Neue Biologika zur Therapie chronisch-entzündlicher und autoimmuner rheumatischer Erkrankungen


Ingo H. Tarner, Johannes Strunk und Ulf Müller-Ladner, Bad Nauheim

Die gezielte Entwicklung und der erfolgreiche Einsatz der TNF-hemmenden so genannten „Biologika“, vor allem bei entzündlichen Gelenkerkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis (RA), der Psoriasisarthritis und den Spondylarthropathien, aber auch bei anderen immunvermittelten entzündlichen Erkrankungen, stellt einen Meilenstein der modernen Therapieforschung dar. Im Gefolge dieser Anti-TNF-Biologika ist in der Zwischenzeit eine Entwicklungswelle neuer potenzieller Therapeutika entstanden, indem versucht wird, auf nahezu allen Ebenen der autoimmunen Entzündungsprozesse Schlüsselmoleküle und Schlüsselmechanismen zu identifizieren und hieraus entsprechende therapeutische Modulatoren zu entwickeln. In dieser Übersicht sollen daher die aktuell herausragendsten Neuentwicklungen geordnet nach Wirkungsprinzipien vorgestellt werden.
Arzneimitteltherapie 2007;25:95–102.

Mit dem Begriff „Biologika“ wird eine Klasse medizinischer Therapeutika bezeichnet, welche gezielt basiswissenschaftlich definierte (patho-)biologische Mechanismen und Moleküle benutzen und modulieren, um dadurch Krankheitsprozesse therapeutisch zu beeinflussen. Den Archetypus der Biologika stellen die auf der Grundstruktur humaner Antikörper aufgebauten Tumornekrosefaktor alpha (TNF-α) und Interleukin-1 (IL-1) hemmenden Moleküle dar, die seit einigen Jahren weltweit zur Therapie mehrerer Autoimmunerkrankungen, insbesondere der rheumatoiden Arthritis (RA), zugelassen sind.

Ihre Entwicklung ging auf wegweisende Arbeiten vor allem aus den 1990er Jahren zurück, durch welche die Rolle der immunologischen Botenstoffe TNF und IL-1 erkannt wurde. Die bisher in Deutschland zugelassenen Präparate, die Anti-TNF-α-Biologika Infliximab (Remicade®), Etanercept (Enbrel®) und Adalimumab (Humira®) sowie das IL-1 hemmende Anakinra (Kineret®), sind seither aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit eine unverzichtbare Bereicherung des medikamentösen Arsenals zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen geworden. Dazu gehören in erster Linie die RA (Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Anakinra), die Arthritis psoriatica (Infliximab, Etanercept, Adalimumab), die Spondylitis ankylosans (Infliximab in den USA, Etanercept in Europa und den USA, Adalimumab derzeit in den abschließenden Zulassungsstudien) und die juvenile RA (Etanercept). Infliximab wird außerdem bei M. Crohn angewendet. Auch bei zahlreichen anderen Erkrankungen gibt es viel versprechende Berichte. Eine umfassende Übersicht kann diesbezüglich dem aktuellen Consensus Statement on Biological Agents des Jahres 2005 [1] entnommen werden.

Gleichzeitig stellen diese Biologika einen bisher nicht dagewesenen Markt für die pharmazeutische Industrie dar. Das weltweite Marktvolumen allein der Anti-TNF-α-Biologika wurde für das Jahr 2005 auf über 6 Milliarden US$ geschätzt, was gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs um 30 % bedeutet [2]. Diese Zahlen spiegeln auch die ganz erheblichen Therapiekosten dieser Substanzgruppe wider. So wurden im Mai 2005 die durchschnittlichen Jahrestherapiekosten in den USA auf rund 15 000 US$ veranschlagt, zum Vergleich kostet das inzwischen generisch erhältliche Methotrexat etwa 500 US$ pro Jahr [3]. Diese Kosten sind vor allem durch die intensive Entwicklungsphase und die sehr aufwendigen Herstellungsverfahren bedingt und führen in Zeiten des nicht nur hierzulande zunehmenden Sparzwangs im Gesundheitswesen wiederholt zu kontroversen Diskussionen, wenngleich komplexen gesundsheitsökonomischen Einschätzungen zufolge eine Kosteneffizienz angenommen werden kann [3, 4].

Neben den erheblichen Kosten sind noch weitere, inzwischen aber gut definierte Nachteile zu verzeichnen. Dazu gehört die mangelnde Datenlage zur möglichen teratogenen Wirkung, zum Auftreten demyelinisierender Erkrankungen und zur Langzeitverträglichkeit und -sicherheit bei Therapiedauern über zehn Jahre, insbesondere hinsichtlich schwerwiegender Infekte und Malignome. Des Weiteren besteht die Möglichkeit des Auftretens allergischer Reaktionen, neutralisierender Antikörper, eines Medikamenten-induzierten Lupus oder einer Vaskulitis [1, 5]. Schließlich ist bei einem signifikanten Prozentsatz behandelter Patienten auch eine unzureichende Wirksamkeit sowie teilweise ein Wirkungsverlust unklarer Ursache im Verlauf zu verzeichnen [1, 6], wobei dieser durch einen Wechsel zwischen den TNF-Hemmern bei etwa 50 % der Patienten wieder ausgeglichen werden kann.

Daher besteht weiterhin eine intensive Forschungsaktivität auf dem Gebiet der Biologika-Entwicklung mit dem Ziel, die bisher bekannten Nachteile soweit wie möglich zu überwinden und effektive therapeutische Alternativen zu schaffen. Dementsprechend sind in den vergangenen fünf Jahren zahlreiche Neuentwicklungen zu verzeichnen, von denen einige bereits in den USA kürzlich die Zulassung erhalten haben. Die wichtigsten Substanzen sollen im Folgenden nach ihren Wirkungsprinzipien geordnet vorgestellt werden (Tab. 1).

Die Nomenklatur der Biologika richtet sich dabei nach ihrer molekularen Struktur. Monoklonale Antikörpermoleküle (monoclonal antibody, mAb), die durch Fusion eines in der Maus generierten Antigen-bindenden Fragments (Fab) mit einem Fragment der konstanten Region (Fc) eines humanen Antikörpers entstanden sind, also chimäre Antikörper darstellen, werden mit der Endung „-ximab“ bezeichnet (z. B. Infliximab, Rituximab). Wird dagegen die murine Fab-Sequenz gegen eine Abfolge humaner Aminosäuren ausgetauscht, spricht man von humanisierten Antikörpern, deren Bezeichnungen auf die Silbe „-zumab“ enden (z. B. Tocilizumab, Visilizumab). Wird das gesamte Antikörpermolekül von vornherein gentechnisch aus einer humanen Aminosäuresequenz hergestellt, endet die Bezeichnung auf „-umab“ (z. B. Adalimumab, Denosumab). Diejenigen Biologika, die Rezeptormoleküle darstellen, erhalten die Endsilbe „-cept“ (z. B. Etanercept, Abatacept), Rezeptorantagonisten dagegen erhalten „-ra“ (z. B. Anakinra).

