Pulmonal-arterielle Hypertonie

Sildenafil zur Therapie zugelassen


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Annemarie Musch, Stuttgart

Der Phosphodiesterase(PDE)-5-Hemmer Sildenafil (Revatio®) führt bei Patienten mit pulmonal-arterieller Hypertonie zu signifikant gesteigerter körperlicher Belastbarkeit. Sildenafil wurde in Europa Ende Oktober 2005 zur Therapie der pulmonal-arteriellen Hypertonie im funktionellen Schweregrad NYHA III zugelassen. Aktuelle Daten wurden auf der Einführungspressekonferenz von Pfizer Pharma in Frankfurt im November 2005 vorgestellt.

Die pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH) ist eine von fünf Formen pulmonaler Hypertonie (siehe Kasten). Der Erkrankung liegt eine endotheliale Dysfunktion der Lungengefäße zugrunde, die durch ein Ungleichgewicht in der Synthese gefäßerweiternder und -verengender Substanzen gekennzeichnet ist. Es kommt vermehrt zu Vasokonstriktion der Lungengefäße und im weiteren Verlauf zu strukturellen Veränderungen der Lungengefäße (Remodelling): Die Gefäßwand wird verdickt, das Gefäßlumen durch Proliferation von Endothelzellen und glatten Muskelzellen weiter verengt. Dadurch wird die Hämodynamik des Lungenkreislaufs gestört. Die Folge ist unter anderem eine abnehmende Sauerstoffsättigung des Blutes im Organismus. Im weiteren Verlauf ist ein Ausgleich der zunehmenden Vasokonstriktion nicht mehr möglich, der Blutdruck in der Pulmonalarterie steigt (in Ruhe chronisch erhöhter pulmonal-arterieller Mitteldruck > 25 mm Hg, unter Belastung > 30 mm Hg). Es kommt zu gesteigerter Rechtsherzbelastung, Rechtsherzhypertrophie und schließlich zu Rechtsherzinsuffizienz (circulus vitiosus).

Die Symptome der PAH sind zu Beginn unspezifisch (z. B. Müdigkeit, Luftnot bei Belastung), mit zunehmender Rechtsherzbelastung kommen weitere Symptome hinzu (z. B. Zyanose, Ödeme). Meist wird die Erkrankung erst jetzt diagnostiziert. Eine möglichst frühe Diagnose und Therapie ist aber wichtig, um die Prognose der Patienten zu verbessern: Unbehandelt führt die Erkrankung relativ rasch zum Tod, die 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei rund 50 %.

Ziel der medikamentösen Therapie ist es, die Durchblutung der Lunge, insbesondere in gut belüfteten Bereichen, zu verbessern und den strukturellen Umbau der Lungengefäße aufzuhalten. Bislang waren in Deutschland der orale Endothelin-Rezeptorantagonist Bosentan (Tracleer®) und das inhalierbare Prostacyclin-Analogon Iloprost (Ventavis®) zur Therapie der PAH zugelassen. Die intravenöse Applikation von Iloprost erfolgt überwiegend in Notfällen.

Seit Oktober 2005 ist der selektive Phosphodiesterase(PDE)-5-Hemmer Sildenafil (Revatio®) zur Therapie der PAH zugelassen. Eine Zulassung zur Therapie der erektilen Dysfunktion besteht für Sildenafil seit 1998 (Viagra®).

PDE-5 baut den für die vasodilatierende Wirkung von NO verantwortlichen „second messenger“, zyklisches Guanosinmonophosphat (cGMP), ab. PDE-5-Hemmer verlängern somit die Wirksamkeit von gefäßerweiterndem cGMP. Für Sildenafil wurde unter anderem eine gefäßerweiternde Wirkung in der Lunge und hier besonders in gut belüfteten Bereichen – Bereichen, in denen die NO-cGMP-Signaltransduktion aktiviert ist – gezeigt.

In einer multizentrisch, doppelblind und Plazebo-kontrolliert durchgeführten Studie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie mit Sildenafil bei PAH untersucht (SUPER, Sildenafil use in pulmonary arterial hypertension). Diese Studie wurde mit 278 Patienten mit symptomatischer PAH – überwiegend der funktionellen Schweregrade NYHA II (39 %) und III (58 %) – durchgeführt. Die Patienten (mittleres Alter 49 Jahre) erhielten randomisiert über einen Zeitraum von 12 Wochen drei verschiedene Sildenafil-Dosierungen

  • 20 mg 3-mal täglich (n = 69),
  • 40 mg 3-mal täglich (n = 68),
  • 80 mg 3-mal täglich (n = 71)

oder Plazebo (n = 70).

Primäres Wirksamkeitskriterium war die Veränderung in der 6-Minuten-Gehstrecke nach 12 Wochen im Vergleich zur Ausgangssituation. Diese wurde durch die 12-wöchige Therapie mit Sildenafil im Vergleich zu Plazebo signifikant um durchschnittlich 45 bis 50 Meter verlängert (p < 0,0001) (Abb. 1). Weiterhin wurde eine im Vergleich zu Plazebo signifikante Verbesserung verschiedener hämodynamischer Parameter beobachtet (Tab. 1).

