Alexander Röth und Ulrich Dührsen, Essen
Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) ist durch die klassische klinische Trias hämolytische Anämie, Thrombophilie und Zytopenie gekennzeichnet. Die Ausprägung und Kombination der einzelnen Symptome gestaltet sich jedoch sehr variabel. Auch der zeitliche Verlauf kann sehr unterschiedlich sein, teils mit einer chronischen Symptomatik, teils mit schubartigen Exazerbationen. Zu einem großen Teil überwiegen die chronischen Verläufe. Die namensgebende Hämoglobinurie (Abb. 1) tritt nur bei einem Teil der Patienten auf [1, 2].
Pathophysiologie
Der PNH liegt eine erworbene Mutation des PIG(Phosphatidyl-Inositol-Glykan)-A-Gens auf dem X-Chromosom einer oder mehrerer pluripotenter hämatopoetischer Stammzellen zugrunde. Die Nachkommen der mutierten Stammzelle können sich ausbreiten und einen mehr oder weniger großen Anteil des gesamten blutbildenden Systems einnehmen. Das Genprodukt des PIG-A-Gens, die N-Acetylglucosaminyltransferase, ist verantwortlich für die Biosynthese des GPI(Glykosylphosphatidylinositol)-Ankerproteins. Der GPI-Anker ist notwendig für die Verankerung der verschiedensten Oberflächenproteine in der Zellmembran. Je nach Art der Mutation sind die GPI-Anker teilweise oder vollständig defekt. Die fehlende Expression der GPI-verankerten Proteine führt in den betroffenen Zellreihen zu einer Funktionseinschränkung, die für die unterschiedlichen Symptome der PNH verantwortlich ist [3, 4].
Die Coombs-negative Hämolyse und Hämoglobinurie sind Leitsymptome der PNH. Die Ursache hierfür ist eine defekte Bindung der komplementregulierenden Membranfaktoren CD 55 (DAF = decay accelerating factor) und CD 59 (MIRL = membrane inhibitor of reactive lysis) durch das Fehlen des GPI-Ankers auf den Erythrozyten. Diese Faktoren schützen physiologischerweise die Erythrozyten vor der Anlagerung von aktivierten autologen Komplementkomponenten und damit der komplementvermittelten Zelllyse. Der Umfang der Hämolyse ist abhängig von der Größe des PNH-Klons und damit der Menge betroffener Zellen. Unbehandelt verläuft die Hämolyse in der Regel chronisch mit Episoden von hämolytischen Krisen oder Paroxysmen mit dem typischen colafarbenen Morgenurin (Abb. 1). Diese Krisen können durch Infektionen, Kontrastmittel, Operationen oder aber auch durch starke körperliche Belastung ausgelöst werden [5, 6].
Venöse Thrombosen, insbesondere intraabominal (Milzvenen-, Pfortader-, Lebervenenthrombosen [Budd-Chiari-Syndrom]) oder zerebral, stellen ein weiteres Leitsymptom der PNH dar. Etwa die Hälfte aller PNH-Patienten entwickelt im Verlauf der Erkrankung eine Thrombose, und etwa ein Drittel stirbt als Folge davon [1, 2]. Die genaue Ursache der Thromboseneigung konnte noch nicht vollständig geklärt werden. Man nimmt an, dass GPI-defiziente Thrombozyten leichter durch Komplement aktiviert werden können als normale Thrombozyten. Dies führt zu einer höheren Prothrombinase-Aktivität und zur Thrombusbildung. Als alternativer Mechanismus wird auch eine direkte Aktivierung der Gerinnungskaskade durch die intravaskuläre Hämolyse diskutiert [7, 8]. Eine PNH sollte deshalb insbesondere bei Patienten mit Thrombosen in ungewöhnlichen Lokalisationen und jungem Alter ausgeschlossen werden.
Viele PNH-Patienten zeigen initial eine Zytopenie, die von einer isolierten subklinischen Verringerung einer Zelllinie bis hin zu einer schweren aplastischen Anämie reichen kann [1]. Die Zytopenie und das Fehlen von funktionell wichtigen Oberflächenproteinen auf Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten führen zu einer Kompromittierung des Immunsystems. Auch entwickeln Patienten mit einer aplastischen Anämie häufig sekundär eine PNH [9].
