Dr. Birgit Schindler, Freiburg
Beträgt die Na+-Konzentration im Serum weniger als 135 mmol/l, spricht man von einer Hyponatriämie. Diese Störung des Wasser- und Elektrolythaushalts ist insbesondere bei stationären Patienten und Bewohnern von Altenheimen verbreitet. Verschiedene Krankheiten wie Herzinsuffizienz, Leberzirrhose und das Syndrom der inadäquaten Adiuretin(ADH)-Sekretion (SIADH) und bestimmte Medikamente können zu Hyponatriämie führen. Bei Herzinsuffizienz und Leberzirrhose kommt es reflektorisch zu einer vermehrten Ausschüttung des Nonapeptids Vasopressin (Adiuretin; antidiuretisches Hormon = ADH). Die Folge ist eine gesteigerte renale Wasserretention, vermittelt über V2-Rezeptoren. Die sich daraus entwickelnde Hyponatriämie verschlechtert die Prognose dieser Erkrankungen. Zu einer schwerwiegenden akuten Hyponatriämie kommt es bei Patienten mit SIADH, bei denen meist stationäre Notfallmaßnahmen erforderlich sind.
Die bisherigen Behandlungsmöglichkeiten – Flüssigkeitsrestriktion oder Kochsalz-Infusion – sind wegen des langsamen Ansprechens und der gefürchteten Komplikation einer zentralen pontinen Myelinolyse nicht optimal. Da die Hemmung der renalen Vasopressin-Wirkung vorteilhaft wäre, wird seit vielen Jahren nach geeigneten V2-Rezeptorantagonisten gesucht. Nun wurden die Ergebnisse von zwei multizentrischen, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Doppelblindstudien mit Tolvaptan, einem oral verfügbaren V2-Rezeptorantagonisten (Abb. 1), veröffentlicht.
Studiendesign
An den beiden Phase-III-Studien, SALT-1 und SALT-2 (Study of ascending levels of tolvaptan in hyponatremia), nahmen insgesamt 448 Patienten mit leichter bis ausgeprägter Hyponatriämie aufgrund verschiedener Ursachen wie Herzinsuffizienz, Leberzirrhose oder SIADH teil.
223 Patienten erhielten in den beiden Studien zusätzlich zu ihrer Standardtherapie Plazebo und 225 Patienten Tolvaptan, zunächst in einer Dosierung von 15 mg täglich, die bei Bedarf auf 30 mg täglich bzw. 60 mg täglich gesteigert wurde. Nach einer 30-tägigen Behandlungsphase folgte eine einwöchige Nachbeobachtungsphase.
Primärer Endpunkt war die Änderung der durchschnittlichen Area under the Curve (AUC) der Natriumionen-Konzentration im Serum im Vergleich zum Ausgangswert, gemessen nach 4 und nach 30 Tagen.
Ergebnisse
Die erhoffte Wirkung stellte sich bereits nach wenigen Tagen ein. Die Zunahme der Na+-Konzentration im Serum war bereits nach 4 Tagen in den Tolvaptan-Gruppen signifikant größer als in den Plazebo-Gruppen und dieser Effekt blieb während der gesamten 30-tägigen Behandlungsphase erhalten und war auch bei Subgruppen von Patienten mit leichter oder ausgeprägter Hyponatriämie vorhanden (Tab. 1). Normale Na+-Konzentrationen wurden in den Tolvaptan-Gruppen von signifikant mehr Patienten erreicht als in den Plazebo-Gruppen. In den Tolvaptan-Gruppen stieg die Urin-Produktion signifikant an und die Zahl der Patienten, die eine Flüssigkeitsrestriktion einhalten mussten, nahm ab. Patienten mit deutlicher Hyponatriämie (< 130 mmol/l), die Tolvaptan erhalten hatten, gaben auf einem Fragebogen (12-item short-form [SF-12] General Health Survey) verbesserte kognitive Funktionen an. Nach Absetzen von Tolvaptan entwickelte sich innerhalb weniger Tage erneut eine Hyponatriämie.
Die häufigsten Nebenwirkungen der Therapie waren Durst und Mundtrockenheit. Bei acht Patienten der Tolvaptan-Gruppen kam es zu schwereren Komplikationen wie Blutdruckabfall, Benommenheit und Ohnmacht. Schwere Komplikationen traten aber auch bei zehn Patienten der Plazebo-Gruppen auf und waren meist eine Folge der eigentlichen Erkrankung.