Hemmung von Tumornekrosefaktor alpha

Obwohl drei verschiedene Präparate um den Markt der TNF-α-Hemmer konkurrieren, sind noch weitere Produkte in der Entwicklung bzw. klinischen Prüfung. Dies erscheint aus wissenschaftlicher Sicht aus verschiedenen Gründen sinnvoll. Dazu gehört neben der möglichen Immunogenität der einzelnen Präparate und ihrer aufwendigen Herstellung auch das Phänomen, dass bei individuellen Patienten mit RA eine unterschiedliche Wirksamkeit der verschiedenen Präparate beobachtet werden konnte. Somit kann im Einzelfall bei Versagen einer Substanz die Umsetzung auf eine der beiden anderen durchaus gerechtfertigt sein [1, 7, 8]. Die wissenschaftliche Basis für diese Beobachtung ist noch nicht eindeutig geklärt. In Analogie dazu kann jedoch angenommen werden, dass Substanzen mit anderem Moleküldesign durchaus eine Alternative zu den etablierten Präparaten darstellen könnten.

In der Literatur finden sich Berichte über klinische Studien mit den Präparaten Lenercept, Pegsunercept, Certolizumab pegol (CDP870, Cimzia®) und Golumimab (CNTO148).

Lenercept und Pegsunercept basieren auf löslichen TNF-α-Rezeptoren (sTNF-R), Certolizumab pegol und Golumimab sind rekombinante Antikörpermoleküle. Pegsunercept und Certolizumab pegol unterscheiden sich pharmakologisch von den etablierten Biologika unter anderem dadurch, dass sie nicht mit einem Fc-Fragment eines IgG-Antikörpers gekoppelt sind, sondern mit einem Polyethylenglykol(PEG)-Molekül. Pegylierung kann in Abhängigkeit vom Design und Molekulargewicht des PEG-Moleküls und der Wahl der Fusionsstelle verschiedene Vorteile bieten. Dazu gehören eine längere Serumhalbwertszeit, die Verwendbarkeit weniger aufwendig herzustellender Biologikamoleküle, eine geringe Immunogenität und eine geringe Toxizität [9–11].

Lenercept

Lenercept ist ein Beispiel für ein bisher nicht erfolgreiches Konzept. Obschon in Tiermodellen wirksam, wurde eine Phase-II-Studie bei RA wegen mangelnder Wirksamkeit dieses dimeren p55 sTNF-RI IgG1 Fc-Fusionskonstrukts bereits 1997 abgebrochen. Die Ergebnisse der Dosisfindungsstudie wurden erst 2003 als Originalarbeit publiziert [12]. Daraus geht hervor, dass die Substanz wie in den Phase-I-Studien [13, 14] zwar initial gut wirksam ist, nach wiederholten Gaben jedoch ein Wirkungsverlust zu verzeichnen ist, der möglicherweise durch eine beschleunigte Ausscheidung der Substanz durch nicht-neutralisierende Antikörper bedingt ist.

Pegsunercept

Pegsunercept beruht im Gegensatz zu dem p75 TNF-RII-basierten Etanercept ebenfalls auf dem p55 TNF-RI, ist jedoch ein Monomer und nicht mit einem Fc, sondern mit einem PEG-Molekül verbunden. Ursprünglich wurde aufgrund der verschiedenen biologischen Funktionen der p55 und p75 TNF-R eine bessere Wirksamkeit für p55-basierte Moleküle angenommen [15], da der p55 TNF-RI in vivo eine höhere Affinität für TNF-α besitzt. Allerdings war auch die Wirksamkeit dieser Substanz im Rahmen einer Phase-II-Studie bei RA begrenzt. Obwohl bei 75 % der eingeschlossenen Patienten eine vorbestehende Basistherapie weitergeführt wurde, also de facto eine Kombinationstherapie mit der Studiensubstanz bestand, wurden eine ACR20, ACR50 bzw. ACR70 (20-, 50- bzw. 70%ige Besserung bestimmter Parameter nach Definition des American College of Rheumatology) nach zwölf Wochen Therapie nur bei 45 %, 22 % bzw. 5 % der Probanden der Hochdosisgruppe erreicht. Diese Ergebnisse waren zwar statistisch signifikant, gegenüber Plazebo wurde jedoch der als klinisch relevant erachtete Unterschied von 25 Prozentpunkten nicht erreicht [16]. Demgegenüber betrugen die ACR20-, ACR50- und ACR70-Raten für Etanercept-Monotherapie im Rahmen der TEMPO-Studie nach zwölf Wochen etwa 68 %, 32 % und 10 % [17], so dass Pegsunercept nach den bisher publizierten Daten nicht die gleiche Wirksamkeit zu erzielen scheint wie Etanercept. Allerdings schien sich die erhoffte geringe Immunogenität des Pegsunercept in der Phase-II-Studie zu bestätigen.

Certolizumab pegol

Das humanisierte Certolizumab pegol erscheint demgegenüber deutlich viel versprechender. Der Hersteller UCB hat daher unlängst basierend auf den Ergebnissen der bisher nur in Abstract-Form publizierten Phase-III-Studie PRECiSE2 und einer Phase-II-Studie [18] bei M. Crohn die Zulassung des Präparats bei der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) beantragt. Die Ergebnisse der Phase-II-Studie waren jedoch schwierig zu beurteilen, da eine unerwartet hohe Plazebo-Ansprechrate von 35,6 % zu verzeichnen war. Die endgültige Publikation der Phase-III-Daten bleibt daher abzuwarten. Weitere Studien zu Certolizumab pegol bei M. Crohn laufen derzeit oder sind angemeldet [19]. Das Gleiche gilt für Certolizumab pegol zur Therapie der RA, hier sind ebenfalls Phase-III-Studien begonnen worden. Die Phase-II-Ergebnisse zeigen nach acht Wochen ACR20- und ACR50-Ansprechraten von 75 % und 50 % in der Hochdosisgruppe, was durchaus mit den Ergebnissen etablierter Anti-TNF-Biologika vergleichbar ist [11]. Das Auftreten von Anti-Certolizumab-Antikörpern wird als gering angegeben, ist bis jetzt jedoch nicht näher spezifiziert.

