Perkutane Koronarinterventionen: Empfehlungen zu Indikation, medikamentöser Therapie und Stents


Zusammenfassung der Leitlinien zu perkutanen Koronarinterventionen, herausgegeben von der Task Force for Percutaneous Coronary Interventions of the European Society of Cardiology (ESC)

Veröffentlicht am: 28.11.2019

Perkutane koronare Interventionen bei Myokardinfarkt gehören heute zum Standard. Nun präsentiert die European Society of Cardiology erstmalig Leitlinien rund um diesen Eingriff. Evidenzbasiert werden Empfehlungen zur Indikation, zusätzlich applizierten Medikamenten und zum Einsatz verschiedener „Devices“ und von beschichteten Stents gegeben. Veröffentlicht wurde die Leitlinie im European Heart Journal 2005 [Version e-pub 15. März 2005].

Tab. 1. Empfehlungsklassen der ESC-Leitlinien

Klasse I

Evidenz oder allgemeine Übereinstimmung, dass die empfohlene Maßnahme vorteilhaft, nützlich und effektiv ist

Klasse II

Widersprüchliche Evidenz oder divergierende Meinungen über die Nützlichkeit oder Effektivität der Maßnahme

> Klasse IIa

Der Trend der divergierenden Evidenzen bzw. Meinungen geht in Richtung Nützlichkeit/Effektivität

> Klasse IIb

Die Eignung der Methode ist nicht sehr stark durch Evidenz oder übereinstimmende Meinungen abgedeckt

Tab. 2. Evidenzebenen der ESC-Leitlinien

Evidenzebene A

Daten stammen aus mehreren randomisierten klinischen Studien oder Metaanalysen

Evidenzebene B

Daten stammen aus einer einzelnen randomisierten klinischen Studie oder einer großen nicht-randomisierten Studie

Evidenzebene C

Konsensus unter Experten und/oder kleine Studien, retrospektive Studien, Registraturen

Die European Society of Cardiology (ESC) veröffentlicht seit 1992 regelmäßig Analysen zu wichtigen Themen der interventionellen Kardiologie. Richtlinien für perkutane Koronarinterventionen (PCI) waren bisher nicht darunter. Die in diesem Jahr veröffentlichten Richtlinien schließen damit eine Lücke. Die Empfehlungen sind an den Gegebenheiten der klinischen Praxis orientiert. Deshalb wurde von dem Expertengremium unter Vorsitz von Sigmund Silber vor allem auf solche methodisch wenig angreifbaren Originalpublikationen zurück gegriffen, die als primären Endpunkt Verbesserungen im klinischen Ergebnis des Patienten enthielten. Die Empfehlungsklassen der ESC sowie die Evidenzebenen sind in Tabelle 1 und 2 aufgeführt. Die folgende Zusammenfassung konzentriert sich vorwiegend auf die Empfehlungen zur Arzneimitteltherapie.

Indikationen

Die PCI ist eine wertvolle Initialmaßnahme zur Revaskularisation bei allen Patienten mit einer stabilen koronaren Herzkrankheit (KHK) und einem objektivierbaren großen Infarktareal mit fast allen Läsionsarten. Einzige Ausnahme: eine chronische Totalokklusion (CTO), die nicht überbrückt werden kann. Die zusätzliche Gabe von Medikamenten oder die Einlage von Stents verbesserte das klinische Ergebnis der PCI. Ob eher eine PCI oder eine Bypass-Operation durchgeführt werden sollte, hängt von den technischen Fortschritten bei diesen interventionellen Methoden, der Erfahrung am jeweiligen Zentrum und den Wünschen des Patienten ab. Zurückhaltend wird derzeit die PCI bei Diabetikern mit einer Mehrgefäßerkrankung oder bei Patienten mit einer ungeschützten Stenose der linken Hauptkoronararterie beurteilt. Möglicherweise kann die Indikation bei diesen Patienten durch den Einsatz von medikamentenfreisetzenden Stents großzügiger gestellt werden.

