Therapie des Vorhofflimmerns:


Pille oder Steckdose?

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg

Vorhofflimmern ist die häufigste Rhythmusstörung im klinischen Alltag, und dieses Krankheitsbild bietet so viele unterschiedliche Facetten, dass das therapeutische Management im Einzelfall immer wieder zu einer intellektuellen Herausforderung wird. Erschwerend kommt hinzu, dass viele der klinisch relevanten Fragestellungen nicht Evidenz-basiert beantwortet werden können. Die entscheidende Frage, die es abgesehen von der Indikationsstellung für eine dauerhafte Antikoagulation primär immer zu beantworten gilt, lautet: Rhythmus- oder Frequenzkontrolle?

Diese Fragestellung glaubte man, mit zwei großen klinischen Studien, nämlich der AFFIRM(Atrial fibrillation follow-up investigation of rhythm management)- und der RACE(Rate control versus electrical cardioversion for persistent atrial fibrillation)-Studie, beantworten zu können. Im Rahmen dieser Studien wurden die beiden Therapiestrategien randomisiert miteinander verglichen, und überraschenderweise ergab sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich Morbidität und Letalität des Vorhofflimmerns.

Doch wer diese Ergebnisse dahingehend interpretieren wollte, dass eine Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern nur EKG-Kosmetik ist und Vorhofflimmern selbst lediglich ein prognostisch unbedeutendes Epiphänomen darstellt, irrt; denn diese Ergebnisse entstammen einer Intention-to-treat-Analyse. Dahinter versteckt sich die Tatsache, dass bei einem Großteil der rhythmuskontrolliert behandelten Patienten eine dauerhafte Wiederherstellung oder Stabilisierung des Sinusrhythmus mit den verfügbaren Antiarrhythmika erst gar nicht möglich war. Sei es, dass diese nicht ausreichend wirksam waren oder wegen gefährlicher Nebenwirkungen wieder abgesetzt werden mussten. Doch diejenigen Patienten, bei denen eine effektive Rhythmuskontrolle gelang, profitierten von der Stabilisierung des Sinusrhythmus sowohl symptomatisch als auch hämodynamisch und prognostisch.

Das letztendlich enttäuschende Ergebnis der Rhythmuskontrolle war auch dem Umstand geschuldet, dass bei einer vermeintlichen Stabilisierung des Sinusrhythmus die Notwendigkeit einer dauerhaften Antikoagulation bei vielen Studienpatienten nicht gesehen wurde, mit der Folge einer erhöhten Inzidenz ischämischer Insulte. Die primär frequenzkorrigierend behandelte Patientengruppe wurde dagegen sehr viel häufiger antikoaguliert, was mit einer signifikant geringeren Häufigkeit eines ischämischen Insults einherging.

Somit lässt sich aus diesen Studienergebnissen keinesfalls ein Paradigmenwechsel bei der Behandlung des Vorhofflimmerns ableiten, nämlich weg von der Rhythmuskontrolle hin zur ausschließlichen Frequenzkorrektur. Im Gegenteil: Die Stabilisierung des Sinusrhythmus sollte ein vorrangiges Therapieziel bleiben, doch es fehlt an geeigneten Antiarrhythmika mit einem günstigen Nutzen-Risiko-Profil.

Die forschende Pharmaindustrie hat, wie die Präsentationen und Vorträge im Rahmen des 15. World Congress in Cardiac Electrophysiology and Cardiac Techniques in Nizza (14. bis 17. Juni 2006) zeigen, diese Lücke erkannt und nach einer langjährigen Abstinenz auf diesem Indikationsgebiet – seit über 20 Jahren ist mit Ausnahme von Betablockern kein neues oral verfügbares Antiarrhythmikum auf den Markt gekommen – eine Reihe neuerer Substanzen entwickelt, die sich zurzeit in der vorklinischen oder klinischen Erprobung befinden. Dabei handelt es sich meist um Abkömmlinge von Amiodaron, die als Multikanalblocker neben den verschiedenen Kaliumionenströmen auch den Natriumioneneinstrom hemmen und außerdem eine calciumkanalblockierende und sympatholytische Wirkung entfalten. Angesichts ihres günstigen elektrophysiologischen Profils sollen sie keine proarrhythmogenen Wirkungen und keine Organtoxizität entfalten.

Doch mit der Katheterablation der Pulmonalvenen ist der medikamentösen Therapie in den letzten Jahren ein ernstzunehmender Konkurrent erwachsen. Dieses innovative interventionelle Therapieverfahren basiert auf neuen pathogenetischen Erkenntnissen, nämlich dass Vorhofflimmern von Extrasystolen, ausgehend von heterotopem Vorhofmyokardgewebe in den Pulmonalvenen, induziert wird. Somit kann Vorhofflimmern mit Durchtrennung des elektrophysiologischen Substrats zwischen Pulmonalvenen und Vorhof kurativ behandelt werden. Anfänglich beobachtete gefährliche Komplikationen des Eingriffs wie die Pulmonalvenenstenosen sind dank moderner Technik heute nicht mehr zu befürchten.

Auf die Frage, welcher Patient für eine solche interventionelle Therapie in Frage kommt, gibt es allerding bisher keine allgemeinen verbindlichen Empfehlungen. Stattdessen herrscht, wie die Diskussionen im Rahmen dieses Kongresses zeigten, eine große Beliebigkeit. Während anfänglich nur Patienten mit paroxysmalem stark symptomatischem Vorhofflimmern mit Katheterablation behandelt wurden, wird dieses Verfahren jetzt auch bei symptomatischen Patienten mit persistierendem Vorhofflimmern propagiert, wobei einige Zentren eine nicht effektive antiarrhythmische Vorbehandlung fordern, andere jedoch nicht. Auch ist das Rezidivrisiko nach primär erfolgreicher Katheterablation mit rund 30 % relativ hoch, viele Patienten benötigen also einen zweiten Eingriff oder eine medikamentöse antiarrhythmische Begleittherapie.

Insgesamt dürfte die Katheterablation jedoch schon wegen der begrenzten Kapazitäten nicht zur Methode der ersten Wahl werden. Für die überwiegende Mehrzahl der insbesondere älteren Patienten mit Vorhofflimmern ist und bleibt die medikamentöse antiarrhythmische Therapie die vorrangige Option und somit die Hoffnung auf bessere Antiarrhythmika.

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