Prof. Dr. med. Hans Christoph Diener, Essen
In den letzten Jahren wurde eindeutig belegt, dass CSE-Hemmer das Risiko vaskulärer Ereignisse sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärprävention reduzieren.
Eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung dieser Substanzklasse, insbesondere wenn sie mit Fibraten kombiniert werden, ist die Rhabdomyolyse. Diese Nebenwirkung hat beispielsweise zur Marktrücknahme des CSE-Hemmers Cerivastatin (Lipobay®) geführt.
In einer neuen Studie wurde das Risiko, eine Rhabdomyolyse unter der Therapie mit CSE-Hemmern und/oder Fibraten zu erleiden, berechnet. Mit Datenbankrecherche – Datenbanken von Krankenversicherungen in den Vereinigten Staaten – wurden Patienten identifiziert, denen im Zeitraum zwischen 1998 und 2001 ein CSE-Hemmer und/oder ein Fibrat verordnet wurde. So konnte ermittelt werden,
- wie viele Patienten CSE-Hemmer und/oder Fibrate eingenommen haben,
- welche CSE-Hemmer und/oder Fibrate und
- über welchen Zeitraum die entsprechenden Arzneimittel eingenommen wurden.
Anschließend wurden die Krankenhausberichte der Patienten, die in diesem Zeitraum stationär behandelt wurden, auf den Vermerk folgender Diagnosen durchgesehen: Myoglobinurie, Rhabdomyolyse, Myositis, Myopathie, Polymyositis, Muskelschwäche oder anderen Nebenwirkungen von Substanzen, die zur Reduktion von Cholesterol- oder Triglycerid-Werten eingesetzt werden.
Die Krankenhausberichte von Patienten mit entsprechender Diagnosestellung wurden dann analysiert.
In dieser Studie wurden die Daten von 252 460 Patienten analysiert. 7 300 Patienten erhielten eine Kombinationstherapie. Aus der Gruppe der CSE-Hemmer wurde bei den Patienten überwiegend Atorvastatin (Sortis®) eingesetzt, gefolgt von – in abnehmender Reihenfolge der Verordnungshäufigkeit – Simvastatin (z. B.Zocor®), Pravastatin (z. B. Pravasin®protect), Cerivastatin, Fluvastatin (z. B. Locol®) und Lovastatin (z. B. Mevinacor®). Bei den Fibraten wurden die Clofibrat-Analoga Gemfibrozil (z. B. Lipox Gemfi®) und Fenofibrat (z. B. durafenat®MF) eingesetzt.
Insgesamt wurde bei 24 Patienten eine Rhabdomyolyse unter der Monotherapie mit einem CSE-Hemmer oder einem Fibrat festgestellt. Durchschnittlich traten bei der Therapie mit Atorvastatin, Pravastatin oder Simvastatin 0,44 Ereignisse/10 000 Patientenjahre (95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,2–0,84) auf, bei der Monotherapie mit Cerivastatin waren es hingegen 5,34 (95 %-KI 1,46–13,68) und bei der Therapie mit Fibraten 2,82 Ereignisse/10 000 Patientenjahre (95 %-KI 0,58–8,24). Die Inzidenz der Rhabdomyolyse stieg auf 5,98 Ereignisse/10 000 Patientenjahre (95 %-KI 0,72–216,0) bei einer Kombinationstherapie mit einem Fibrat und Atorvastatin, Pravastatin oder Simvastatin. Bei der Kombinationstherapie mit einem Fibrat und Cerivastatin stieg die Inzidenz auf 1 035 Ereignisse/10 000 Patientenjahre (95 %-KI 389–2117).
Das Risiko einer Rhabdomyolyse stieg insbesondere bei älteren Patienten mit Diabetes mellitus und bei einer Kombinationstherapie von CSE-Hemmern mit einem Fibrat signifikant.
Zwischen den einzelnen CSE-Hemmern (z. B. Atorvastatin, Pravastatin oder Simvastatin) war kein wesentlicher Unterschied zu erkennen, wobei aber bei der Therapie mit Cerivastatin offenbar ein höheres Risiko für das Auftreten einer Rhabdomyolyse bestand als bei der Therapie mit anderen CSE-Hemmern.
Kommentar
Diese große Studie aus den Vereinigten Staaten zeigt, wie hilfreich es ist, wenn es gelingt, die Datenbanken von großen Versicherungsgesellschaften anzuzapfen, insbesondere wenn das Ziel ist, die Häufigkeit seltener Nebenwirkungen einer medikamentösen Therapie zu identifizieren. Die Analyse zeigt eindeutig, dass das absolute Risiko einer Rhabdomyolyse mit CSE-Hemmern gering ist, dass das Risiko bei Cerivastatin aber möglicherweise höher ist als das anderer CSE-Hemmer. Die Studie zeigt auch, dass insbesondere eine Kombination von CSE-Hemmern mit Fibraten das Risiko deutlich erhöht und daher vermieden werden sollte. Weiterhin ist offenbar eine Risikogruppe, wie beispielsweise ältere Patienten mit Diabetes mellitus, besonders gefährdet.
Quelle
Graham DJ, et al. Incidence of hospitalized rhabdomyolysis in patients treated with lipid-lowering drugs. JAMA 2004;292:2585–90.
Arzneimitteltherapie 2005; 23(08)