Patienten mit einer instabilen Angina pectoris (ACS) oder einem Myokardinfarkt ohne ST-Hebung (NSTEMI) sollten nach ihrem Risiko für akute thrombotische Ereignisse stratifiziert werden. Von einer frühen Angiographie (< 48 Stunden) und, falls erforderlich, einer Bypass-Operation oder einer PCI profitieren nur Hochrisikopatienten. Stents sollten routinemäßig nur bei relativ sicher zu erwartendem gutem Ergebnis eingesetzt werden.

Bei Myokardinfarkt mit ST-Hebung (STEMI) ist die PCI Mittel der Wahl. Patienten mit einer Kontraindikation für eine Fibrinolyse sollte sofort einer PCI zugewiesen werden, da nur so die verschlossene Koronararterie wieder geöffnet werden kann. Bei kardiogenem Schock kann die PCI zur kompletten Revaskularisierung lebensrettend sein und muss deshalb als Intervention schon in einem sehr frühen Stadium in Erwägung gezogen werden. Die PCI scheint einer Fibrinolyse im klinischen Ergebnis insgesamt etwas überlegen zu sein, vor allem im Zeitraum von 3 bis 12 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome.

In den ersten 3 Stunden nach Symptomerstmanifestation sind beide Perfusionsstrategien in der Reduktion von Infarktgröße und Letalität vergleichbar. Die Rate von Schlaganfällen ist aber unter der PCI gegenüber der Fibrinolyse signifikant niedriger.

Eine notfallmäßige PCI wird für solche Patienten empfohlen, bei denen die Fibrinolyse innerhalb von 45 bis 60 Minuten nicht anspricht. War die Fibrinolyse erfolgreich, wird die Routine-Angiographie innerhalb von 24 Stunden und die PCI auch für symptomatische Patienten ohne Ischämiezeichen zur Verbesserung des klinischen Ergebnisses empfohlen.

Antithrombotische medikamentöse Therapie

Vor der PCI sollte ein intrakoronarer Glyceroltrinitrat-Bolus gegeben werden, um Vasospasmen zu lösen und um die Gefahr von vasospastischen Reaktionen während des Eingriffs zu vermindern und zusätzlich die tatsächliche Gefäßgröße feststellen zu können (Empfehlungsgrad IC). Eventuell muss die Bolusgabe im Verlauf des Eingriffs wiederholt werden, bei Nicht-Ansprechen kann auf Verapamil ausgewichen werden. Verapamil hat sich außerdem als hilfreich in der Behandlung eines erniedrigten Blutflusses erwiesen, auch die Kombination von Adenosin plus Nitroprussidnatrium verbessert den koronaren Blutfluss.

Acetylsalicylsäure

Plättchenhemmende Substanzen waren von Anfang an eine wichtige Säule in der begleitenden medikamentösen Behandlung einer PCI, da durch den Eingriff Gefäße verletzt und damit Plättchen aktiviert werden können.

Bei Patienten mit stabiler Angina pectoris reduziert die Gabe von Acetylsalicylsäure (ASS) vaskuläre Letalität, Myokardinfarkt oder Schlaganfall bei allen Patienten mit einem hohen kardiovaskulären Risiko um 22 % im Vergleich zu Plazebo (Metaanalyse). Die ASS-Gabe spielt weiterhin eine wichtige Rolle in der Minimierung von ischämischen Komplikationen, die durch die PCI hervorgerufen werden können. Bei ASS-naiven Patienten sollten 500 mg oral mehr als drei Stunden vor dem Eingriff gegeben werden oder mindestens 300 mg intravenös direkt vor dem Eingriff. Kontraindikation ist eine ASS-Unverträglichkeit.

