Feuchte senile Makuladegeneration

Pegaptanib reduziert die Gefäßneubildung in der Aderhaut


Dr. rer. nat. Barbara Kreutzkamp, München

Das Voranschreiten des Sehverlusts bei der feuchten senilen Makuladegeneration lässt sich durch den VEGF-Antagonisten Pegaptanib aufhalten: Die Sehschärfe der Patienten bleibt erhalten.

Das zentrale pathologische Geschehen der senilen Makuladegeneration ist die degenerative Veränderung der Macula lutea, des „gelben Flecks“ im hinteren Augenpol – der Stelle des schärfsten Sehens. Die schwersten Krankheitsverläufe finden sich bei Patienten mit der feuchten Makuladegeneration, die häufig zu einem kompletten Verlust wichtiger Sehfunktionen führt, wodurch beispielsweise Lesen, Autofahren und die Fähigkeit zum Erkennen von Gesichtern unmöglich wird.

Bei der feuchten Makuladegeneration kommt es zu Gefäßneubildung in der Aderhaut, die mit Exsudation und Blutungen einhergeht und die Photorezeptoren zerstört. Nach Monaten oder Jahren resultiert im Endstadium Narbenbildung.

Die Therapiemöglichkeiten sind sehr begrenzt, in frühen Stadien kann eine Laserbehandlung das Auge retten.

Eine neue therapeutische Option könnten Antagonisten des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) darstellen. In diese Stoffgruppe gehört Pegaptanib (Macugen®, in Deutschland noch nicht zugelassen), ein 28 Basen umfassendes Ribonucleinsäure-Aptamer, das kovalent an Polyethylenglykol gebunden ist. Aptamere sind Moleküle, die mit hoher Affinität an Zielmoleküle wie beispielsweise Proteine binden. Die „molekulare Verstärkung“ durch Polyethylenglykol schützt das Molekül vor dem raschen Abbau durch Endo- und Exonucleasen und verlängert dadurch die Halbwertszeit. Pegaptanib bindet VEGF und verhindert so die Bindung des Wachstumsfaktors an seine Rezeptoren.

In zwei Studien wurden Sicherheit und Wirksamkeit von Pegaptanib bei Patienten mit feuchter Makuladegeneration über einen Zeitraum von 48 Wochen untersucht. Die beiden Studien hatten ein vergleichbares Design und umfassten insgesamt 1 186 Patienten mit bereits deutlichem Sehverlust und nachgewiesener Neovaskularisation der Aderhaut des Auges. Die Patienten erhielten randomisiert alle sechs Wochen entweder unter Lokalanästhesie eine Pegaptanib-Injektion in den Glaskörper des Auges oder eine Schein-Injektion („Injektion“ ohne Nadel, bei der durch Druck auf den Augapfel dem Patienten das Gefühl einer echten Injektion ins Auge vermittelt wurde). Die Dosierung von Pegaptanib betrug 0,3 mg, 1,0 mg oder 3,0 mg.

Als primärer Endpunkt der Studien wurde der Anteil der Patienten definiert, der nach 54 Wochen einen Sehverlust von weniger als 15 Buchstaben bei einer dreizeiligen standardisierten Leseprobe aufwies.

Mit Pegaptanib behandelte Patienten zeigten in diesem definierten primären Endpunkt unabhängig von der Dosierung einen signifikant langsamer voranschreitenden Sehverlust als die Patienten der Kontroll-Gruppe. So verloren in der Gruppe mit der 0,3-mg-Dosierung von Pegaptanib 70 % der Patienten weniger als 15 Buchstaben bei der standardisierten Leseprobe verglichen mit 55 % bei den Kontroll-Patienten (p < 0,001). Die Sehschärfe der Patienten, die mit Pegaptanib behandelt wurden, war bereits in den ersten sechs Wochen besser als bei den Patienten der Kontroll-Gruppe (p < 0,002).

Als schwere Nebenwirkungen traten bei 1,3 % der Patienten eine Endophthalmitis, bei 0,7 % eine Verletzung der Linse und bei 0,6 % eine Netzhautablösung auf. Bei 0,1 % der Patienten hatten diese Zwischenfälle einen schweren Sehverlust zur Folge. Die Injektionen in den Glaskörper wurden trotzdem von Ärzten und Patienten als notwendige therapeutische Maßnahme akzeptiert.

Die Ergebnisse der klinisch erfassten Sehschärfe wurden durch angiographische Messungen bestätigt: Das Ausmaß der durch die Gefäßneubildung ausgelösten Läsionen in der Aderhaut war ebenso wie der Flüssigkeitsaustritt aus den Gefäßen vermindert. Damit wird der Wirkungsmechanismus von Pegaptanib indirekt bestätigt. Es ist aber davon auszugehen, dass vor allem die beobachteten Akuteffekte in den ersten sechs Wochen wohl weniger auf eine Hemmung der Gefäßneubildung als vielmehr auf eine deutliche Gefäß-abdichtende Wirkung des Aptamers zurückzuführen sind.

Quelle

Gragoudas ES, et al. Pegaptanib for neovascular age-related macular degeneration. N Engl J Med 2004;351:2805–16.

Arzneimitteltherapie 2005; 23(08)