Golimumab

Golimumab ist wie Adalimumab ein humaner Antikörper. Die Ergebnisse einer Phase-II-Studie bei RA wurden auf dem Jahreskongress des American College of Rheumatology 2005 vorgestellt. Auch bei diesem Präparat liegen die ACR20-, ACR50- und ACR70-Ansprechraten nach 16 Behandlungswochen mit 62 %, 31 % und 12 % gegenüber 37 %, 6 % und 0 % bei Plazebo in einem mit den etablierten Biologika vergleichbaren Bereich.

Hemmung von Interleukin 6

Interleukin 6 (IL-6) ist ein pleiotropes Zytokin, das bei zahlreichen biologischen Prozessen eine Rolle spielt. Für die Autoimmunerkrankungen sind insbesondere die stimulierenden Wirkungen auf die B-Zell-Reifung und Antikörperproduktion, auf den Knochenabbau durch Osteoklasten und auf die Produktion von Akut-Phase-Proteinen durch die Leber bedeutsam. Bei der RA ist eine vermehrte IL-6-Produktion im Synovium nachzuweisen, die IL-6-Serumspiegel korrelieren mit klinischen und laborchemischen Parametern der Krankheitsaktivität [20].

Tocilizumab

Derzeit ist die Datenlage zur IL-6-Blockade mit dem humanisierten IL-6-Rezeptorantikörper Tocilizumab (MRA, ActemRA®) am besten, das Präparat wird in mehreren Phase-III-Studien geprüft. Darüber hinaus gibt es auch Berichte zur Wirksamkeit von Tocilizumab bei systemischer juveniler Arthritis [21, 22], beim M. Crohn [23], der Castleman Disease [24] und der immunhämolytischen Anämie [25].

Die Phase-I- und -II-Studien mit Tocilizumab-Monotherapie der RA bei multiplen Basistherapie-Versagern zeigten insgesamt eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit sowie eine lang anhaltende Wirkung [26–28]. Die bisher nachgewiesenen Wirkungen umfassen eine vollständige Normalisierung der systemischen Entzündungsparameter bei 76 % der Probanden und ACR20-,
ACR50- und ACR70-Ansprechraten nach zwölf Wochen von 78 %, 40 % und 16 % bei Tocilizumab in der 8-mg/kg-Dosierung gegenüber 11 %, 2 % und 0 % bei Plazebo [27]. Das Intervall bis zum Verlust der ACR50-Wirksamkeit nach Aussetzen der Therapie bei ACR50- und ACR70-Respondern betrug in einer kleinen Gruppe von fünf Probanden zwischen 3 und 22 Monaten [28]. Bemerkenswert ist auch die Beobachtung, dass unter der Tocilizumab-Therapie Serummarker des Knochenabbaus sowie die Matrix-Metalloproteinase-3 rückläufig waren, während Serummarker des Knochenaufbaus stiegen.

Die bisher bekannten wesentlichen Nebenwirkungen sind ein Anstieg von Gesamt- und HDL-Cholesterol, der Triglyceride (44 % der Probanden), von Transaminasen (12,8 %) sowie eine Leukopenie [27]. Im Rahmen der japanischen Phase-II-Studie [27] kam es nach einmaliger Gabe von Tocilizumab zu einer letalen Reaktivierung einer vorbestehenden Epstein-Barr-Virusinfektion. Insgesamt erscheint Tocilizumab bisher jedoch eine der vielversprechendsten Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Biologika zur Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen zu sein.

Hemmung andere Zytokine

Aufgrund der guten Erfolge der therapeutischen Zytokinhemmung werden derzeit in „Bench-to-bedside“-Ansätzen weitere zentrale proinflammatorische Zytokine auf ihre Eignung als therapeutische Ziele hin untersucht. Dazu gehören unter anderem IL-2, IL-12, IL-15, IL-17 und IL-18.

Interleukin 2 (IL-2)

IL-2 ist ein wesentliches Stimulans für T-Lymphozyten. Unter der Vorstellung einer Hemmung der T-Zell-Effektorfunktion durch IL-2-Blockade wurden die Anti-CD25 (Anti-IL-2-Rezeptor)-Antikörper Basiliximab (Simulect®) und Daclizumab (Zenapax®) bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen getestet.

Basiliximab

Durch die kombinierte Gabe des chimären Basiliximab in Verbindung mit Glucocorticoiden konnte in einer kleinen Serie von zehn Patienten mit steroidrefraktärer Colitis ulcerosa über 24 Wochen bei neun Patienten eine zumindest transiente Remission erreicht werden [29]. Als Wirkungsmechanismus wird eine „Steroidsensibilisierung“ diskutiert, da T-Zellen durch IL-2-Stimulierung weniger Steroid-empfindlich werden.

Besonders bemerkenswert ist ein Fallbericht über eine erfolgreiche Anwendung von Basiliximab bei der systemischen Sklerose, für die es bisher keine wirksame, etablierte Basistherapie gibt. Durch die kombinierte Gabe von Basiliximab und Cyclophosphamid konnte bei einer Patientin mit schwerem systemischem Verlauf ein komplettes Abheilen von Fingerkuppen-Ulzera und eine deutliche, lang anhaltende Abnahme der Hautverdickung (Abnahme des Rodnan Skin Score von 24 auf 19) erzielt werden [33]. Ausgehend von diesem Befund wurde daher von der Berliner Arbeitsgruppe eine Pilotstudie eingeleitet.

Daclizumab

Demgegenüber konnte in einer Phase-II-Studie mit dem humanisierten Anti-CD25-Antikörper Daclizumab bei 159 randomisierten Patienten mit Colitis ulcerosa keine Wirksamkeit gegenüber Plazebo nachgewiesen werden [30].

Größeren Erfolg verspricht jedoch die Anwendung von Daclizumab bei der multiplen Sklerose (MS). In einer offenen Phase-II-Studie wurde bei 78 % der eingeschlossenen Patienten nach Versagen von Interferon beta eine verminderte Bildung neuer MR-tomographisch sichtbarer Läsionen sowie eine signifikante klinische Besserung beobachtet [31]. Dieselbe Arbeitsgruppe beschreibt in einer aktuellen Studie für die Wirksamkeit von Daclizumab einen anderen Mechanismus. Die Substanz scheint weniger über eine funktionelle Blockade von T-Zellen zu wirken, sondern vielmehr eine Expansion CD56+-natürlicher Killer(NK)-Zellen zu induzieren, die ein Überleben pathogener T-Zellen hemmen [32]. Derzeit werden weitere klinische Phase-II-Studien bei MS aber auch bei Psoriasis und beim M. Wegener durchgeführt.