Bei Patienten mit einer instabilen Angina pectoris oder einem Myokardinfarkt ohne ST-Hebung (NSTEMI) reduzierte die ASS-Gabe die Häufigkeit kardiovaskulärer Todesfälle, von Myokardinfarkt oder Schlaganfall von 13,3 % auf 8,0 % (Metaanalyse). Diese Daten wurden allerdings vor der breiten Einführung der PCI gewonnen. Heute gilt daher die Empfehlung von ASS bei diesen Patienten mit oder ohne der Durchführung einer PCI (Empfehlungsgrad IC).

Die Gabe von ASS bei STEMI-Patienten erwies sich in der ISIS-2-Studie als ungefähr gleichwertig einer Streptokinase-Behandlung. Deshalb sollte ASS allen STEMI-Patienten so schnell wie möglich nach der Diagnosestellung gegeben werden (Empfehlungsgrad IB).

Thienopyridine

Die Thienopyridine Ticlopidin und Clopidogrel sind wirksame Plättchenfunktionshemmer. Akute und subakute Stentthrombosen nach PCI mit Stent-Implantation können durch die Kombination von Thienopyridinen plus ASS besser verhindert werden als durch ASS allein oder durch ASS plus Antikoagulans. In mehreren Studien und Metaanalysen erwies sich Clopidogrel als mindestens ebenbürtig zu Ticlopidin. Clopidogrel hat weniger Nebenwirkungen als Ticlopidin und wird besser vertragen (Empfehlungsgrad für eine drei- bis vierwöchige Ticlopidin- oder Clopidogrel-Gabe zusätzlich zu ASS nach Stentimplantation bei Patienten mit einer stabilen Angina: IA).

Für die Routine-Prämedikation – unabhängig, ob eine Stent-Implantation geplant ist oder nicht – sollten initial 300 mg Clopidogrel mindestens sechs Stunden vor dem Eingriff gegeben werden (nur dann wird die maximale Wirkungsstärke erreicht, Empfehlungsgrad IC). Als Alternative gilt die Gabe von 600 mg zwei Stunden vor dem Eingriff.

Nach der Stentimplantation besteht bei Patienten mit stabiler Angina pectoris keine Notwendigkeit, die Therapie über vier Wochen hinaus auszudehnen. Bei Brachytherapie kann Clopidogrel über zwölf Monate gegeben werden (IC).

Bei Patienten mit instabiler Angina pectoris oder einem Non-STEMI-Infarkt steht der optimale Zeitpunkt für den Beginn einer Clopidogrel-Behandlung noch nicht fest. Zwar kann eine frühzeitige Gabe unerwünschte Ereignisse nach dem Infarkt verhindern, allerdings sollte an den perioperativen Blutverlust bei akut unter Clopidogrel stehenden Patienten bei einer eventuell erforderlichen Operation gedacht werden. Insgesamt wird heute aber der Nutzen einer Clopidogrel-Behandlung gleich zu Beginn der Krankenhausaufnahme als hoch im Vergleich zu den Risiken eingestuft, selbst wenn die Patienten sich später einer Bypass-Operation unterziehen. Die ASS-Dosis liegt bei dieser Behandlung optimalerweise zwischen 75 und 100 mg.

Entsprechend den Leitlinien der ACC/AHA zum Management von Patienten mit instabiler Angina pectoris oder Non-STEMI wird in der Regel innerhalb von 24 bis 36 Stunden eine diagnostische Katheterisierung durchgeführt. Daher wird empfohlen, mit der Clopidogrel-Therapie nicht eher zu beginnen, bis feststeht, dass keine Bypass-Operation für die nächsten Tage geplant ist. Da dies aber in der Regel durch den raschen Einsatz von Stents plus Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten für die meisten dieser Hochrisikopatienten ausgeschlossen werden kann, plädieren die Autoren der Leitlinien für einen möglichst frühzeitigen Einsatz von Clopidogrel (Empfehlung für die unmittelbare Gabe von Clopidogrel für Patienten mit instabiler Angina oder Non-STEMI: IB). Eine Erhaltungstherapie von ASS plus Clopidogrel sollte bei diesen Patienten über 9 bis 12 Monate fortgesetzt werden (IB).

