicht zur Verfügung. Einer großen randomisierten Studie (STICH) zufolge ist die operative Behandlung des Hämatoms der konservativen Therapie nicht überlegen, so dass in Zukunft der Schwerpunkt der Behandlung in der konservativen Therapie liegt. Die hier vorliegende Studie ist die erste, die ein wirksames Therapiekonzept bei zerebraler Blutung belegt hat. Die zu befürchtenden thromboembolischen Komplikationen wurden zwar beobachtet, waren aber deutlich weniger als der eigentliche Behandlungserfolg. Rekombinierter aktivierter Faktor VII wäre im Moment allerdings viel zu teuer, um routinemäßig bei Patienten mit zerebralen Blutungen eingesetzt zu werden. Darüber hinaus muss das hier gewonnene Ergebnis in einer zweiten Phase-III-Studie reproduziert werden.

Quellen

Mayer SA, et al., for the Recombinant Activated Factor VII intracerebral Hemorrhage Trial Investigators. Recombinant activated factor VII for acute intracerebral hemorrhage. N Engl J Med 2005;352:777–85.

Mendelow A, et al. Early surgery versus initial conservative treatment in patients with spontaneous supratentorial intracerebral haematomas in the International Surgical Trial in Intracerebral Haemorrhage (STICH): a randomised trial. Lancet 2005;365:387–97.

Tab. 1. Effekte von rekombinantem aktiviertem Faktor II (rFVIIa) bei Patienten mit akuten intrazerebralen Blutungen (p-Werte versus Plazebo)

Endpunkt

Plazebo

Rekombinanter aktivierter Faktor VII

(n = 96)

40 µg/kg

(n = 108)

80 µg/kg

(n = 92)

160 µg/kg

(n =103)

Kombiniert

(n = 303)

Zunahme des Hämatomvolumens in 24 h

– Absolut

8,7 ml

5,4 ml

4,2 ml

2,9 ml

4,2 ml (p = 0,01)

– Relativ

29 %

16 %

14 %

11 %

14 % (p = 0,01)

Schwere Behinderung oder Tod innerhalb 90 Tagen

69 %

55 %

49 %

54 %

53 % (p = 0,004)

Tod innerhalb 90 Tagen

29 %

18 %

18 %

19 %

18 % (p = 0,02)

Arzneimitteltherapie 2005; 23(08)