Histon-Desacetylase-Hemmer

Neue Zielstruktur zur Krebsbehandlung


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Susanne Heinzl, Stuttgart

Histon-Desacetylase-Hemmer können den programmierten Zelltod (Apoptose) aktivieren und so möglicherweise Tumorwachstum stoppen. Verschiedene Substanzen beispielsweise Vorinostat (SAHA) befinden sich in klinischer Entwicklung.

Jedes Chromosom der Eukaryontenzelle enthält ein Molekül DNS, es ist also eine genetische Einheit. Die DNS würde in gestreckter Form einige Zentimeter lang sein. Durch basische Proteine, so genannte Histone, und andere Kernproteine wird sie so gepackt, dass die nur im Mikroskop sichtbaren Chromosomen entstehen. Das Massenverhältnis von DNS zu Protein beträgt etwa 1 : 1. Die um diese Histone gewickelten, also gepackten Abschnitte der fadenförmigen DNS in den Zellkernen sind inaktiv. Die Intensität dieser Verpackung der DNS wird von der Histon-Desacetylase und von der Histon-Acetyltransferase gesteuert. Die Histon-Desacetylase verstärkt die Verpackung, die Gene werden dadurch inaktiv. Die Histon-Acetyltranferase lockert die Verpackung, die entpackten Gene können damit aktiv werden.

Eine verstärkte Verpackung der DNS durch Histone ist beispielsweise bei myelodysplastischen Syndromen, Therapie-assoziierten sekundären akuten myeloischen Leukämien und einigen Lymphomen bekannt. Durch diese verstärkten DNS-Verpackungen werden vermutlich Gene inaktiviert, die normalerweise die Zellen in den programmierten Zelltod, also in die Apoptose treiben (Abb. 1).

Durch Hemmstoffe der Histon-Desacetylase kann nun die Apoptose wieder aktiviert und so möglicherweise das Tumorwachstum gestoppt werden.

Tabelle 1 zeigt verschiedene Histon-Desacetylase-Inhibitoren, sie haben unterschiedliche chemische Strukturen. Unklar ist bislang, ob sie ähnliche Wirkungen ausüben.

Vorinostat (Suberoylanilid-Hydroxamsäure, SAHA, Abb. 2) ist ein HDAC-Inhibitor, der in intravenöser und oraler Darreichungsform klinisch geprüft wird. Zum Mechanismus von Vorinostat ist bekannt, dass es die Expression von Genen verändert, indem es als Folge der Anreicherung acetylierter Histone die Chromatinstruktur beeinträchtigt. Außerdem wirkt es auf die Aktivität von Transkriptionsfaktoren. Es kommt sowohl zu einer erhöhten als auch zu einer verminderten Expression von Genen innerhalb von 1 bis 6 Stunden in kultivierten Zellen.

In Phase-I-Studien wurde Vorinostat sowohl in intravenöser als auch in oraler Form bei Patienten mit refraktären hämatologischen und soliden Tumoren untersucht. In diesen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Vorinostat die Histon-Acetylierung sowohl in normalen als auch in malignen Zellen induzierte. Insgesamt wurde die Substanz relativ gut vertragen. Dosislimitierende Toxizitäten bei Patienten mit hämatologischen Erkrankungen waren Thrombozytopenie und Neutropenie. Dosislimitierende Toxizitäten der oralen Darreichungsform waren Fatigue, Dehydratation und Anorexie.

Drei Dosierungs-Schemata wurden bisher geprüft:

  • 400 mg täglich
  • 200 mg zweimal täglich
  • 300 mg zweimal täglich über jeweils drei Tage jede Woche.

Patienten mit Nierenzellkarzinom, Kopf- und Halstumoren, Schilddrüsenkrebs, Mesotheliom sowie B-Zell- und T-Zell-Lymphomen zeigten eine Tumorregression. In einer Phase-II-Studie bei Patienten mit kutanem T-Zell-Lymphom zeigten fünf von 13 Patienten ein partielles Ansprechen, bei fünf weiteren Patienten stabilisierte sich die Erkrankung.

Quellen

Owen O’Connor, Satellitensymposium „Advances in cancer care: novel therapeutic options“, veranstaltet von MSD Oncology im Rahmen der ECCO 13, Paris, 1. November 2005.

Kelly WK, Marks PA. Drug insight: histone deacetylase inhibitors – development of the new targeted anticancer agent suberoylanilide hydroxamic acid. Nat Clin Pract Oncol 2005;2:150–7.

Kelly WK, et al. Phase I study of an oral histone deacetylase inhibitor, suberoylanilide hydroxamic acid, in patients with advanced cancer. J Clin Oncol 2005;23:3923–31.

Abb. 1. Die „Verpackung“ und damit der Aktivitätszustand der DNS wird unter anderem durch Histone gesteuert. Entscheidend ist die Histon-Acetylierung, die durch zwei Enzyme kontrolliert wird, nämlich die Histon-Acetyltransferase (HAT) und die Histon-Desacetylase (HDAC).

Tab. 1. Histon-Desacetylase-Inhibitoren

Aliphatische Säuren

Phenylbutyrat

Phenylacetat

Pivanex

Valproinsäure

Zyklische Peptide

Depsipeptid

Hydroxymate

Vorinostat

Pyroxamid

CBHA

LAQ-824

LBH-589°

PXD-101

Benzamide

MS-275

CI-994

Abb. 2. Vorinostat (SAHA)

Arzneimitteltherapie 2006; 24(06)