Bei STEMI-Patienten ergaben Studien (allerdings ohne PCI) eine Überlegenheit von Clopidogrel plus ASS im Vergleich zu ASS allein. Bei primärer PCI und Stenting sollte Clopidogrel zusätzlich mit einer Initialdosierung von 600 mg gegeben werden. Über die Dauer der Therapie besteht noch Unklarheit. Eine Interaktion zwischen Clopidogrel und von hepatisch metabolisierten CSE-Hemmern scheint klinisch keine Rolle zu spielen.

Empfehlungen zu ASS und Thienopyridinen (Tab. 3)

Die „doppelte“ Plättchenfunktionshemmung mit ASS und Clopidogrel ist der Standard für die Primärmedikation von Patienten mit einer stabilen Angina pectoris in der Vorbereitung auf eine PCI. Nach Implantation eines Stents ohne Beschichtung sollte Clopidogrel über 3 bis 4 Wochen und ASS lebenslang gegeben werden.

Bei Patienten mit instabiler Angina pectoris und Non-STEMI-Infarkt ist Clopidogrel in der Regel als Basis-Standardmedikation sofort zu geben. Nach der Akutphase wirken sich 100 mg/Tag ASS plus 75 mg/Tag Clopidogrel über 9 bis 12 Monate günstig aus.

Patienten mit STEMI sollten ASS unmittelbar nach Diagnosestellung intravenös erhalten. Falls primäre PCI und Stenting bereits bei den STEMI-Patienten routinemäßig durchgeführt wird, kann Clopidogrel zusätzlich gegeben werden.

Unfraktioniertes Heparin

Seit Einführung der PCI wurde unfraktioniertes Heparin (UFH) zur Thromboseprophylaxe gegeben. Allerdings gibt es aus ethischen Gründen keine Plazebo-kontrollierten Studien bei diesen Eingriffen. UFH wird bei Patienten mit stabiler Angina pectoris als i. v. Bolus unter Kontrolle der aktivierten Blutgerinnungszeit oder gewichtsadjustiert gegeben. Das therapeutische Ansprechen ist schwer vorherzusagen. Eine über den Eingriff hinausgehende Heparinisierung wird nicht empfohlen.

Bei Patienten mit instabiler Angina pectoris reduziert einer Metaanalyse zufolge die zusätzliche Gabe von UFH zu ASS die Rate von Letalität und wiederholtem Herzinfarkt von 10,3 % auf 7,9 %.

Bei Patienten mit STEMI gilt UFH als Standardtherapie, vor allem bei primärer PCI (Empfehlungsgrad für UFH bei allen PCI-Eingriffen: IC).

Niedermolekulare Heparine

Wie unfraktioniertes Heparin wirken auch die niedermolekularen Heparine (NMH) durch Bindung an Antithrombin-III (AT-III) und verstärken dadurch die AT-III-Inhibition von Thrombin. Gegenüber unfraktioniertem Heparin zeigen die NMH neben einer ausgeprägten Faktor-Xa-Hemmmung reproduzierbare Plasmaspiegel, wodurch sich diese Substanzen als zuverlässigere Antikoagulanzien empfehlen, bei denen keine Laborkontrolle erforderlich ist.

Die Datenlage für den Einsatz von NMH unter PCI-Eingriffen bei Patienten mit stabiler Angina pectoris ist noch begrenzt. Sicherheitshalber sollten diese Substanzen in der Prämedikation zusätzlich zu UFH gegeben werden.