Interleukin 12 (IL-12)

Gegen IL-12 wurden zwei vollhumane Antikörper, ABT-874 und CNTO 1275, entwickelt, die sich derzeit in Phase-II-Studien befinden. Beide werden bei Psoriasis, M. Crohn und MS evaluiert, CNTO 1275 auch bei Psoriasisarthritis [19].

Interleukin 15 (IL-15)

Der monoklonale Anti-IL-15-Antikörper AMG 714 zeigte in einer Phase-II-Studie nach 12 Wochen eine signifikant höhere ACR20-Ansprechrate von 62 % gegenüber 26 % bei Plazebo [34].

Zu den anderen Interleukinen liegen bisher nur Grundlagen-Daten vor.

Beeinflussung von Lymphozyten

T- und B-Lymphozyten stellen durch ihre zentrale Rolle in der Physiologie und Pathophysiologie des Immunsystems sehr attraktive therapeutische Ziele dar. Dabei wurde den T-Zellen lange Zeit das größere wissenschaftliche Interesse zuteil, so dass es nicht verwundert, dass derzeit zahlreiche T-Zell-modulierende Biologika in der Entwicklung sind, während im Bereich der B-Zell-Forschung derzeit mit Rituximab nur ein Präparat zur Verfügung steht.

Beeinflussung von T-Zellen

Anti-CD3-Antikörper

Die scheinbar einfachste therapeutische Option bieten depletierende Antikörper. Während dieses Prinzip mit Rituximab inzwischen erfolgreich eingesetzt werden konnte, hat sich die therapeutische T-Zell-Depletion mit Anti-CD4-Antikörpern bei Autoimmunerkrankungen wegen unzureichender Wirkung und schweren Nebenwirkungen nicht erfolgreich vom Tiermodell auf den Menschen übertragen lassen [35].

Positiver sind dagegen bisher die Erfahrungen mit humanisierten, nicht-mitogenen, nicht-depletierenden Anti-CD3-Antikörpern. Die Verwendung von Anti-CD3-Antikörpern reicht in die Transplantationsmedizin der frühen 1980er Jahre zurück [36]. Damals wurde der murine Anti-human-CD3-Antikörper OKT3 zur Behandlung von Abstoßungsreaktionen entwickelt. Die Anwendung dieser Substanz wurde jedoch durch ihre Immunogenität und Mitogenität kompliziert, es kam einerseits zur Bildung neutralisierender Anti-OKT3-Antikörper und andererseits zu einer T-Zell-Proliferation und Aktivierung mit Freisetzung von Zytokinen, was zu teils schweren grippeähnlichen Krankheitserscheinungen führte („cytokine release syndrome“).

Diese Nachteile konnten durch die Entwicklung einer humanisierten, nicht mehr Fc-Rezeptor(FcR)-bindenden Variante, hOKT3γ1(Ala-Ala), überwunden werden [36, 37]. Die immunologischen Wirkungsmechanismen dieses Antikörpers sind dabei ausgesprochen attraktiv und gegenüber den anderen in dieser Arbeit vorgestellten Therapeutika hinsichtlich des Risikos deletärer Nebenwirkungen potenziell überlegen, da der zentrale Mechanismus die Induktion einer Antigen-spezifischen Immuntoleranz ist [36]. Wenngleich noch nicht alle Wirkungen vollständig entschlüsselt wurden, haben basiswissenschaftliche Untersuchungen jedoch gezeigt, dass der therapeutische Effekt der Anti-CD3-Antikörper wahrscheinlich in zwei Phasen abläuft. Initial kommt es zum einen zu einer Apoptose aktivierter pathogener T-Helfer-Typ-1(Th1)-Zellen („activation-induced cell death“, AICD), zum anderen zu einer Herunterregulierung der T-Zell-Rezeptor(TCR)-Expression durch Internalisierung der Anti-CD3-TCR-Komplexe (Anergisierung) und auch zu einem transienten Auftreten Th2-polarisierter, IL-4-produzierender T-Zellen. In einer zweiten, lang anhaltenden Phase entwickelt sich, auch nach Absetzen der Anti-CD3-Antikörper, eine aktive Immuntoleranz durch das Auftreten TGF-β-abhängiger regulatorischer CD4+ T-Zellen [36]. Nach neuesten Untersuchungen spielen offenbar auch durch die Anti-CD3-Antikörper aktivierte, CD8+ regulatorische T-Zellen eine bedeutsame Rolle. Diese Zellen exprimieren die IL-2-Rezeptor-Untereinheit CD25 und den Transkriptionsfaktor Forkhead Box p3 (Foxp3), welche als phänotypische Marker regulatorischer T-Zellen gelten, und agieren durch Kontaktinhibition [38]. Unklar ist bislang noch, wie lange diese Toleranzphase anhält und welche therapeutischen Maßnahmen bei Abklingen der Toleranz zu ergreifen wären.

Diese Befunde stammen zum großen Teil aus der Diabetesforschung mit dem Tiermodell der NOD-Maus. Eine klinisch wegweisende Phase-I/II-Studie wurde daher auch bei Diabetes mellitus Typ I mit 42 Patienten durchgeführt, bei denen die Diagnose durch positiven Anti-GAD65-, Anti-ICA512- und/oder Anti-Insulin-Antikörpernachweis gesichert war. [37, 39]. Die Autoren konnten zeigen, dass ein einzelner Behandlungszyklus mit täglicher Antikörper-Applikation über 12 bis 14 Tage eine mindestens zwei Jahre anhaltende signifikante Wirksamkeit besitzt. Die Behandlung erzielte bei der Mehrzahl der Patienten eine anhaltende C-Peptid-Reaktion auf eine Testmahlzeit, signifikant niedrigere HbA1c-Spiegel und einen signifikant niedrigeren Bedarf an exogenem Insulin. Während der gesamten zweijährigen Beobachtungsphase wurden keine weiteren Immunsuppressiva verabreicht.

Mit Visilizumab (Nuvion®), einem dem hOKT3γ1(Ala-Ala) strukturell ähnlichen, ebenfalls nicht FcR-bindenden Antikörper, wurden ebenfalls Phase-I/II-Studien bei Arthritis psoriatica und Colitis ulcerosa durchgeführt [40, 41]. Weitere Studien zum M. Crohn und zur Colitis ulcerosa wurden aktuell begonnen.