Diagnose
Die Diagnose der PNH ist oft schwierig, da die initiale Symptomatik vielgestaltig ist und die Hämoglobinurie in etwa 75 % der Fälle fehlt. Die klinischen Symptome bei Diagnosestellung sind in Tabelle 1 aufgeführt. Man nimmt an, dass einige Symptome der PNH, wie Dysphagie, Bauchschmerzen, Rückenschmerzen, aber auch Kopfschmerzen und erektile Dysfunktion, durch eine Beeinträchtigung der glattmuskulären Funktion aufgrund der Bindung von Stickstoffmonoxid (NO) an freies Hämoglobin hervorgerufen werden. Typischerweise treten diese Beschwerden insbesondere während hämolytischer Krisen der PNH auf [10, 11].
Die Durchflusszytometrie hat sich als Methode der Wahl für die Diagnose der PNH etabliert [12, 13]. Hierdurch lässt sich das Fehlen der GPI-verankerten Oberflächenproteine auf sämtlichen hämatopoetischen Linien nachweisen. Man unterscheidet Zellen, denen Oberflächenproteine vollständig fehlen (Typ-III-Zellen) von Zellen mit nur teilweisem Verlust (Typ-II-Zellen). Zellen mit normaler Expression der untersuchten Oberflächenproteine werden als Typ-I-Zellen bezeichnet.
Die Mindestanforderung für die Diagnose der PNH ist das Fehlen von mindestens zwei verschiedenen GPI-verankerten Proteinen auf mindestens zwei Zellreihen. Der Anteil des PNH-Klons an der Hämatopoese kann am besten anhand des Anteils der GPI-defizienten Granulozyten abgeschätzt werden, da dieser durch Hämolyse oder Transfusionen nicht beeinflusst wird.
Andere diagnostische Testverfahren, die die vermehrte Empfindlichkeit der PNH-Erythrozyten gegenüber komplementvermittelter Hämolyse (Zuckerwasser-Test, Säurehämolysetest [Ham-Test]) nachweisen, sind weniger spezifisch und sensitiv als die Durchflusszytometrie. Sie können unter Umständen im Rahmen von Screening-Untersuchungen hilfreich sein, alleine sind sie jedoch nicht ausreichend, um die Diagnose der PNH zu sichern [14].
Die grundlegenden Empfehlungen zur Diagnostik der PNH sind in Tabelle 2 aufgeführt. Die Durchflusszytometrie ermöglicht es auch, die Größe des PNH-Klons im Verlauf zu untersuchen. Die Untersuchungsfrequenz richtet sich hierbei nach unterschiedlichen Faktoren. Bei neudiagnostizierten PNH-Patienten mit einem großen PNH-Klon (> 90 %) wird empfohlen, die Klongröße zunächst nach sechs Monaten und danach jährlich zu kontrollieren. Patienten mit einer aplastischen Anämie und keinem oder einem sehr kleinen PNH-Klon sollten dagegen zunächst alle drei Monate für mindestens zwei Jahre untersucht werden. Bei einer nur mäßigen Klongröße von etwa 20 bis 80 % sollten ebenso engmaschige Kontrollen durchgeführt werden, um eine schnelle Expansion des PNH-Klons nicht zu übersehen. Grundsätzlich gilt jedoch, dass plötzliche Veränderungen des Blutbilds oder des Lactatdehydrogenase(LDH)-Werts Anlass geben sollten, die PNH-Klongröße zu untersuchen [15].
Klassifikation der PNH
In Abhängigkeit von der klinischen Manifestation und dem Verlauf wird die PNH gemäß der Empfehlung der „International PNH Interest Group“ (IPIG) in drei Gruppen eingeteilt [16]:
Klassische PNH: Patienten mit intravaskulärer Hämolyse (Retikulozytose, Erhöhung von LDH und indirektem Bilirubin, Erniedrigung von Haptoglobin) ohne Anhalt für eine andere Knochenmarkerkrankung.
PNH im Rahmen anderer Knochenmarkerkrankungen (aplastische Anämie/refraktäre Anämie/MDS): Patienten mit Zeichen der Hämolyse und zusätzlich bestehender oder vorausgegangener Knochenmarkerkrankung. Entscheidend ist hier die Knochenmarkdiagnostik mit Zytogenetik zum Ausschluss oder zur Bestätigung einer aplastischen Anämie, eines myelodysplastischen Syndroms (MDS) oder einer anderen Myelopathie (z. B. Myelofibrose).