In Vergleichsstudien zwischen UFH und NMH bei Patienten mit instabiler Angina pectoris und Non-STEMI waren PCI-Eingriffe allerdings ausgeschlossen oder ihr Einsatz stand im Ermessen des Arztes. Bei Patienten mit einer instabilen Angina pectoris erwies sich das NMH Dalteparin UFH als überlegen – allerdings nur bei Patienten ohne invasive Eingriffe, bei früher Revaskularisation ging die Überlegenheit von Dalteparin verloren. Bei konservativem Vorgehen bei Hochrisikopatienten mit instabiler Angina pectoris oder Non-STEMI war das NMH Enoxaparin besser klinisch wirksam als UFH – allerdings um den Preis einer erhöhten Rate von kleineren Blutungen. In einer Studie mit frühen invasiven Eingriffen wurde UFH mit Enoxaparin (plus ASS) verglichen. Im kombinierten Endpunkt Tod oder Myokardinfarkt nach 30 Tagen ergaben sich Raten von 14,5 % versus 14,0 %. Große Blutungen traten unter Enoxaparin signifikant häufiger auf (7,6 % versus 9,1 %).

Eine Umstellung von UFH auf NMH und von NMH auf UFH sollte vermieden werden.

Insgesamt sollte bei diesen Patienten bei geplantem invasivem Eingriff eher UFH bevorzugt werden. Hierbei gilt auch zu bedenken, dass die Wirkungen von UFH einfacher als bei den NMH durch die Gabe von Protamin antagonisiert werden können. Sollte ein invasiver Eingriff nicht geplant sein, ist Enoxaparin zur Reduktion ischämischer Komplikationen vorzuziehen (IC).

NMH bei STEMI-Patienten sind ebenfalls gut untersucht. Beim sofortigen Einsatz von Enoxaparin zusammen mit Alteplase im Vergleich zu UFH war die Koronariendurchgängigkeit unter Enoxaparin nach 90 Minuten wesentlich besser und die Reokklusionsrate an den Tagen 5 bis7 geringer, die Rate an großen Blutungen stieg nicht. In anderen Studien zeigte sich aber keine Überlegenheit der niedermolekularen Heparine gegenüber unfraktioniertem Heparin, so dass sich bisher keine Evidenz zur Überlegenheit der NMH über UFH bei diesem Indikationsgebiet ergibt.

Empfehlung zu unfraktioniertem Heparin und niedermolekularen Heparinen

UFH sollte als i. v. Bolus unter Kontrolle der aktivierten Blutgerinnungszeit gegeben werden. Der Einsatz der besser kontrollierbaren NMH bei Patienten mit stabiler Angina pectoris bei einer PCI ist ungenügend untersucht.

Bei Hochrisiko-Non-STEMI-Patienten oder Patienten mit instabiler Angina pectoris und geplantem invasiven Eingriff sollte UFH bevorzugt werden. Das gleiche gilt für Patienten mit einem niedrigeren Risiko, bei denen eine konservative Strategie geplant ist. Bei Hochrisikopatienten ohne geplanten invasiven Eingriff ist Enoxaparin eher geeignet, bei Patienten mit STEMI und primärer PCI ist UFH die Standardtherapie.

Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten

Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten (GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten) sind die derzeit wirksamsten plättchenfunktionshemmenden Medikamente am Fibrinogen-Rezeptor. Bei Patienten mit einer stabilen Angina pectoris und PCI erwies sich der Einsatz der Substanzen vor allem angesichts der niedrigen Risiken bei einer PCI bei diesen Patienten nicht generell als sinnvoll, auch wegen der erhöhten Blutungsgefahr und den relativ hohen Kosten. Der Einsatz sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Bei Vorliegen von Risiken wie zum Beispiel instabile Läsionen oder bei komplizierten Interventionen können sich vergleichbar als nützlich erweisen (Empfehlung für GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten bei Patienten mit einer stabilen Angina pectoris unter PCI bei komplexen Läsionen, drohendem oder akutem Gefäßverschluss, sichtbarem Thrombus, keinem oder nur langsamem Reflow: IIaC).

