EXTRACT-TIMI-25-Studie

Enoxaparin besser als unfraktioniertes Heparin bei Patienten nach Herzinfarkt


Dr. Susanne Heinzl, Stuttgart

Patienten nach einem Herzinfarkt, die mit einem Fibrinolytikum behandelt werden, profitieren von der anschließenden antithrombotischen Behandlung mit dem niedermolekularen Heparin Enoxaparin (Clexane®) über etwa 8 Tage stärker als von der 48-stündigen Therapie mit unfraktioniertem Heparin. Allerdings wird der Nutzen durch eine höhere Rate schwerer Blutungen wieder eingeschränkt.

Hintergrund

Derzeit ist die Fibrinolyse noch das am häufigsten eingesetzte Therapieverfahren bei Patienten mit Herzinfarkt. Nach derzeitigen Leitlinien zur Behandlung von Herzinfarkt mit ST-Streckenhebung (STEMI) wird nach Fibrinolyse routinemäßig der Einsatz von unfraktioniertem Heparin (UFH) über 48 h empfohlen. Niedermolekulare Heparine wie Enoxaparin sind bei stärkerer Wirkung einfacher anzuwenden. Eine Überwachung der Gerinnungsparameter ist nicht erforderlich.

Wirksamkeit und Verträglichkeit von Enoxaparin und unfraktioniertem Heparin wurden in der EXTRACT-TIMI-25-Studie (Enoxaparin and thrombolysis reperfusion for acute myocardial infarction treatment – Thrombolysis in myocardial infarction 25) bei fibrinolysierten Patienten mit einem STEMI untersucht. Die Studie wurde von Sanofi-Aventis finanziert.

Design

Abbildung 1 zeigt das Design der Studie. Enoxaparin wurde mit einem bislang noch nicht verwendeten Dosierungsschema eingesetzt. So wurde bei Patienten im Alter über 75 Jahren auf den initialen Bolus verzichtet und das niedermolekulare Heparin nur alle 24 h statt alle 12 h gegeben.

Die Therapie dauerte in den beiden Gruppen unterschiedlich lang: UFH wurde über etwa 48 h gegeben, Enoxaparin über etwa 8 Tage.

Endpunkte

Primärer Wirksamkeitsendpunkt war die Kombination aus Gesamtsterblichkeit und nichttödlichem Reinfarkt nach 30 Tagen.

Sekundäre Endpunkte umfassten die Kombination aus Gesamtsterblichkeit, nichttödlichem Reinfarkt oder kardialer Ischämie mit Revaskularisationsmaßnahme nach 30 Tagen und die Kombination aus Gesamtsterblichkeit, nichttödlichem Reinfarkt oder nichttödlichem Schlaganfall nach 30 Tagen.

Als tertiäre Endpunkte wurden unter anderem die verschiedenen Ereignisse allein oder in Kombination nach 48 Stunden und 8 Tage nach Therapiebeginn erfasst.

Bei den Sicherheitsendpunkten wurden die Zahl schwerer, mittelschwerer und leichter Blutungen registriert.

Patienten

In die Studie wurden zwischen Oktober 2002 und Oktober 2005 in 674 Zentren in 48 Ländern 20 479 Patienten innerhalb von 6 Stunden nach Beginn der Infarktsymptome aufgenommen. Sie erhielten ein Fibrinolytikum nach Wahl des Arztes sowie Acetylsalicylsäure und wurden dann in eine der beiden Gruppen randomisiert und in einem aufwendigen Double-Dummy-Design behandelt.

Die beiden Gruppen waren in den demographischen Parametern gut vergleichbar. Das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren, 77 % waren Männer. Der größte Teil wurde mit der heute üblichen Therapie (Betablocker, ACE-Hemmer, CSE-Hemmer) behandelt.

Ergebnisse

Die Auswertung erfolgte mit einer Intention-to-treat-Analyse. Tabelle 1 zeigt die Ergebnisse.

Das relative Risiko für den primären Endpunkt wurde durch Enoxaparin im Vergleich zu UFH signifikant um 17 % vermindert. Dies war vor allem auf eine Senkung der Reinfarktrate zurückzuführen. Die Gesamtsterblichkeit wurde nicht signifikant verringert.

Die Ergebnisse waren über alle Subgruppen konsistent.

Der „Head-to-Head-Vergleich“ im tertiären Endpunkt nach 48 h zeigt, dass die Wirkung rasch nachzuweisen ist. Hier war das relative Risiko für einen Reinfarkt in der Enoxaparin-Gruppe um 33 % geringer.

Während Enoxaparin in den Wirksamkeitsendpunkten überlegen war, ergab der Sicherheitsendpunkt eine signifikant höhere Zahl von schweren, mittelschweren und leichten Blutungen in der Enoxaparin-Gruppe. Kein signifikanter Unterschied bestand in der Zahl der intrakraniellen Blutungen.

In drei vor der statistischen Auswertung der Studie festgelegten Nettonutzen-Berechnungen zeigte sich aber, dass die Vorteile der Behandlung mit Enoxaparin diese Nachteile signifikant überwogen (Abb. 2).

