Dermatologie

Neuropeptide steuern entzündliche Prozesse bei Psoriasis


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Bettina Martini, Memmingen

Bei der Psoriasis („Schuppenflechte”) sind neben Immunmodulatoren auch Neuropeptide, also Botenstoffe des Nervensystems, an dem komplexen entzündlichen Geschehen beteiligt. In einer britischen Fachzeitschrift für Dermatologie wurde eine Übersicht über das, was bisher zur Rolle der Neuropeptide bei Psoriasis bekannt ist, veröffentlicht.

Die Psoriasis ist eine Hautkrankheit mit multifaktoriellem Geschehen. Die Pathogenese ist bis heute nicht vollständig verstanden. Man weiß, dass neben immunologischen Prozessen das Nervensystem eine große Rolle spielt. Dafür spricht die häufig symmetrische Verteilung der Plaques, orientiert am Verlauf wichtiger Hautnervenbahnen. Außerdem beobachtet man in den allermeisten Fällen einen deutlichen zeitlichen Zusammenhang mit emotionalem Stress, zum Beispiel bei finanziellen Problemen, Verlust einer nahestehenden Person oder auch Angststörungen und Depression.

Die entzündlichen Prozesse, die bei Psoriasis ablaufen, hängen demnach nicht nur mit den Zytokinen des Immunsystems, sondern auch mit den Botenstoffen des Nervensystems zusammen. „Neuropeptide“ bedeutet Botenstoffe des Nervensystems mit Proteinstruktur. Im Folgenden wird dargestellt, was man bisher über die Rolle einzelner Neuropeptide weiß.

Substanz P

Substanz P vermittelt die Wahrnehmung von Schmerzen und Juckreiz. Das „P“ wird daher heute häufig als „pain“ interpretiert, obwohl es ursprünglich nicht dafür stand.

Über die Bedeutung von Substanz P bei Psoriasis gibt es noch widersprüchliche Aussagen. In einigen Studien wurden erhöhte Konzentrationen in betroffenen Hautarealen gefunden, in anderen Studien jedoch nicht. Substanz P ist ein Initiator für weitere Kaskaden entzündlicher Prozesse, wie Proliferation von T-Lymphozyten oder Freisetzung von Mediatoren aus Mastzellen oder Makrophagen. Zudem erweitert Substanz P die Gefäße (Tab. 1).

Den Rezeptor von Substanz P bezeichnet man als Neurokinin-1-Rezeptor (NK-1R).

Calcitonin Gene-related Peptide (CGRP)

CGRP ist ein 37 Aminosäuren umfassendes Peptid, das vom gleichen Gen codiert wird wie Calcitonin, was dem CGRP den Namen gab. Es gehört zu den am stärksten die Blutgefäße relaxierenden Substanzen.

Eine ausgeprägte Vasodilatation des Gefäßbetts ist charakteristisch für Psoriasis-Plaques. Erhöhte Werte von CGRP wurden in Psoriasis-Plaques gefunden, allerdings gibt es hierzu unterschiedliche Studienergebnisse. In einigen Studien wurden erhöhte Werte gegenüber normaler Haut gefunden, in anderen Studien hingegen nicht.

Vasoaktives intestinales Peptid (VIP)

VIP wird außer im Dünndarm, wo es für die Relaxation der glatten Muskulatur und Hemmung der Magensäuresekretion zuständig ist, auch im zentralen und peripheren Nervensystem sowie in weiteren peripheren Geweben gebildet. VIP wirkt einer Entzündung eher entgegen (Tab. 1). Peptid T, ein VIP-Analogon, wird in Studien therapeutisch bei Psoriasis eingesetzt.

Nervenwachstumsfaktor (NGF)

NGF gehört zu den Neurotrophinen (griech. etwa „Nervennährstoffe“). Erhöhte Werte von NGF wurden in entzündlichen Wunden und auch in Psoriasis-Plaques gefunden. NGF stimuliert das Wachstum von Hornzellen und könnte für die übermäßige Verhornung bei Psoriasis verantwortlich sein. Außerdem scheint es beim Juckreiz eine Rolle zu spielen, denn bei Psoriasis-Patienten, die unter starkem Juckreiz litten, wurden signifikant höhere Werte gefunden als bei Patienten, die weniger unter Juckreiz litten (Tab. 1).

Insgesamt sind Neuropeptide ein interessanter und viel versprechender Forschungsansatz für die Weiterentwicklung von Therapien bei Psoriasis.


Quelle

Saraceno R, et al. The role of neuropeptides in psoriasis. Br J Dermatol 2006;155:876–82.


Weitere Informationen zum Neurokinin-1-Rezeptor (NK-1R)

  • Therapeutische Zielstruktur von Aprepitant (Emend®).
  • Aprepitant ist ein NK-1-Rezeptor-Antagonist.
  • Indikation: Prävention von Übelkeit und Erbrechen bei hoch und moderat emetogener Chemotherapie.


Zum Weiterlesen:

Bokemeyer C. Die Rolle des neuen NK-1-Rezeptor-Antagonisten in der antiemetischen Therapie. Arzneimitteltherapie 2004;22:129–35.


Tab. 1. Neuropeptide bei Psoriasis: Expression und Funktion (Auswahl)

Neuropeptid

Rezeptor

Funktion

Expression in der Haut

Substanz P

Neurokinin-1-Rezeptor (NK-1R)

Wahrnehmung von Juckreiz und Schmerz

Mastzell-Degranulation

T-Zell-Aktivierung

Keratinozyten-Proliferation

Förderung der Adhäsion von Molekülen

Erhöhung der Freisetzung von Interleukin 6, 12, Tumornekrose-Faktor alpha

Vasodilatation

Dermis

Verbindung zwischen Dermis und Epidermis

Blutgefäße

Calcitonin-gene-related-peptide (CGRP)

CGRP-Rezeptor 1, 2

Vasodilatation

Keratinozyten-Proliferation

Mastzell-Degranulation

Epidermis

Verbindung zwischen Dermis und Epidermis

Blutgefäße

Vasoactive intestinal peptide (VIP)

VIP-Rezeptor 1, 2

Vasodilatation

Mastzell-Degranulation

Freisetzung von Interleukin 6, 8

Keratinozyten-Proliferation in Zellkulturen

T-Zell-Hemmung

Epidermis

Verbindung zwischen Dermis und Epidermis

Dermis: Blutgefäße und Drüsen

Nerve growth factor (NGF)

Tyrosinkinase-
Rezeptor A (TrkA)

p75

Förderung der Adhäsion von Molekülen (Endothelzellen)

Angiogenese

Aktivierung von Lymphozyten

Verlängerung der Lebenszeit sensorischer Neuronen

Basalmembran

Arzneimitteltherapie 2008; 26(03)