Dr. Barbara Kreutzkamp, München
Hintergrund
Unter einer unterstützten perkutanen Koronarintervention (PCI) bei Patienten mit einem ST-Hebungsinfarkt (STEMI) versteht man die (kombinierte) Gabe pharmakologisch aktiver Substanzen unmittelbar vor einer geplanten PCI. Man erhofft sich durch die Prämedikation vor allem eine bessere kardiale Durchblutung und eine damit verbundene Verbesserung des PCI-Ergebnisses. In der Praxis wird mit diesem Vorgehen vor allem versucht, den Zeitverlust zu überbrücken, der beim Transport des Patienten in ein spezialisiertes Katheterlabor entsteht – ohne dass allerdings Wirksamkeit und Sicherheit eines solchen Vorgehens in Studien belegt sind.
Eingesetzt werden hoch dosiertes Heparin, Glykoprotein-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten sowie Fibrinolytika in voller oder reduzierter therapeutischer Dosis, in Kombinationsregimen vor allem die GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten zusammen mit reduzierten Dosen von Fibrinolytika.
Methode
In einer Metaanalyse wurden kontrollierte Studien zusammengefasst, in denen die gestützte PCI mit einer primären PCI verglichen wurde. Dabei wurden insgesamt 17 Studien mit STEMI-Patienten identifiziert, die randomisiert entweder einer gestützten (n = 2 237) oder einer primären (n = 2 267) PCI zugewiesen worden waren. Analysiert wurden die Kurzzeit-Ergebnisse (bis zu 42 Tage) als Kombination aus Tod, Schlaganfall, nicht-tödlichem Reinfarkt, Revaskularisierung und schweren Blutungen. Außerdem wurden die Raten eines TIMI-Perfusionsgrads 3 im Infarktgebiet vor und nach Fibrinolyse ermittelt.
Ergebnisse
Die PCI mit der Prämedikation führte zu einem mehr als zweifachen Anstieg der Patientenzahl mit einem initialen TIMI-Grad-3-Fluss im Vergleich zu den Patienten mit einer primären PCI (832 Patienten [37 %] vs. 342 [15 %], Odds-Ratio [OR] 3,18). Am Ende des Eingriffs war die Zahl der Patienten mit Perfusionsgrad 3 bei beiden Behandlungsstrategien wieder vergleichbar (1 706 [89 %] vs. 1 803 [88 %], OR 1,19). Signifikant mehr Menschen unter dem unterstützten Regime starben (106 [5 %] vs. 78 [3 %], OR 1,38), sie hatten häufiger nicht-tödliche Reinfarkte (74 [3 %] vs. 41 [2 %], OR 1,16) und höhere Revaskularisierungsraten (66 [4 %] vs. 21 [1 %], OR 2,39).
Die erhöhte Rate von Nebenwirkungen in den Patientengruppen mit der Arzneimittel-gestützten Intervention war hauptsächlich auf die Studien mit den Fibrinolyse-basierten Behandlungsschemata zurückzuführen. Die unterstützte PCI ging mit höheren Raten von schweren Blutungen im Vergleich zur primären Intervention einher (159 [7 %] vs. 108 [5 %], OR 1,51). Die Rate von hämorragischem Schlaganfall und die Gesamt-Schlaganfallrate waren ebenfalls höher in den Regimes mit Fibrinolyse-Unterstützung als bei der primären Intervention (hämorragischer Schlaganfall 15 [0,7 %] vs. 2 [0,1 %], p = 0,0014; Schlaganfall insgesamt 24 [1,1 %] vs. 6 [0,3 %], p = 0,0008).
Fazit und Diskussion
Die unterstützte perkutane Koronarintervention bei STEMI-Patienten bietet keine Vorteile gegenüber der primären PCI, obwohl die Vorbehandlung mit Thrombozytenfunktionshemmern, Fibrinolytika oder kombinierter Pharmakotherapie zu einer höheren Koronardurchblutung führt und damit theoretisch das Behandlungsergebnis besser als nach alleiniger PCI sein müsste. Es bleibt ungewiss, ob die pharmakologisch induzierte Verbesserung der Perfusion vor einer PCI in der Klinik tatsächlich Myokardgewebe rettet. Dies gilt auch für Risikogruppen, beispielsweise mit großem Ischämie-gefährdetem Myokard oder Patienten, die zum Beispiel durch einen langen Transfer viel Zeit verloren haben. Auch sie profitieren nicht von einer Prämedikation beispielsweise mit Fibrinolytika.
Entsprechend dem momentanen Wissensstand sollte eine unterstütze PCI möglichst nur noch im Rahmen von randomisierten klinischen Studien weiter eingesetzt werden.
Abzuraten ist derzeit von gestützten Interventionen, die eine Prämedikation mit Fibrinolytika vorsehen. Die erhöhten Raten von Reinfarkten unter dieser Behandlung könnte unter anderem durch die Fibrinolyse-induzierte Plättchenaggregation oder eine Thrombin-induzierte Plättchen-Aktivierung, durch eine Plaque-Blutung oder eine intramurale Hämatombildung nach der Angioplastie induziert worden sein.
Bei STEMI-Patienten mit einer Kombinationsbehandlung aus intravenöser Fibrinolyse und der Gabe von GP-IIb/IIIa-Inhibitoren war die Reinfarktrate geringer als bei nur mit einer Lysetherapie vorbehandelten Patienten. Es scheint darüber hinaus bemerkenswert, dass bei den Patienten, die lediglich mit GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonisten allein unterstützend vorbehandelt wurden, kein Anstieg von unerwünschten klinischen Ereignissen zu verzeichnen war.
So darf man auch gespannt sein auf die Ergebnisse der FINESSE-Studie (Facilitated intervention with enhanced reperfusion speed to stop event), in der der GP-IIb/IIIa-Rezeptorantagonist Abciximab (REoPro®) als PCI-unterstützendes Medikament eingesetzt wird. Die Rekrutierung ist im Gange, erste Studienergebnisse sind in rund zwei Jahren zu erwarten.
Quellen
Keeley EC, et al. Comparison of primary and facilitated percutaneous coronary interventions for ST-elevation myocardial infarction: quantitative review of randomised trials. Lancet 2006;367:579–88.
Stone GW, Gersh BJ. Facilitated angioplasty: paradise lost. Lancet 2006;367:543–6.
Arzneimitteltherapie 2006; 24(09)