Werden 1 000 fibrinolysierte Herzinfarkt-Patienten mit Enoxaparin behandelt, können im Vergleich zur Behandlung mit UFH

  • 15 Reinfarkte,
  • 7 Revaskularisationen und
  • 6 Todesfälle vermieden werden.

Fazit

Die EXTRACT-TIMI-25-Studie ergänzt die bisherigen Enoxaparin-Studien, die eine Überlegenheit des NMH bei Patienten mit Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI) im Vergleich zu UFH ergeben haben. Enoxaparin kann bei allen Patienten mit Herzinfarkt als Antithrombotikum angewendet werden.

Ein direkter Vergleich mit den gleichzeitig veröffentlichten Daten der OASIS-5- und -6-Studien ist nicht möglich, weil Enoxaparin in der EXTRACT-TIMI-25-Studie in einem anderen Dosierungsschema angewendet worden ist.

Auffallend an dieser Studie ist die unterschiedliche Dauer der Therapie, in der UFH-Gruppe etwa 48 h, in der Enoxaparin-Gruppe rund 8 Tage. Es handelt sich dadurch nicht um einen Head-to-Head-Vergleich der beiden Substanzen, sondern um einen Vergleich zweier Regime. Die bessere Wirkung wie auch die höhere Blutungsrate in der Enoxaparin-Gruppe kann durchaus durch die längere Therapie bedingt sein, wenngleich die 48-h-Werte – zu diesem Zeitpunkt handelt es sich noch um einen Head-toHead-Vergleich – ebenfalls eine Überlegenheit des NMH zeigen.

Die Ergebnisse dieser Studie gelten auch nicht für Patienten mit mäßig schweren bis schweren Nierenfunktionsstörungen, da diese ausgeschlossen waren.

Quellen

Antman EM. Enoxaparin and thrombolysis reperfusion for acute myocardial infarction treatment – EXTRACT-TIMI-25. ACC.06, Atlanta, 14. März 2006.

Antman EM, et al. Enoxaparin versus unfractionated heparin with fibrinolyses for ST-elevation myocardial infarction. N Engl J Med 2006;354:1477–88.

Gibbons RJ, Fuster V. Therapy for patients with acute coronary syndromes – new opportunities. N Engl J Med 2006;354:1524–7.

www.TIMI.org

ACC.06 Atlanta, März 2006

Tab. 1. Wirkung von Enoxaparin und UFH bei Patienten mit STEMI in der EXTRACT-TIMI-25-Studie (KI = Konfidenzintervall)

Enoxaparin

(n = 10256)

UFH

(n = 10223)

Relatives Risiko (95%-KI)

p-Wert

Primärer Endpunkt
(Tod oder Reinfarkt nach 30 Tagen)

1 017 (9,9 %)

1 123 (12,3 %)

0,83 (0,77–0,90)

< 0,001

Tod

708 (6,9 %)

765 (7,5 %)

0,92 (0,84–1,02)

0,11

Reinfarkt

309 (3,0 %)

458 (4,5 %)

0,67 (0,58–0,77)

< 0,001

Sekundärer Endpunkt
(Tod, Reinfarkt, Notfallrevaskularisation nach 30 Tagen)

1 199 (11,7 %)

1 479 (14,5 %)

0,81 (0,75–0,87)

< 0,001

Revaskularisation

213 (2,1 %)

286 (2,8 %)

0,74 (0,62–0,88)

< 0,001

Tertiärer Endpunkt

(Tod oder Reinfarkt nach 48 h)

478 (4,7 %)

531 (5,2 %)

0,90 (0,80–1,01)

0,08

Tod

383 (3,7 %)

390 (3,8 %)

0,98 (0,85–1,12)

0,76

Reinfarkt

95 (0,9 %)

141 (1,4 %)

0,67 (0,52–0,87)

0,002

Tod, Reinfarkt, Notfallrevaskularisation nach 48 h

548 (5,3 %)

622 (6,1 %)

0,88 (0,79–0,98)

0,02

EXTRACT-TIMI-25-Studie

+ Große randomisierte, doppelblinde, kontrollierte Studie
+ Primärer Endpunkt erreicht
+ Nettonutzen nach drei vordefinierten Kriterien nachgewiesen
Erhöhung der Blutungsrate
Unterschiedliche Therapiedauer in den beiden Gruppen
! Anderes Dosierungsregime von Enoxaparin bei Patienten über 75 Jahren und bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion

Abb. 2. Klinischer Netto-Nutzen in der EXTRACT-TIMI-25-Studie nach 30 Tagen (UFH = unfraktioniertes Heparin, Enox = Enoxaparin, RRR = relative Risikoreduktion )

Number needed to treat
EXTRACT-TIMI-25-Studie

Primärer Endpunkt:
Absolute Risikoreduktion = 2,4 %
NNT = 49
Sekundärer Endpunkt:
Absolute Risikoreduktion = 2,8 %
NNT = 36

Arzneimitteltherapie 2006; 24(05)