Anti-Integrin Antikörper

Statt pathogene T-Zellen zu eliminieren oder Toleranz zu induzieren, gibt es auch Ansätze, die T-Zell-Infiltration der Zielgewebe, beispielsweise des zentralen Nervensystemn (ZNS) bei der MS oder der intestinalen Mukosa beim M. Crohn, zu hemmen. Die Extravasation und damit der Zugang von Entzündungszellen zu den Geweben werden im Wesentlichen durch Integrine vermittelt. Das α4β1-Integrin auf der Oberfläche der Lymphozyten interagiert hierbei mit dem vaskulären Adhäsionsmolekül („vascular cell adhesion molecule 1“, VCAM-1), das vermehrt auf aktivierten Endothelzellen in entzündeten Geweben exprimiert wird. So können T-Zellen bei der MS die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Bei M. Crohn scheint zudem ein mukosales „Homing“ der T-Zellen durch Bindung von α4β7-Integrin an mukosales Adressin-Zelladhäsionsmolekül von Bedeutung zu sein. Im Gewebe kann dann die Interaktion von α4β1 mit Matrixliganden wie Fibronektin und Osteopontin das Überleben und die Aktivierung von Lymphozyten vermitteln [42, 43].

Natalizumab

Der humanisierte monoklonale Antikörper Natalizumab (Tysabri®) ist gegen die α4-Integrin-Untereinheit gerichtet und behindert so die Interaktion der α4-Integrine mit ihren Liganden. Die Wirksamkeit dieses therapeutischen Prinzips wurde bisher bei der MS [43, 44] und beim M. Crohn [42, 45] nachgewiesen. Bei der Colitis ulcerosa scheint die Substanz weniger gut wirksam zu sein als beim M. Crohn [40], zur Anwendung bei RA werden derzeit klinische Studien durchgeführt.

Die gute Wirksamkeit als Monotherapie und als Kombinationstherapie mit Interferon beta 1a bei der MS führte schon nach der Interimsanalyse der beiden großen Phase-III-Studien AFFIRM [43] und SENTINEL [44] zu einer beschleunigten Zulassung für MS durch die FDA im November 2004, da die Studien nachweisen konnten, dass durch Natalizumab das Fortschreiten der Erkrankung, die Rezidivrate und das Auftreten neuer MR-tomographisch nachweisbarer Läsionen signifikant reduziert wird. Am 28.02.05 wurde die Zulassung jedoch kurzfristig aufgehoben, nachdem zwei Erkrankungsfälle der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) bekannt geworden waren. Diese wird verursacht durch das humane Polyomavirus JC-Virus (JC steht für die Initialen des Patienten, bei dem das Virus zum ersten Mal beobachtet wurde). Eine der Infektionen verlief letal [46, 47]. Wenig später wurde auch ein Todesfall eines Patienten bekannt, der wegen M. Crohn mit Natalizumab behandelt worden war [48].

Der Pathomechanismus der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) bei Natalizumab-Therapie ist derzeit noch unklar. Diskutiert werden eine behinderte Migration von CD4+ und CD8+ Lymphozyten in das infizierte Hirngewebe sowie eine Störung der Blut-Hirn-Schranke, welche das Eindringen von JC-Viren begünstigt [44, 48]. Eine latente JC-Virusinfektion ist bei immerhin 70 bis 75 % der Bevölkerung nachweisbar, und 80 % bis 90 % der Fälle von PML verlaufen letal. Dennoch konnten in einer weitergehenden Analyse von über 3 000 in den Studien zu MS, M. Crohn und RA behandelten Patienten keine weiteren PML-Erkrankungsfälle festgestellt werden [49]. Damit ergibt sich eine geschätzte Inzidenz der PML bei Natalizumab-Exposition von 1 : 1 000 bei einer mittleren Behandlungsdauer von 17,9 monatlichen Gaben von Natalizumab. Die FDA hat daher im Februar 2006 die Fortsetzung von Open-Label-Studien gestattet. Ähnlich der anfangs unerwarteten Fälle von Tuberkulose-Reaktivierung unter Anti-TNF-α-Therapie zeigt auch diese Komplikation, dass Eingriffe in das Immunsystem mit hochpotenten Therapeutika nicht unterschätzt werden dürfen.

Im Juni 2006 hat die FDA Natalizumab unter besonderen Sicherheitsauflagen wieder zugelassen. Auch die EMEA hat Natalizumab im Juli 2006 zugelassen bei hochaktiver schubförmig remittierender MS bei Patienten, die trotz Therapie mit Interferon beta eine hohe Krankheitsaktivität haben, und bei Patienten mit rasch fortschreitender Erkrankung.

Hemmer der Co-Stimulation

Eine weitere Strategie zur Modulierung T-Zell-abhängiger Immunprozesse ist eine Hemmung der Interaktion zwischen T-Zellen und Antigen-präsentierenden Zellen (APC), ohne die eine Antigen-abhängige T-Zell-Aktivierung nicht möglich ist. Die größten Fortschritte wurden hierbei mit dem CTLA-4-IgG1-Fc-Fusionsmolekül Abatacept erzielt.

Abatacept

Abatacept (Orencia®) wurde im Dezember 2005 von der FDA auf der Basis mehrerer erfolgreicher Studien [50–52] zur Behandlung der therapierefraktären RA (Versagen von mindestens einem Basistherapeutikum) zugelassen. Eine 12-monatige Phase-IIb-Studie hat in der Dosierung von 10 mg/kg ein ACR20-, ACR50- und ACR70-Ansprechen von jeweils 62,6 %, 41,7 % und 20,9 % gegenüber Plazebo (36,1 %, 20,2 % und 7,6 %) gezeigt [51]. Bei Anti-TNF-Versagern betrugen die Ansprechraten immerhin noch 50,4 %, 20,3 % und 10,2 % gegenüber 19,5 %, 3,8 % und 1,5 % [52]. Neuere Studien zeigen zudem eine signifikante Besserung des allgemeinen Gesundheitszustands gemäß des Medical Outcomes Study Short Form-36 Health Survey (SF-36) und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (health-related quality of life, HRQL) für Abatacept in Verbindung mit Methotrexat (MTX) gegenüber MTX plus Plazebo [52, 53] sowie eine protektive Wirkung von Abatacept gegenüber fortschreitender Knochendestruktion [54]. Die Verträglichkeit und Sicherheit sind nach den bisherigen Studiendaten als gut und vergleichbar den anderen Basistherapeutika einzustufen. Die Infektionsrate ist bei Abatacept im Vergleich zu Plazebo erhöht [52], und eine Kombination von Abatacept mit einem Anti-TNF-α-Biologikum kann daher nicht empfohlen werden. Über das Risiko für schwere Infektionen und Malignome kann bisher aufgrund mangelnder statistischer Power der vorliegenden Studien keine sichere Aussage gemacht werden. Insgesamt stellt sich Abatacept bisher jedoch als eine wertvolle therapeutische Alternative dar, insbesondere bei mangelndem Ansprechen oder Unverträglichkeit der Anti-TNF-α-Biologika.