Für Patienten mit instabiler Angina pectoris oder Non-STEMI wurde der Einsatz von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten bereits in den ESC-NSTE-ACS-Richtlinien besprochen. Die Studien zusammenfassend kann folgendes Vorgehen empfohlen werden. Beim Upstream-Management (z. B. Beginn der Therapie bei der ersten Vorstellung der Patienten im Krankenhaus noch bevor die diagnostische Katheterisierung beginnt) hat der Einsatz von Tirofiban und Eptifibatid einen deutlichen Nutzen. Abciximab erwies sich als wirksam bei Patienten, die keinen Stent erhielten und wenn die Substanz innerhalb von 24 Stunden zwischen der diagnostischen Katheterisierung und der geplanten PCI gegeben wurde. War eine PCI bei Non-STEMI-Patienten nicht geplant, hatte Abciximab bei einem unselektierten Patientenkollektiv keinen Nutzen. Abciximab ist auch überflüssig bei den Patienten, wenn diese lediglich eine nicht-invasive Behandlung erhalten.

Ist eine Herzkatheterisierung bei Hochrisiko-Patienten mit Non-STEMI und instabiler Angina pectoris in den nächsten 2,5 Stunden nicht vorgesehen, sollte eine Behandlung mit Tirofiban oder Eptifibatid begonnen werden. Erfolgt der Eingriff wahrscheinlich in den nächsten 2,5 Stunden, kann der Einsatz von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten verschoben werden und die Behandlung mit Abciximab oder Eptifibatid im Katheterlabor begonnen werden. Normalerweise wird Abciximab 12 Stunden und Eptifibatid 16 Stunden nach der PCI weitergeführt. (Empfehlung für GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten in Hochrisiko Patienten mit instabiler Angina pectoris und Non-STEMI-Infarkt mit geplanter oder durchgeführter PCI: IC).

Im Vergleich zur vorherigen Patientengruppe ist der Einsatz von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten bei STEMI-Patienten nicht so gut untersucht. Eine Metaanalyse bescheinigte Abciximab, adjuvant zur PCI gegeben, ein verbessertes klinisches Ergebnis. Der Langzeitnutzen von Abciximab, gegeben während des Einlegen eines Stents, muss noch näher untersucht werden. (Empfehlung für Abciximab bei primärer PCI bei diesen Patienten: IIaA).

Direkte Thrombininhibitoren

Im Gegensatz zu den Hirudin-Analoga Desirudin und Lepirudin ist die Thrombininhibition durch das Polypeptid Bivalirudin reversibel, die Wirkung dauert rund 25 Minuten. Während inStudien mit Patienten mit stabiler Angina pectoris unter der Gabe von Hirudinderivaten bei der PCI ein Anstieg der Blutungsrisiken gezeigt wurde, waren die Ergebnisse für Bivalirudin bei der PCI ermutigend. In einer randomisierten Studie mit stabilen Patienten hatte die Gabe von Abciximab zusammen mit Bivalirudin einen mindestens gleichwertigen klinischen Nutzen wie die kombinierte Gabe von Abciximab und Heparin bei allen Patienten, die sich einer PCI unterzogen. Derzeit wird Bivalirudin als Ersatz für unfraktioniertes Heparin empfohlen, da signifikant weniger Blutungen im Vergleich zu einer alleinigen UFH-Gabe auftreten. (Empfehlung für Bivalirudin für den Ersatz von UFH oder NMH zur Reduktion von Blutungskomplikationen bei Patienten mit einer Bypass-Operation: IIaC).

Bivalirudin wird heute auch uneingeschränkt als Ersatz für UFH oder NMH für Patienten mit einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie empfohlen, die Substanz ermöglicht eine wirksame Antikoagulation während der PCI bei Patienten mit Heparin-induzierter Thrombozytopenie (HIT). (Empfehlung für Bivalirudin zum Ersatz von UFH oder NMH bei Patienten mit einer HIT: IC).