In einer offenen Studie wurde die Therapie mit Sildenafil bei 259 Patienten weitergeführt (SUPER-Langzeitstudie). Nach Dosissteigerung erhielten alle Patienten 80 mg Sildenafil 3-mal täglich. Nach einem Jahr zeigte sich, dass das Behandlungsergebnis der 12-wöchigen Therapie erhalten blieb.

Die Therapie wurde gut vertragen, die häufigste unerwünschte Wirkung war Kopfschmerz.

Sildenafil ist somit eine vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit PAH. Die Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit, gezeigt in einer signifikanten Verbesserung der 6-Minuten-Gehstrecke, spricht für einen deutlichen Nutzen der Therapie: Die 6-Minuten-Gehstrecke gilt als ein unabhängiger Prognosefaktor für Patienten mit idiopathischer PAH. Die European Society of Cardiology (ESC) hat Sildenafil in ihre Empfehlungen zur Therapie der PAH aufgenommen (Empfehlungs-/
Evidenzgrad IA).

Die zugelassene Dosierung von Sildenafil ist die 3-mal tägliche Einnahme von 20 mg, da im primären Wirksamkeitskriterium kein signifikanter Unterschied zu einer höheren Dosierung gezeigt werden konnte. Möglicherweise bietet eine höhere Dosierung des Arzneistoffs dennoch Vorteile. Eine interessante Behandlungsoption dürfte auch die Kombination von Sildenafil mit Iloprost oder Bosentan sein. Dies wird derzeit in Studien untersucht.

Quellen

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Friedrich O. J. Grimminger, Gießen, Prof. Dr. med. Michael Böhm, Homburg/Saar, Dr. med. Hossein Ardeschir Ghofrani, Gießen, Priv.-Doz. Dr. med. Ingram Schulze-Neick, Dr. Fidorra, Karlsruhe. Einführungspressekonferenz „Revatio® – neue Perspektive in der Therapie der pulmonal-arteriellen Hypertonie (PAH)“ in Frankfurt/Main am 22. November 2005, veranstaltet von der Pfizer Pharma GmbH.

Galiè N, et al. Sildenafil citrate therapy for pulmonary arterial hypertension. N Engl J Med 2005;353:2148–57.

Pulmonale Hypertonie:
WHO-Klassifikation

Der Pathogenese entsprechend werden unterschieden: pulmonal-arterielle Hypertonie (PAH), pulmonale Hypertonie bei Linksherzerkrankungen, bei Erkrankungen des respiratorischen Systems und/oder Hypoxämie sowie in Folge chronisch thrombotischer und/oder embolischer Prozesse und verschiedene Formen.
Bei der PAH wird weiterhin unterschieden zwischen meist idiopathischer, aber auch familiärer PAH und sekundär bei Bindegewebserkrankungen, Lebererkrankungen, HIV-Infektionen und nach der Einnahme von Appetitzüglern auftretender PAH. Die Klassifizierung entsprechend funktionellem Schweregrad erfolgt in Anlehnung an die Stadieneinteilung der chronischen Herzinsuffizienz durch die New York Heart Association (NYHA).

Abb. 1. Veränderungen in der 6-Minuten-Gehstrecke bei Patienten mit PAH durch die Behandlung mit Sildenafil (Mittelwerte plus 95%-Konfidenzintervalle) [nach Galiè N, et al. 2005]

Tab. 1. Veränderungen hämodynamischer Parameter bei Patienten mit PAH durch die Behandlung mit Sildenafil nach 12 Wochen im Vergleich zur Ausgangssituation (Mittelwerte plus 95%-Konfidenzintervalle) [nach Galiè N, et al. 2005]

Parameter

Plazebo
(n = 65)

Sildenafil 20 mg 3-mal/Tag
(n = 65)

p-Wert

Sildenafil 40 mg 3-mal/Tag
(n = 63)

p-Wert

Sildenafil 80 mg 3-mal/Tag
(n = 65)

p-Wert

Herzfrequenz [Schläge/min]

–1,3 (–4,1 bis 1,4)

–3,7 (–5,9 bis –1,4)

0,18

–3,3 (–5,5 bis –1,0)

0,27

–4,7 (–7,3 bis –2,2)

0,05

Pulmonal-arterieller Mitteldruck [mm Hg]

+0,6 (–0,8 bis 2,0)

–2,1 (–4,3 bis 0,0)

0,04

–2,6 (–4,4 bis –0,9)

0,01

–4,7 (–6,7 bis –2,8)

< 0,001

Herzindex [l/min · m2]

–0,02 (–0,17 bis 0,13)

+0,21 (0,04 bis 0,8)

0,06

+0,24 (0,05 bis 0,42)

0,03

+0,37 (0,2 bis 0,55)

0,001

Pulmonaler Gefäßwiderstand [dyn · s/cm5]

+49 (–54 bis 153)

–122 (–217 bis –27)

0,01

–143 (–218 bis –69)

0,01

–261 (–365 bis –157)

< 0,001

Rechtsatrialer Druck [mm Hg]

+0,3 (–0,9 bis 1,5)

–0,8 (–1,9 bis 0,3)

0,19

–1,1 (–2,4 bis 0,2)

0,1

–1,0 (–2,1 bis 0,1)

0,11

Arzneimitteltherapie 2006; 24(06)