Dr. Annemarie Musch, Stuttgart
Die Sekundärprävention nach einem Myokardinfarkt setzt sich aus zwei wichtigen Komponenten zusammen:
- Änderung des Lebensstils (z. B. Ernährungsumstellung, Ausdauertraining und Tabakrauchentwöhnung)
- Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung basiert auf der Gabe von ACE-Hemmern, Betablockern, Thrombozytenfunktionshemmern (meist Acetylsalicylsäure) und CSE-Hemmern. Eine zusätzliche Therapie kann individuell verschieden, je nach Begleiterkrankung erforderlich sein. Für die zusätzliche Therapie wurde nun ein Präparat aus konzentrierten Omega-3-Fettsäuren (Omega-3-Säurenethylester 90, Zodin®) in Deutschland als Arzneimittel zugelassen. Omega-3-Säurenethylester 90 wird aus Fischöl gewonnen und besteht zu etwa 90 % aus den mit Ethanol veresterten mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren Eicosapentaensäure (Icosapent-Ethyl) und Docosahexaensäure (Doconexent-Ethyl) im Verhältnis von etwa 1,25 : 1.
Mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren, insbesondere Eicosapentaen- und Docosahexaensäure, die zu etwa 20 bis 30 % in Fischöl enthalten sind, könnten für den in epidemiologischen Untersuchungen nachgewiesenen protektiven Effekt von häufigen Fischmahlzeiten auf die koronare Herzkrankheit verantwortlich sein. Der zugrunde liegende Wirkungsmechanismus ist noch unklar, möglich sind beispielsweise eine Beeinflussung der Blutgerinnung (verringerte Bildung von Thromboxan A2), eine Änderung der Zellmembranzusammensetzung sowie eine Senkung der Triglycerid-Plasmaspiegel.
In einer offenen, multizentrischen, randomisierten Studie (GISSI, Gruppo italiano per le studio della sopravvivenza nell’infarto miocardico) wurde der Einfluss der zusätzlichen Behandlung mit mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren und/oder Vitamin E auf die Prognose von Patienten in der Sekundärprävention nach einem Myokardinfarkt untersucht. In diese Studie wurden 11 324 Patienten, die im Zeitraum bis zu maximal 3 Monaten (im Median 16 Tage) vor der Randomisierung einen Myokardinfarkt erlitten hatten, aufgenommen. Diese Patienten nahmen für 3,5 Jahre folgende Supplementierung zusätzlich zur empfohlenen Standardtherapie, bestehend aus Acetylsalicylsäure (92%), ACE-Hemmer (46 %), Betablocker (44 %) und CSE-Hemmer (46 %), ein:
- Omega-3-Säurenethylester 90 (1 g, n = 2 836)
- Vitamin E (300 mg synthetisches
α-Tocopherol, n = 2 830) - Omega-3-Säurenethylester 90 plus Vitamin E (1 g plus 300 mg, n = 2 830)
- Keine zusätzliche Therapie (n = 2 828)
Primäre kombinierte Studienendpunkte waren:
- Tod, nichttödlicher Myokardinfarkt und nichttödlicher Schlaganfall
- Kardiovaskulärer Tod, nichttödlicher Myokardinfarkt und nichttödlicher Schlaganfall
Sekundäre Endpunkte waren jeweils die einzelnen Ereignisse der primären kombinierten Endpunkte.
Nach 3,5 Jahren war das Risiko für beide primäre kombinierte Endpunkte verglichen mit der Kontroll-Gruppe in der Omega-3-Säurenethylester 90-Gruppe signifikant geringer: Das Risiko nahm um 15 bzw. 20 % ab (Tab. 1). Weiterhin zeigte sich unter der zusätzlichen Einnahme von Omega-3-Säurenethylester 90 im Vergleich zur Kontrolle eine signifikante Reduktion der Gesamtsterblichkeit und der kardiovaskulären Sterblichkeit, hier insbesondere eine Reduktion des Risikos für den plötzlichen Herztod (Tab. 1).
Die zusätzliche Einnahme von Omega-3-Säurenethylester 90 und/oder Vitamin E wurde gut vertragen: Häufigste unerwünschte Wirkungen waren gastrointestinale Beschwerden (4,9 und 2,9 %) und Übelkeit (1,4 und 0,4 %).