Die Wirkung von Abatacept beruht auf der Notwendigkeit einer so genannten Co-Stimulation für die vollständige Antigen-abhängige Aktivierung von Effektor-T-Zellen. Eine Haupthistokompatibilitäts-Komplex-Klasse-II-(Major histocompatibility complex class II, MHCII)-vermittelte Antigen-Präsentation durch APC und den T-Zell-Rezeptor („Signal 1“) führt nur in Verbindung mit der Interaktion zwischen den co-stimulatorischen Molekülen CD80/CD86 auf den APC und CD28 auf den T-Zellen („Signal 2“) zu einer vollständigen Aktivierung und klonalen Expansion der Antigen-spezifischen T-Zellen. Fehlt diese Co-Stimulation, so werden die T-Zellen funktionell anerg. Das zytotoxische T-Lymphozyten-assoziierte Antigen 4 (CTLA-4) wird von aktivierten T-Zellen hochreguliert und bindet ebenfalls an CD80 und CD86, jedoch mit höherer Affinität, so dass es eine autoregulatorische Funktion gegenüber der CD28-abhängigen Aktivität besitzt. Die kompetitive Bindung des rekombinanten CTLA-4-IgG1-Fc Abatacept an CD80/86 verhindert somit eine CD28-abhängige Co-Stimulation pathogener T-Zellen und bewirkt eine Minderung der entzündlichen Aktivität, eine Reduktion zahlreicher pro-inflammatorischer Zytokine und Chemokine und im Tiermodell auch einen Rückgang der Zahl aktivierter Osteoklasten [54].

Alefacept und Efalizumab

Auch die Substanzen Alefacept (Amevive®) und Efalizumab (Raptiva®) interferieren mit der T-Zell-APC-Interaktion. Das LFA-3-IgG1-Fc-Fusionsmolekül Alefacept hemmt die Interaktion von CD2 auf der T-Zelloberfläche mit dem Lymphozyten-Funktions-Antigen-3 (LFA-3) auf APC und vermittelt durch Bindung an FcγRIII auf NK-Zellen eine T-Zell-Apoptose [55]. Die Substanz ist zur Therapie der Psoriasis zugelassen und möglicherweise auch bei der Arthritis psoriatica wirksam [56]. Dagegen konnte bei der Psoriasisarthritis durch Anwendung des Anti-LFA-1-Antikörpers Efalizumab, der die Interaktion von LFA-1+-T-Zellen mit ICAM-1+-APC blockiert, keine signifikante Wirkung gegenüber Plazebo erzielt werden [57].

Beeinflussung von B-Zellen

Rituximab

Rituximab (MabThera®/Rituxan®), ein bereits seit 1997 von der FDA für die Behandlung von B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen (NHL) zugelassener, depletierender, chimärer Anti-CD20-Antikörper, wurde Anfang 2006 von der FDA in den USA und im Sommer 2006 in Deutschland auch zur Behandlung der RA zugelassen. Den Anstoß zur Verwendung von Rituximab bei der RA gaben ein in den letzten Jahren gleichsam exponentiell angestiegenes Interesse der Immunologen an der Rolle der B-Zellen bei Autoimmunerkrankungen und eine Pilotstudie mit Rituximab in Verbindung mit Cyclophosphamid und Prednisolon bei RA, die sich an dem onkologischen R-CHOP-Schema (Rituximab, Cyclophosphamid, Hydroxydoxorubicin, Onkovin = Vincristin und Prednisolon) für die B-NHL orientierte und bei allen Patienten mindestens ein ACR50-Ansprechen erzielte [58]. Inzwischen hat sich die Kombination von Rituximab mit MTX als gleichwertig wirksam zu Rituximab plus Cyclophosphamid erwiesen, so dass auf die Anwendung des deutlich belastenderen Cyclophosphamids verzichtet werden kann [59]. Die entsprechende Phase-II-Studie [59] erbrachte bei sehr guter Verträglichkeit ACR20-, ACR50- und ACR70-Raten von etwa 71 %, 40 % und 21 % für die Kombinationsbehandlung aus MTX plus Rituximab im Vergleich zur MTX-Monotherapie (38 %, 12 % und 5 %). Ähnlich gute Ergebnisse erbrachte auch eine Phase-I/II-Studie zur Anwendung von Rituximab nach Versagen von mindestens einem Basistherapeutikum einschließlich der TNF-α-Biologika [60].

Da mit Ausnahme des Rheumafaktors (RF) die Immunglobulinspiegel nicht signifikant vermindert werden, ist das Infektionsrisiko nicht höher als bei TNF-Hemmern einzuordnen. Auch aus der Onkologie sind die Erfahrungen mit der Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz bei nahezu 1 Million behandelten Patienten insgesamt sehr gut. Das Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil der Substanz ist dadurch charakterisiert, dass das Oberflächenantigen CD20, dessen Funktion bisher nicht vollständig geklärt ist, hochgradig spezifisch für alle B-Zell-Entwicklungsstufen von der Prä-B-Zelle bis zur reifen B-Zelle ist. Auf ausdifferenzierten, Antikörper-produzierenden Plasmazellen wird CD20 jedoch nicht mehr exprimiert [61].

Der Effekt der Rituximab-Therapie bei der RA hält nach zwei Infusionen zu je 1 000 mg im Abstand von zwei Wochen im Durchschnitt zwischen vier und neun Monaten an. Neben den kontrollierten, randomisierten Studien zur RA gibt es inzwischen zahlreiche Fallberichte und offene Studien zur Anwendung bei einer breiten Palette von Autoimmunerkrankungen, unter anderem beim systemischen Lupus erythematodes (SLE), dem M. Wegener, der Glomerulonephritis, der Polymyositis/Dermatomyositis, der essenziellen Kryoglobulinämie, der idiopathischen thrombozytopenischen Purpura, der MS und der IgM-vermittelten peripheren Neuropathie [62]. Entsprechend wurden randomisierte klinische Studien bei SLE, Poly-/Dermatomyositis und ANCA-positiver Vaskulitis initiiert.