Subklinische PNH (PNH-sc): Hier finden sich keine Hinweise auf Hämolyse. Durch die sensiblen Nachweismethoden können auch die kleinsten GPI-defizienten Populationen nachgewiesen werden. Diese Form tritt häufig im Zusammenhang mit anderen hämatologischen Systemerkrankungen wie aplastischer Anämie oder MDS auf.
Therapie
Die PNH ist eine benigne hämatologische Erkrankung mit chronischem Verlauf und einer mittleren Überlebenszeit von etwa 10 bis 15 Jahren. Zu den prognostischen Faktoren bei Diagnosestellung, die mit einer geringeren Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert sind, gehören ein Alter über 55 Jahre, Auftreten von Thrombosen, Entwicklung einer Panzytopenie, der Übergang in ein MDS oder eine akute Leukämie. Im Langzeitverlauf sind bei etwa 15 % der Patienten auch spontane klinische Remissionen beschrieben worden [1]. Dies sollte bei therapeutischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Eine Übersicht über die therapeutischen Optionen der PNH ist in Tabelle 3 dargestellt. Für weitere therapeutische Optionen (z. B. Einsatz von Androgenen) wird auf Übersichtsarbeiten verwiesen [16].
Supportive Therapie
Im Vordergrund der symptomatischen Behandlung der PNH steht die Transfusion von Leukozyten-depletierten Erythrozytenkonzentraten. Es ist nicht notwendig, gewaschene Erythrozytenkonzentrate zu verwenden. Mögliche Bedenken, dass residuelles Spenderplasma der transfundierten Konzentrate eine hämolytische Krise auslösen könnte, konnten nicht bestätigt werden [17].
Eine Gabe von rekombinantem humanem Erythropoetin sollte nur erwogen werden, wenn ein absoluter oder relativer Erythropoetin-Mangel besteht. Hierunter muss dann eine engmaschige Kontrolle der Hämolyseparameter erfolgen, da durch die gesteigerte Produktion GPI-defizienter Erythrozyten die Gefahr einer hämolytischen Krise besteht.
PNH-Patienten verlieren durch die Hämoglobin- und Hämosiderinurie Eisen und haben deshalb typischerweise niedrige Ferritin-Werte. Hier sollte entsprechend eine orale Substitution mit Eisen unter Kontrolle der Eisenspeicher (Ferritin, Transferrin-Sättigung) erfolgen. Eine intravenöse Gabe von Eisen sollte vermieden werden, da hierdurch ein hämolytischer Schub ausgelöst werden kann. Bei einer zusätzlichen hämatopoetischen Insuffizienz kann es aber auch zu einer Eisenüberlagerung kommen. Aufgrund der kompensatorisch erheblich gesteigerten Erythropoese im Knochenmark wird weiterhin die Gabe von Folsäure (5 mg/Tag p. o.) empfohlen.
Exazerbationen der PNH mit hämolytischen Krisen werden häufig in zeitlichem Zusammenhang mit Infektionen beobachtet, da diese zu einer Aktivierung des Komplementsystems führen können. Daher sollten Infektionen frühzeitig und konsequent empirisch antibiotisch therapiert werden [16].
Glucocorticoide
Die Therapie mit Glucocorticoiden ist sowohl für die chronische Hämolyse als auch für die akute Krise umstritten [18–20]. Es handelt sich hierbei um eine rein empirische Therapie, und es fehlen randomisierte Studien, die ihre Wirksamkeit beweisen. Einige Patienten scheinen jedoch gut und in kurzer Zeit auf eine Glucocorticoid-Therapie anzusprechen (0,25–1,0 mg/kg Körpergewicht Prednison). Das schnelle Ansprechen der Hämolyse unter der Therapie, oft schon innerhalb von 24 Stunden, spricht dafür, dass dies möglicherweise durch eine Hemmung des Komplementsystems erzielt wird. Der Hauptnutzen einer Glucocorticoid-Therapie besteht in der möglichen Abschwächung der hämolytischen Krisen. Unter diesen Umständen kann eine kurzfristige Glucocorticoid-Stoßtherapie Schwere und Dauer der Krise günstig beeinflussen, und die Komplikationen einer Glucocorticoid-Dauertherapie können vermieden werden. Eine Dauertherapie mit Glucocorticoiden ist nicht indiziert [16].