In späteren Analysen der Studien-Daten konnte weiterhin gezeigt werden, dass unter der zusätzlichen Einnahme von Omega-3-Säurenethylester 90:
- die Gesamtsterblichkeit und die Zahl der Todesfälle aufgrund des plötzlichen Herztods bereits nach 3 und 4 Monaten deutlich reduziert waren,
- der Effekt auf die Gesamtsterblichkeit unabhängig von der linksventrikulären Funktion der Patienten war
- das Risiko für den plötzlichen Herztod insbesondere bei Patienten mit verminderter linksventrikulärer Funktion (< 40 %) gesenkt wurde.
Insgesamt zeigte die zusätzliche Gabe von Omega-3-Säurenethylester 90 deutlichen Nutzen in der Sekundärprävention bei Patienten nach einem Myokardinfarkt, die bereits zu einem Großteil mit empfohlener Standardtherapie behandelt wurden.
Vermutlich spielen antiatherosklerotische und insbesondere antifibrillatorische Wirkungen der mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren eine Rolle bei den gezeigten positiven Effekten – vor allem der reduzierten Gesamtsterblichkeit und der reduzierten kardiovaskulären Sterblichkeit. Die Risikoreduktion für den plötzlichen Herztod spricht dafür. Weiterhin konnte in vitro und tierexperimentell gezeigt werden, dass mehrfach ungesättigte Omega-3-Fettsäuren ischämische Tachykardien verhindern.
Hierfür scheint eine möglichst gleichmäßige hohe Konzentration an freien Omega-3-Fettsäuren notwendig zu sein. Eine entsprechende Zufuhr mit der Nahrung ist bei der empfohlenen Zufuhr von etwa 1 g Omega-3-Fettsäuren täglich schwierig zu verwirklichen, da der Gehalt an Omega-3-Fettsäuren selbst in Fisch und Fischprodukten häufig relativ niedrig ist. Die Einnahme von Omega-3-Fettsäuren in hoch konzentrierter Form scheint daher sinnvoll.
In den Leitlinien internationaler Fachgesellschaften – European Society of Cardiology (ESC) und American Heart Association (AHA) – wird die Therapie mit beziehungsweise der gesteigerte Verzehr von Omega-3-Fettsäuren in der Sekundärprävention nach Myokardinfarkt mit ST-Hebung (STEMI) empfohlen.
Omega-3-Säurenethylester 90 wurde auch zur Behandlung der Hypertriglyzeridämie zugelassen bei Patienten, bei denen mit diätetischen Maßnahmen kein ausreichender Erfolg erzielt wurde. Für diese Indikation wird das Präparat höher dosiert.
Quelle
Prof. Dr. med. Marthin Karoff (Ennepetal), Prof. Dr. med. Werner O. Richter (Windach), Prof. Dr. med. Dietrich Strödter (Gießen), Thomas König(Alsdorf), Dietmar Müller (Langenfeld). Einführungspressekonferenz Zodin® „Sekundärprävention nach Myokardinfarkt – Lässt sich die Mortalität weiter verringern?“, Frankfurt/M, 1. September 2005, veranstaltet von der Trommsdorff GmbH & Co. KG Arzneimittel (Alsdorf).
GISSI-Prevenzione Investigators (Gruppo Italiano per lo studio della sopravvivenza nell’infarto miocardico). Dietary supplementation with n-3 polyunsaturated fatty acids and vitamin E after myocardial infarction; results of the GISSI-Prevenzione trial. Lancet 1999;354:447–55.
Marchioli R, et al. Early protection against sudden death by n-3 polyunsaturated fatty acids after myocardial infarction: time-course analysis of the results of the Gruppo Italiano per lo Studio della Sopravvivenza nell’Infarto Miocardico (GISSI)-Prevenzione. Circulation 2002;105:1897–903.
Macchia A, et al. Left ventricular systolic dysfunction, total mortality, and sudden death in patients with myocardial infarction treated with n-3 polyunsaturated fatty acids. Eur J Heart Fail 2005;7:904–9.
Arzneimitteltherapie 2005; 23(12)