Zahlreiche Fragen sind jedoch noch offen. Dazu gehören neben dem detaillierten Wirkungsmechanismus der Rituximab-vermittelten B-Zell-Depletion auch noch eine Reihe klinisch-praktischer Überlegungen. So ist noch unklar, ob, zu welchem Zeitpunkt und wie häufig die Behandlung mit Rituximab wiederholt werden kann und/oder sollte. Das Wiederauftreten von B-Zellen im peripheren Blut geht bei einem substanziellen Anteil der Behandelten mit einem Rezidiv einher und könnte somit eventuell als Biomarker herangezogen werden. Es wäre andererseits auch eine Möglichkeit, Rituximab zunächst nur zur Remissionsinduktion heranzuziehen und anschließend die Behandlung mit konventionellen Basistherapeutika fortzusetzen. Zudem ist noch unklar, ob die Entwicklung humaner anti-chimärer Antikörper (HACA) möglicherweise eine häufige Wiederholung der Therapie verhindern könnte. Dann wären humanisierte Anti-CD20-Antikörper die bessere Wahl. Andererseits wäre aufgrund des bisher guten Sicherheitsprofils der Substanz auch ein Einsatz als First-Line-Therapie denkbar.

Modulation intraartikulärer Prozesse

Die immunvermittelten Arthritiden, insbesondere die RA, sind gegenüber anderen Autoimmunerkrankungen durch zwei Spezifika charakterisiert: die pathologische Proliferation des entzündlich aktivierten Synoviums und die ossäre Destruktion in Form von Erosionen. Aus diesen Charakteristika ergeben sich weitere therapeutische Ansatzpunkte, die Angiogenese innerhalb des proliferierenden Synoviums, und die knochenabbauenden Prozesse.

Angiogenese

Das aktivierte Synovium der RA benötigt für sein aggressives Wachstum eine ausreichende Gefäßversorgung. Entsprechend konnte die Expression zahlreicher pro-angiogenetischer Botenstoffe und Wachstumsfaktoren, insbesondere Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF), im rheumatischen Synovium nachgewiesen werden. Ausgehend von Studien, in denen eine signifikante Hemmung experimenteller Arthritiden durch Angiogenese-Hemmung gezeigt werden konnte, werden derzeit antiangiogenetische Strategien zur Behandlung der RA entwickelt. In Phase-II-Studien befinden sich der Anti-Integrin-αVβ3-Antikörper MEDI-522 [63] sowie das bereits für andere Indikationen zugelassene Bevacizumab (Avastin®).

Knochenabbau

Zum Verständnis der Pathophysiologie des Knochenabbaus bei der RA hat ganz wesentlich die Entdeckung des RANK/RANKL/OPG-Systems beigetragen. Receptor Activator of Nuclear Factor κB (RANK) ist ein Rezeptor, der auf Osteoklasten und deren Vorstufen exprimiert wird. Bindung des Liganden RANKL, der bei der RA unter anderem von aktivierten synovialen Fibroblasten unter dem Einfluss der pro-inflammatorischen Zytokine IL-1, IL-6 und TNF vermehrt freigesetzt wird, an RANK führt zu einer vermehrten Ausreifung und Aktivierung von Osteoklasten in entzündeten Gelenken und somit zur Entwicklung von Erosionen. Osteoprotegerin (OPG) ist dagegen ein löslicher „Scheinrezeptor“ („decoy receptor“), der regulative Funktion besitzt, indem er RANKL bindet und somit die Bindung an RANK+-Zellen hemmt [64].

Somit ist RANKL ein attraktives Therapieziel im Hinblick auf die nach wie vor neuralgische Komplikation der ossären Destruktion bei chronischer RA. Klinisch getestet wurden bisher zwei Biologika mit recht gutem Erfolg. Dabei handelt es sich zum einen um ein OPG-Fc-Fusionsmolekül und zum anderen um den vollhumanen Anti-RANKL-Antikörper Denosumab (AMG 162).

OPG-Fc erwies sich bei postmenopausaler Osteoporose [65] und ossär metastasiertem multiplem Myelom bzw. Mammakarzinom [66] als wirksam. Denosumab hat bei der postmenopausalen Osteoporose die Phase III erreicht [67] und wird derzeit auch bei der RA getestet.

Sowohl für die antiangiogenetischen als auch für die antiosteolytischen Biologika muss die weitere Entwicklung zunächst abgewartet werden. Das jeweilige Konzept erscheint grundsätzlich praktikabel, wirksam und verträglich zu sein, doch ist eine weitergehende Beurteilung zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Als mögliche Sicherheitsbedenken werden bei der Anwendung von OPG eine mögliche pro-neoplastische Wirkung durch Stimulation des TNF-Related Apoptosis-Inducing Ligand (TRAIL) diskutiert und bei der RANKL-Blockade eventuelle nachteilige Wirkungen auf die Funktion dendritischer Zellen und peripherer Lymphknoten [64]. Möglicherweise stellt die Kombination eines osteoprotektiven Biologikums mit einem primär entzündungshemmenden Biologikum (z. B. TNF-Hemmer) aber eine ideale Kombination für die Zukunft dar.

Zusammenfassung

Ausgehend von neuen Befunden der immunologischen Grundlagenforschung und dem großen Erfolg der Anti-TNF-α-Biologika wurden zahlreiche neue Biologika entwickelt. Die wichtigsten Vertreter mit in randomisierten Studien nachgewiesener Wirksamkeit sind der IL-6R-Antagonist Tocilizumab, modifizierte Anti-CD3-Antikörper, das CTLA-4-IgG-Fc-Molekül Abatacept sowie der B-Zell-depletierende Antikörper Rituximab. Von diesen Substanzen sind bisher Abatacept und Rituximab für die Anwendung bei Autoimmunerkrankungen in den USA zugelassen. Die Zulassung in Deutschland ist für Rituximab kürzlich erfolgt und ist für Abatacept in naher Zukunft zu erwarten. Auch für Tocilizumab ist von einer baldigen Zulassung auszugehen. Diese hochpotenten Therapeutika werden sicherlich nicht nur einen entscheidenden Fortschritt bei der Behandlung therapierefraktärer, insbesondere TNF-α-Blockade-refraktärer Krankheitsverläufe darstellen, sondern auch die patientenoptimierte Primärtherapie nicht nur bei der rheumatoiden Arthritis verbessern.