Antikoagulation
Nach stattgehabter Thrombose muss eine lebenslange Antikoagulation mit Cumarinen erfolgen. Auch Heparine können bei der PNH sicher eingesetzt werden. Bei Patienten mit einem > 50%igen Anteil an GPI-defizienten Granulozyten und fehlenden Kontraindikationen gegen eine Antikoagulation sollte eine primär prophylaktische Antikoagulation mit Cumarinen erwogen werden. Eine retrospektive Analyse konnte hier zeigen, dass diese Gruppe der PNH-Patienten ein etwa achtfach höheres Risiko für eine Thrombose im Verlauf von zehn Jahren besitzt (44 % vs. 5,8 %) [21].
Immunsuppressive Behandlung
Eine immunsuppressive Therapie sollte zur alleinigen Behandlung der Hämolyseaktivität nicht durchgeführt werden. Diese sollte nur im Rahmen von Studien zur Therapie etwaiger der PNH zugrunde liegenden Knochenmarkerkrankungen (z. B. aplastische Anämie, MDS) erfolgen.
Komplementinhibition durch Eculizumab
Eine völlig neue Therapiestrategie stellt die Inhibition des Komplementsystems dar. Der humanisierte monoklonale Antikörper Eculizumab (Soliris®) bindet den Komplement-Faktor C5, verhindert dessen Spaltung in die Fragmente C5a und C5b und blockiert damit die nachfolgende Bildung des terminalen Komplementkomplexes C5b-9 (Abb. 2). Hierdurch wird das Fehlen der physiologischen komplementregulierenden Proteine auf der Oberfläche der Erythrozyten kompensiert und die intravasale Hämolyse und Hämoglobinurie fast vollständig unterbunden. Die Applikation von Eculizumab führt zu einer raschen und anhaltenden Verringerung der terminalen Komplementaktivität. Eculizumab-Serumkonzentrationen von etwa 35 µg/ml reichen für eine praktisch vollständige Hemmung der terminalen komplementvermittelten intravaskulären Hämolyse bei den meisten PNH-Patienten aus. Die mittlere Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa 11,3 ± 3,4 Tage und ein Steady-State wird nach etwa 49 bis 56 Tagen erreicht [22].
Ergebnisse klinischer Studien
Nach einer initialen Studie bei elf PNH-Patienten [23] wurde Eculizumab in einer doppelblinden, randomisierten, Plazebo-kontrollierten Multicenter-Phase-III-Studie mit 87 transfusionsabhängigen PNH-Patienten untersucht (TRIUMPH-Studie) [24]. Hier zeigte sich eine deutliche Reduktion der Hämolyse mit einem hochsignifikanten Abfall der LDH-Werte. Die Hämoglobin-Konzentration konnte bei 49 % der Patienten im Eculizumab-Arm stabilisiert werden gegenüber 0 % im Plazebo-Arm. Während der 26-wöchigen Studiendauer benötigten die Patienten des Plazebo-Arms im Median zehn Erythrozytenkonzentrate gegenüber null im Median im Eculizumab-Arm. Weiterhin zeigte sich auch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität der PNH-Patienten unter Eculizumab (FACIT-Fatigue und EORTC-QLQ-Fragebogen). Interessanterweise konnten auch PNH-typische Symptome wie Dysphagie, Bauchschmerzen und erektile Dysfunktion durch Eculizumab gebessert werden [11, 25]. Die Fortsetzung der Pilotstudie und die aktuell laufenden Studien (TRIUMPH, SHEPHERD) zeigen, dass eine Dauerbehandlung mit Eculizumab über nun mehr als fünf Jahre gut verträglich und effektiv ist.
Trotz der fast vollständigen Hemmung der intravaskulären Hämolyse durch Eculizumab kommt es nicht zu einer vollständigen Normalisierung aller Hämolyseparameter wie Haptoglobin, Hämopexin oder Bilirubin. Dies deutet darauf hin, dass hier eine zusätzliche extravaskuläre Hämolyse eine Rolle spielt, die durch die Hemmung der terminalen Komplementstrecke möglicherweise nicht beeinflusst werden kann [10].