Zur Behandlung von Patienten mit einer instabilen Angina pectoris oder Non-STEMI liegen zwei Vergleichsstudien vor, in denen UFH mit den direkten Thrombininhibitoren im Einsatz bei einer PCI verglichen werden. In der HELVETICA-Studie zeigte sich in der Intention-to-treat-Analyse eine therapeutische Gleichwertigkeit bei der Reduktion von ischämischen Komplikationen und Blutungen nach PCI zwischen Bivalirudin und UFH. In der REPLACE-1-Studie wurde Bivalirudin und Heparin randomisiert bei Patienten verglichen, die sich einer raschen Revaskularisierungsmaßnahme unterziehen mussten, es ergab sich kein Unterschied in der Wirksamkeit. Für eine endgültige Bewertung von Bivalirudin in dieser Patientengruppe läuft derzeit noch die ACUITY-Studie.

Bei STEMI-Patienten sollten keine direkten Thrombininhibitoren für die PCI eingesetzt werden.

Empfehlungen zu GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten und direkten Thrombininhibitoren (Tab. 4)

Bei Patienten mit einer stabilen Angina pectoris sind GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten kein Bestandteil der adjuvanten Medikation. Nur beispielsweise bei komplexen Interventionen, instabilen Läsionen und bei drohendem Gefäßverschluss können die Substanzen hilfreich sein.

Patienten mit instabiler Angina pectoris oder Non-STEMI sollten GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten ebenfalls nicht routinemäßig erhalten, sondern lediglich bei Vorliegen von Hochrisikofaktoren. Im „Upstream-Management“ haben Tirofiban und Eptifibatid einen Nutzen gezeigt. Ist eine Katheterisierung in den nächsten 2,5 Stunden absehbar, kann die Gabe von GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten auch verschoben werden und Abciximab oder Eptifibatid im Katheterlabor appliziert werden. Bei STEMI-Patienten sind Tirofiban und Eptifibatid weniger gut untersucht. Bivalirudin wird heute als Ersatz für unfraktioniertes Heparin oder niedermolekulare Heparine empfohlen, da es signifikant weniger Blutungen hervorruft. Ein Ersatz von UFH durch Bivalirudin ist vor allem bei Patienten mit einer Heparin-induzierten Thrombozytopenie indiziert.

Ergänzende interventionelle Verfahren

Die intrakoronare Brachytherapie ist die einzige evidenzbasierte Maßnahme einer nicht-operativen Behandlung von Stent-Restenosen. Um nach der Behandlung Gefäßthrombosen zu vermeiden, sollten die Patienten bis zu einem Jahr nach der Bestrahlung Clopidogrel erhalten.

Die Rotablation, bei der Atherome abgefräst und „pulverisiert“ werden, wird bei stark kalzifizierten Läsionen empfohlen, die vor dem Stenting nicht adäquat dilatiert werden können. Allerdings sollte auch Wissen um das Management von Komplikationen bei dieser Methode vorhanden sein.

Bei der PCI eines Vena-saphena-Bypass besteht ein hohes Risiko für eine Koronarien-Embolie. Zwei distale Embolieschutz-Devices (GuardWire and FilterWire) haben sich in diesen Fällen als sicher erwiesen. Bei Patienten mit STEMI können noch keine Empfehlungen gegeben werden.