Literatur

Im Internet unter www.arzneimitteltherapie.de > Inhalt > 2007 > Heft 3

Dr. Ingo H. Tarner, Dr. Johannes Strunk, Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Lehrstuhl für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, Benekestr. 2–8, 61231 Bad Nauheim, E-Mail: i.tarner@kerckhoff-klinik.de


Literatur

Literaturverzeichnis als PDF

Dr. Ingo H. Tarner, Dr. Johannes Strunk, Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner, Lehrstuhl für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, Abteilung für Rheumatologie und klinische Immunologie, Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim, Benekestr. 2–8, 61231 Bad Nauheim, E-Mail: i.tarner@kerckhoff-klinik.de


Tab. 1. Neue Biologika zur Therapie chronisch-entzündlicher und autoimmuner rheumatischer Erkrankungen

Wirkstoff

Wirkungsprinzip

Indikationen und klinisches Entwicklungsstadium

TNF-α-Hemmer

Lenercept

Löslicher TNF-α-Rezeptor

– RA: Phase-II-Studie wegen mangelnder Wirkung abgebrochen

Pegsunercept

Löslicher TNF-α-Rezeptor

– RA: Ergebnisse einer Phase-II-Studie sind im indirekten Vergleich mit Etanercept enttäuschend, dafür geringe Immunogenität

Certolizumab pegol
(Cimzia®)

Rekombinanter humanisierter

TNF-α-Antikörper

– Morbus Crohn: Viel versprechende Ergbenisse in Phase-II- und III-Studien (noch nicht vollständig publiziert); Zulassung bei der FDA beantragt;

– RA: Phase-III-Studien laufen

Golimumab

Humaner TNF-α-Antikörper

– RA: Phase-II-Studien bei RA zeigen mit den etablierten Biologika vergleichbare Ergebnisse

Hemmung von IL-6

Tocilizumab (ActemRA®)

Humanisierter IL-6-Rezeptor-

antikörper

– RA: Mehrere Phase-III-Studien bei RA laufen;

– Andere Indikationen: positive Berichte zur Anwendung bei juveniler Arthritis, Morbus Crohn, Castleman disease und immunhämolytischer Anämie

Hemmung von IL-2

Basiliximab (Simulect®)

Chimärer Anti-CD25-Antikörper

– Colitis ulcerosa: Fallberichte; bei 9 Patienten wurden durch kombinierte Gabe mit Glucocorticoiden bei steroidrefraktärer Colitis ulcerosa transiente Remissionen erreicht

Daclizumab (Zenapax®)

Humanisierter Anti-CD25-Antikörper

– Colitis ulcerosa: Keine Wirksamkeit in randomisierter Studie bei 159 Patienten

– Multiple Sklerose: viel versprechende Ergebnisse in offener Phase-II-Studie; weitere Studien werden durchgeführt

– Andere Indikationen: Phase-II-Studien bei Psoriasis und Morbus Wegener laufen

Hemmung von IL-12

ABT-874

Humaner Antikörper

Phase-II-Studien laufen bei: Morbus Crohn, Psoriasis, multipler Sklerose

CNTO 1275

Humaner Antikörper

Phase-II-Studien laufen bei: Morbus Crohn, Psoriasis, Psoriasisarthritis, multipler Sklerose

Hemmung von IL-15

AMG 714

Monoklonaler Anti-IL-15-Antikörper

– RA: In einer Phase-II-Studie zeigen sich signifikant höhere Ansprechraten als mit Plazebo

Beeinflussung von T-Zellen

hOKT3γl (Ala-Ala)

Anti-CD3-Antikörper

– Basiswissenschaftliche Untersuchungen laufen

– Diabetes mellitus Typ I: Phase-I- und -II-Studien laufen

Visilizumab (Nuvion®)

Anti-CD3-Antikörper

– Basiswissenschaftliche Untersuchungen laufen

– Athritis psoriatica: Phase-I- und -II-Studien laufen

– Colitis ulcerosa: Phase-I- und -II-Studien laufen

Natalizumab (Tysabri®)

Anti-Integrin Antikörper

– MS: Zulassung in Kombination mit Interferon beta bereits 2004, Marktrücknahme 2005 wegen Fällen von progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie; 2006 erneute Zulassung unter bestimmten Sicherheitsvorkehrungen

– Morbus Crohn: Studien werden durchgeführt

– RA: Studien werden durchgeführt

Abatacept (Orencia®)

Hemmung der Interaktion zwischen
T- und Antigen-präsentierenden Zellen

– RA: FDA-Zulassung 2005 basierend auf Phase-II-Studienergebnissen

Alefacept (Amevive)

Hemmung der Interaktion zwischen
T- und Antigen-präsentierenden Zellen

– Psoriasis: zugelassen (FDA)

– Arthritis psoriatica: möglicherweise wirksam

Efalizumab (Raptiva®)

Hemmung der Interaktion zwischen
T- und Antigen-präsentierenden Zellen

– Psoriasis vulgaris vom Plaque-Typ: zugelassen nach Versagen anderer Therapien

Beeinflussung von B-Zellen

Rituximab (MabThera®)

B-Zell-Depletion (genauer Wirkungsmechanismus unbekannt)

– B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphom: FDA-Zulassung 1997

– RA: Zulassung 2006

– Weitere Indikationen: Systemischer Lupus erythematodes, Glomerulonephritis, Polymyositis, essenzielle Kryoglobulinämie, idiopathische thrombozytopenische Purpura, MS, IgM-vermittelte periphere Neuropathie: Fallberichte und offenen Studien, teilweise randomisierte Studien initiiiert

Angiogenese-Hemmer

Bevacizumab (Avastin®)

Bindet VEGF (Vascular endothelial growth factor)

– Kolorektalkarzinom: zugelassen

– RA: Phase-II-Studien laufen

MEDI-522

Anti-Integrin-Antikörper

– RA: Phase-II-Studien laufen

Hemmung des Knochenabbaus

Denosumab

Anti-RANKL-Antikörper

– Osteoporose: Phase-III-Studien laufen

– Knochenmetastasen bei multiplem Myelom oder Mammakarzinom: Wirksamkeit gezeigt

– RA: Untersuchungen laufen

Psoriasis-Arthritis mit Manifestation als schwere mutilierende Polyarthritis [aus Reich K, Augustin M. Biologics in der Therapie der Psoriasis. Arzneimitteltherapie 2005;23:384–97]

Plaque-Psoriasis an den Streckseiten der Extremitäten [aus Reich K, Augustin M. Biologics in der Therapie der Psoriasis. Arzneimitteltherapie 2005;23:384–97]

New biologics for the treatment of chronic inflammatory and autoimmune rheumatic diseases

The development and successful clinical application of TNF-inhibiting so-called "biologics", particularly in the treatment of inflammatory joint diseases, such as rheumatoid arthritis, psoriatic arthritis and spondylarthropathies, as well as other immune-mediated inflammatory diseases, can be regarded as a "milestone" in modern biomedical research. Subsequently, a whole plethora of novel therapeutics has been developed, aiming specifically at modulating newly identified key molecules and pivotal pathophysiologic mechanisms in autoimmune diseases. Categorized by their mechanisms of action, the currently most promising new developments will be described and evaluated in this review.

Keywords: Biologics, autoimmune disease, cytokines, T-cells, B- cells, co-stimulation, angiogenesis, bone metabolism

Arzneimitteltherapie 2007; 25(03)