Darüber hinaus ergab die Auswertung aller 195 mit bisher über 250 Behandlungsjahren mit Eculizumab behandelten PNH-Patienten eine signifikante Reduktion des Risikos für thromboembolische Ereignisse um 85 % (7,37 vs. 1,07 thromboembolische Ereignisse pro 100 Patientenjahre). Interessanterweise konnten darüber hinaus auch thromboembolische Ereignisse bei bereits antikoagulierten PNH-Patienten signifikant um 94 % reduziert werden (10,61 vs. 0,62 thromboembolische Ereignisse pro 100 Patientenjahre) [26]. Möglicherweise muss deshalb auch die Indikation für eine primär prophylaktische Antikoagulation unter einer Therapie mit Eculizumab neu diskutiert werden.
Eculizumab wurde im Juni 2007 in Europa für die Behandlung der PNH zugelassen. Die Abbildung 3 zeigt das Therapieschema von Eculizumab und den Behandlungsablauf.
Nebenwirkungen und Risiken
Bei den bislang 195 mit Eculizumab behandelten PNH-Patienten sind schwerwiegende Nebenwirkungen nicht aufgetreten. Insgesamt berichteten die behandelten Patienten nur über unspezifische Nebenwirkungen wie Kopf- oder Rückenschmerzen, respiratorische Infekte, Übelkeit, Pyrexie, Myalgie und Müdigkeit, die in den meisten Fällen nur leichter bis mittelschwerer Ausprägung waren. Im Rahmen der TRIUMPH-Studie waren Kopfschmerzen das am häufigsten beobachtete unerwünschte Ereignis unter Eculizumab. Diese waren lediglich leicht ausgeprägt und auf die beiden Erstgaben von Eculizumab begrenzt.
Da die Therapie mit Eculizumab einen Teil der natürlichen Immunabwehr blockiert, besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit Erregern, deren Elimination in besonderem Maße von einem funktionsfähigen Komplementsystem abhängt, insbesondere mit Meningokokken. Entsprechend darf eine Therapie mit Eculizumab bei Patienten mit einer nicht ausgeheilten Infektion mit Neisseria meningitidis sowie bei einem bekannten oder auch dem Verdacht auf einen erblichen Komplementdefekt nicht eingeleitet werden. Weiterhin muss mindestens zwei Wochen vor Therapiebeginn eine Impfung gegen Meningokokken mit einem tetravalenten Konjugatimpfstoff durchgeführt werden. Unter einer laufenden Therapie mit Eculizumab muss die Impfung alle zwei Jahre wiederholt werden. Im Rahmen der klinischen Studien mit Eculizumab war es bei zwei Patienten zu einer Meningokokken-Infektion gekommen, obwohl alle 195 PNH-Patienten aufgrund des vorhergesehenen Risikos geimpft worden waren. Nur durch die konsequente Diagnostik und Behandlung konnten hier schwerwiegende Komplikationen vermieden werden. Die Patienten sollten deshalb bei Hinweisen auf eine Meningokokken-Infektion (z. B. Kopfschmerzen unter anderem mit Übelkeit oder Erbrechen, Fieber, Nackensteifigkeit, Hautausschlag, Verwirrtheitszustand) entsprechend eines Risikoplans umgehend Kontakt mit einem Arzt aufnehmen, und gegebenenfalls sollten eine weitere Abklärung und Therapie eingeleitet werden.
PNH-Patienten, die mit Eculizumab behandelt werden, sollten durch regelmäßige Messungen der LDH-Werte weiter auf eine intravaskuläre Hämolyse hin überwacht werden. Hier kann unter Umständen eine Anpassung der Eculizumab-Dosis innerhalb des empfohlenen Dosierungsplans von 14 ± 2 Tagen während der Erhaltungstherapie (bis zu alle 12 Tage) erforderlich sein [22].