Medikamentenbeschichtete Stents

Beschichtete Stents setzen zur Verhinderung von Restenosen kontinuierlich antiproliferativ oder antiinflammatorisch wirksame Substanzen frei. Verfügbar sind zum Beispiel Stents mit Sirolimus, Paclitaxel, Tacrolimus und Everolimus sowie auch mit Dexamethason, 17-Beta-Estradiol, Actinomycin D, Methotrexat, Tyrosinkinasehemmern, Vincristin oder Ciclosporin. Es gibt zahlreiche Studien zu dieser neuen Technik, wobei für die Leitlinien vor allem prospektive, randomisierte Studien mit einem klinisch relevanten Endpunkt in einer akzeptablen Zeit herangezogen wurden. In diesen Studien haben sich lediglich der Cypher-Stent (Sirolimus) und der Taxus-Stent (Paclitaxel) als positiv wirksam erwiesen. Weitere Studien müssen folgen, um nun auch den Nutzen bei bestimmten Subgruppen (z. B. Diabetikern) zu erkennen.

Zum momentanen Zeitpunkt wird zur Prophylaxe von Stentthrombosen die kombinierte Gabe von ASS plus Clopidogrel empfohlen. Deshalb sollte bei Patienten, bei denen in absehbarer Zeit eine andere, nicht-kardiale Operation ansteht, auf den Einsatz von medikamentenbeschichteten Stents verzichtet und besser „blanke“ Stents implantiert werden. Bei kleineren chirurgischen Eingriffen sollte Clopidogrel aber nicht abgesetzt werden. Auch wird insgesamt vor einem zu frühen Absetzen von Clopidogrel gewarnt.

Bericht:
Dr. rer. nat. Barbara Kreutzkamp, Stefan-George-Ring 57, 81929 München

Tab. 3. Empfehlungen zum Einsatz von Clopidogrel bei PCI (KHK = koronare Herzkrankheit)

Indikation

Beginn und Dauer

Empfehlungs-
und Evidenzgrad

Studien für Evidenzgrad A oder B

Vorbehandlung bei geplanter PCI und stabiler KHK

Initialdosis 300 mg mindestens 6 h vor der PCI, idealerweise einen Tag davor

IC

Vorbehandlung bei primärer PCI bei STEMI oder sofortiger PCI bei NSTE-ACS oder bei Ad-hoc-PCI bei stabiler KHK

Initialdosis von 600 mg sofort nach erstem Kontakt, wenn klinisch gerechtfertigt

IC

Nach allen metallischen Stents

3 bis 4 Wochen

IA

CLASSICS, TOPPS, Bad Krozingen

Nach vaskulärer Brachytherapie

12 Monate

IC

Nach Arzneimittel-freisetzenden Stents

6 bis 12 Monate

IC

Nach NSTE-ACS

Sofort (wenn klinisch gerechtfertigt), dann für 9 bis 12 Monate

IB

CURE

Tab. 4. Empfehlungen für GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten und Bivalirudin bei PCI

Medikation

Indikation

Empfehlungs- und Evidenzgrad

Studien für Evidenzgrad A oder B

Abciximab, Eptifibatid, Tirofiban bei stabiler KHK

Komplexe Läsionen, bedrohlicher Gefäßverschluss, sichtbarer Thrombus, kein/langsamer Wiederdurchfluss

IIaC

Abciximab, Eptifibatid bei NSTE-ACS

Sofort vor der PCI bei Hochrisikopatienten

IC

Tirofiban, Eptifibatid bei NSTE-ACS

Vorbehandlung vor diagnostischer Angiographie und möglicher PCI innerhalb von 48 h bei Hochrisikopatienten (Upstream)

IC

Abciximab bei NSTE-ACS

Bei Hochrisikopatienten mit bekannter Koronaranatomie innerhalb von 24 h vor geplanter PCI

IC

Abciximab bei STEMI

Alle Patienten mit primärer PCI, vor allem solche mit hohem Risiko

IIaA

ADMIRAL, ACE

Bivalirudin

Ersatz von UFH oder NHM (± GP-IIb/IIIa-RA) zur Reduktion von Blutungskomplikationen

IIaC

Bivalirudin

Ersatz von UFH bei Patienten mit Heparin-induzierter Thrombozytopenie

IC

Arzneimitteltherapie 2005; 23(08)