Zusammenfassung, Bewertung
Tolvaptan scheint eine schnelle und gut wirksame Behandlung der Hyponatriämie zu ermöglichen. Über eine langfristige Prognoseverbesserung der Patienten durch eine Therapie mit Tolvaptan kann allerdings noch keine Aussage gemacht werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob kombinierte V1A/V2-Rezeptorantagonisten wie Conivaptan, die zusätzlich die vasokonstriktorische, V1A-vermittelte Wirkung von Vasopressin antagonisieren, für die Patienten einen zusätzlichen Nutzen haben.
Quellen
Schrier RW, et al. Tolvaptan, a selective oral vasopressin V2-receptor antagonist, for hyponatremia. N Engl J Med 2006;355:2099–112.
Hays RM. Vasopressin antagonists – progress and promise. N Engl J Med 2006;355:2146–8.

Abb. 1. Tolvaptan
Tab. 1. Primärer Endpunkt in den Studien SALT-1 und SALT-2: Änderung der durchschnittlichen Na+-Konzentration im Serum [mmol/l] bei Gabe des V2-Rezeptorantagonisten Tolvaptan im Vergleich zur Gabe von Plazebo (Angegeben sind Mittelwerte ± Standardabweichung) [nach Schrier RW, et al. 2006]
SALT-1 |
SALT-2 |
|||
Änderung der durchschnittlichen AUC der Na+-Konzentration im Serum [mmol/l] |
Tolvaptan (n = 102) |
Plazebo (n = 103) |
Tolvaptan (n = 123) |
Plazebo (n = 120) |
Alle Patienten Tag 4 Tag 30 |
3,62 ± 2,68 6,22 ± 4,10 |
0,25 ± 2,08 1,66 ± 3,59 |
4,33 ± 2,87 6,20 ± 3,92 |
0,42 ± 2,56 1,84 ± 3,83 |
Leichte Hyponatriämie Tag 4 Tag 30 |
2,52 ± 1,95 3,87 ± 3,01 |
–0,32 ± 2,27 0,68 ± 2,78 |
3,59 ± 2,34 4,68 ± 2,91 |
0,18 ± 2,01 0,94 ± 2,89 |
Ausgeprägte Hyponatriämie Tag 4 Tag 30 |
4,56 ± 2,88 8,24 ± 3,84 |
0,76 ± 1,77 2,54 ± 4,01 |
5,06 ± 3,16 7,60 ± 4,31 |
0,70 ± 2,99 2,72 ± 4,41 |
AUC: area under the curve; leichte Hyponatriämie: 130–134 mmol/l; ausgeprägte Hyponatriämie: < 130 mmol/l; p < 0,001 für den Vergleich zwischen Tolvaptan- und Plazebo-Gruppe
Tolvaptan
Der nichtpeptidische V2-Rezeptorantagonist hemmt die Adiuretin-vermittelte Wasser-Rückresorption in den Sammelrohren der Nieren. Dies ist ein interessanter neuer Ansatz zur Therapie von Elektrolytverschiebungen aufgrund unterschiedlicher Grunderkrankungen, die zu einer Wasser-Retention im Körper führen. Beispielsweise konnte so in zwei kürzlich in JAMA publizierten Phase-III-Studien mit stationären Patienten mit akut dekompensierter Herzinsuffizienz gezeigt werden, dass die zusätzliche Gabe von Tolvaptan zur Standardtherapie eine deutliche Reduktion von Anzeichen und Symptomen der Erkrankung bewirkt.
Pharmakokinetik: Nach der Einnahme wird Tolvaptan rasch resorbiert, die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Plasmakonzentration beträgt 2 bis 3 h. Die Halbwertszeit beträgt etwa 6 bis 8 h bei Gesunden; bei Patienten mit Herzinsuffizienz wurde eine um etwa 50 % reduzierte Clearance gezeigt. Der Arzneistoff wird hauptsächlich über CYP3A4 metabolisiert.
Quellen
Miyazaki T, et al. Cardiovasc Drug Rev 2007;25:1–13.
Gheorghiade M, et al. JAMA 2007;297:1332–43.
Arzneimitteltherapie 2007; 25(08)