Dr. Susanne Heinzl, Stuttgart
Patienten mit metabolischem Syndrom oder Diabetes mellitus Typ 2 haben ein deutlich erhöhtes Risiko, ein kardiovaskuläres Ereignis zu erleiden. Einer der bedeutendsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines metabolischen Syndroms und eines Diabetes mellitus Typ 2 ist die viszerale oder abdominale Adipositas. Sie ist definiert als ein Taillenumfang über 102 cm bei Männern und über 88 cm bei Frauen. Aufgrund des zunehmend bewegungsarmen Lebensstils wird die viszerale Adipositas immer häufiger beobachtet. Das metabolische Syndrom liegt dann vor, wenn mindestens drei der folgenden Voraussetzungen erfüllt sind (definiert nach National Cholesterol Education Program Adult Treatment Panel III – NCEP ATPIII, 2001):
- Abdominale Adipositas
- Serumtriglyceride ≥ 150 mg/dl
- Niedrige HDL-Cholesterol-Werte unter 40 mg/dl bei Männern und unter 50 mg/dl bei Frauen
- Hoher Blutdruck ≥ 130/85 mm Hg
- Hohe Nüchtern-Blutglucose-Werte ≥ 110 mg/dl
Die Fettstoffwechselstörung ist einer der Risikofaktoren, der sich mit am leichtesten beeinflussen lässt. Sowohl bei Diabetes mellitus als auch beim metabolischen Syndrom liegen häufig zu niedrige HDL-Cholesterol-Spiegel (Abb. 1) und erhöhte Triglycerid-Konzentrationen vor. Die Plasmakonzentration von LDL-Cholesterol ist bei diesen Patienten häufig im Normalbereich. Es kommt jedoch zu einem Anstieg der kleinen, dichten LDL-Partikel, deren Apolipoprotein B-100/LDL-Cholesterol-Verhältnis erhöht ist. Diese kleinen, dichten LDL-Partikel wirken stark atherogen aufgrund ihrer hohen Empfindlichkeit gegenüber einer Oxidation und ihrer ausgeprägten Fähigkeit, in die Arterienwand einzudringen.
Die Behandlungsempfehlungen zur Therapie der Fettstoffwechselstörung beinhalten neben entsprechenden Ernährungs- und Lebensstilanpassungen eine Senkung des LDL-Cholesterol-Spiegels durch CSE-Hemmer. Die günstigen Wirkungen der CSE-Hemmer in der Prophylaxe kardiovaskulärer Ereignisse sind in zahlreichen, groß angelegten Studien nachgewiesen. Dennoch kann mit CSE-Hemmern allein bei diabetischen Patienten keine so ausgeprägte Risikoreduktion erzielt werden wie bei nicht-diabetischen Patienten. Bei Diabetikern müssen auch der erniedrigte HDL-Cholesterol-Wert erhöht und die erhöhten Triglycerid-Konzentrationen gesenkt werden. Die günstigen klinischen Wirkungen einer HDL-Cholesterol-Erhöhung und einer Triglycerid-Senkung mit Fibraten wurden in mehreren Studien gezeigt. Zur Kombination von Fibraten mit einem CSE-Hemmer liegen allerdings nur wenige Daten vor.
Eine der potentesten Substanzen zur Erhöhung der HDL-Cholesterol-Werte ist Nicotinsäure. In einer Metaanalyse, die auf Daten von 30 Studien mit verschiedenen Nicotinsäure-Formulierungen beruhte, konnte eine 27%ige Reduktion des relativen Risikos für schwerwiegende Koronarereignisse nachgewiesen werden. Auch bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und gestörter Glucose-Toleranz war Nicotinsäure wirksam. Zudem gibt es Daten zur Kombination mit Clofibrat, Colestipol und CSE-Hemmern. So ergab die HATS-Studie (HDL atherosclerosis treatment study), dass eine Kombination von Simvastatin und Nicotinsäure zu einem Anstieg des HDL-Cholesterol-Werts um 26 % sowie zu einer Senkung der Triglycerid-Konzentration um 38 % und der LDL-Cholesterol-Konzentration um 42 % führte. Im Vergleich zur Plazebo-Gruppe traten durch diese Kombinationstherapie 90 % weniger schwere koronare Ereignisse bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung auf. Bisher ist nicht bekannt, welcher CSE-Hemmer für eine Kombinationstherapie mit Nicotinsäure besonders gut geeignet ist. In den USA ist seit kurzem ein Kombinationspräparat aus retardierter Nicotinsäure und Lovastatin im Handel. Wegen der weltweit guten Verfügbarkeit favorisieren die europäischen Experten jedoch Simvastatin als Kombinationspartner.
Nicotinsäure war wegen ihrer Nebenwirkungen wie Flush-Symptomatik und Hepatotoxizität etwas in Vergessenheit geraten. Neue Darreichungsformen mit verzögerter Freisetzung (z. B. Niaspan®) ermöglichen jedoch eine deutlich besser verträgliche Behandlung. Mit der verzögert freisetzenden Zubereitung werden weniger Flushs und seltener eine Erhöhung der Leberenzym-Werte beobachtet. Um das Risiko des Flushs weiter zu minimieren, sollten die Patienten ihre Nicotinsäure-Dosis vor dem Schlafengehen nehmen sowie heiße Getränke, scharfe Speisen und Alkohol zusammen mit der Medikamenten-Einnahme vermeiden. Die Nebenwirkung kann außerdem durch gleichzeitige Einnahme von Acetylsalicylsäure oder einem nichtsteroidalen Antiphlogistikum verringert werden.
Quellen
Prof. Dr. Markolf Hanefeld, Dresden, Dr. Anthony Wierzbicki, London, Prof. Dr. Heinz Drexel, Feldkirch, Prof. Dr. James Shepherd, Glasgow, Pressekonferenz „Pan European Consensus. New strategies for reducing CVD in patients with metabolic syndrome“, veranstaltet von Merck, Darmstadt, im Rahmen des 1. Internationalen Kongresses über Prä-Diabetes und metabolisches Syndrom, Berlin, 15. April 2005.
Shepherd J, Betteridge J, Van Gaal L on behalf of a European Consensus Panel. Nicotinic acid in the managemet of dyslipidaemia associated with diabetes and metabolic syndrome: a position paper developed by a European consensus panel. Curr Med Res Opin 2005;21:665–82.

Abb. 1. Mechanismus der atheroprotektiven Wirkung von HDL-Cholesterol. MCP-1: Macrophage chemoattractant protein 1 [nach Barter]
Arzneimitteltherapie 2005; 23(08)