Behandlungsabbruch
Patienten, die die Behandlung mit Eculizumab abbrechen, sollten auf Anzeichen und Symptome einer schwerwiegenden intravaskulären Hämolyse überwacht werden. Eine schwerwiegende Hämolyse ist gekennzeichnet durch einen deutlichen Anstieg der LDH-Werte über die Werte unter der Eculizumab-Therapie in Verbindung mit einer Abnahme der PNH-Erythrozytenklongröße um mehr als 25 % innerhalb einer Woche oder kürzer, einen Hämoglobinwert unter 5 g/dl oder eine Abnahme um mehr als 4 g/dl innerhalb einer Woche oder weniger. Weitere Anzeichen wären aber auch Angina pectoris, Anstieg des Serumcreatinin-Werts um 50 %, Veränderung des Geisteszustands oder aber auch das Auftreten einer Thrombose. Entsprechend muss jeder Patient nach Behandlungsabbruch für mindestens acht Wochen engmaschig überwacht werden, um eine schwere Hämolyse oder andere Komplikationen zu erkennen. Sollte eine schwere Hämolyse auftreten, müssen entsprechend Erythrozytenkonzentrate substituiert werden, und gegebenenfalls kann auch die erneute Gabe von Eculizumab erwogen werden. In den klinischen Studien für PNH-Patienten brachen bislang 16 Patienten aufgrund verschiedenster Gründe die Behandlung mit Eculizumab ab. Hierbei wurden aber keine schwerwiegenden Hämolysen beobachtet [22].
Experimentelle Therapieansätze
Ein experimenteller Behandlungsansatz besteht darin, die Expression von CD59, die, wie bereits dargestellt, wesentlich für die Hemmung der komplementvermittelten Hämolyse ist, auf der Oberfläche der PNH-Erythrozyten wieder herzustellen. Im Rahmen einer Studie wurde ein neuartiges synthetisch modifiziertes rekombinantes humanes CD59 (rhCD59-P, Prodaptin) getestet, das sich als lösliches Protein an die Oberfläche der Zellmembran bindet. Es wurde die Fähigkeit untersucht, den Mangel an CD59 sowohl in vitro auf humanen Erythrozyten als auch in vivo in einem murinen Modellsystem zu korrigieren. Die In-vitro-Behandlung von PNH-Erythrozyten mit Prodaptin führte zu einer Normalisierung der Präsenz von CD59 auf der Zelloberfläche und verhinderte so effektiv die komplementvermittelte Hämolyse. Auch im Mäusemodell konnte hiermit die Hämolyse unterbunden werden. Diese viel versprechenden Ergebnisse zeigen einen möglichen weiteren neuen Ansatzpunkt für die Behandlung der PNH auf [27].
Knochenmarktransplantation
Die allogene Knochenmark- oder Blutstammzelltransplantation ist die einzige potenziell kurative Therapie der PNH. Aufgrund unbefriedigender Langzeitüberlebensdaten (ca. 56 %) und einer erheblichen transplantations-assoziierten Morbidität und Mortalität sollte die Indikation eng gestellt werden [28]. Mögliche Gründe hierfür wären beispielsweise eine sehr schwere und refraktäre hämolytische Anämie, eine rezidivierende, ausgeprägte und lebensbedrohliche Thromboseneigung, ein schwerer aplastischer Verlauf oder der Übergang in ein MDS. Die Möglichkeiten nicht-myeloablativer Konditionierungsregime sind Gegenstand aktueller Untersuchungen [29].
PNH-Register und -Selbsthilfegruppe
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung wurde von der „International PNH Interest Group“ (IPIG) eine weltweite Datenbank aufgebaut, die detaillierte therapeutische und epidemiologische Daten der PNH-Patienten erfassen soll. Hierdurch sollen neue Informationen über die Therapie und den Verlauf der PNH gewonnen werden (www.pnhsource.com).
Darüber hinaus finden sich weitere Informationen, insbesondere für betroffene Patienten, auf der Homepage der Deutschen PNH-Selbsthilfegruppe (www.pnh-info.de).
Literatur
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3. Luzzatto L, Bessler M. The dual pathogenesis of paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. Curr Opin Hematol 1996;3:101–10.
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21. Hall C, Richards S, Hillmen P. Primary prophylaxis with warfarin prevents thrombosis in paroxysmal nocturnal hemoglobinuria (PNH). Blood 2003;102:3587–91.
22. Fachinformation Soliris®: Stand 2007
23. Hillmen P, Hall C, Marsh JC, Elebute M, et al. Effect of eculizumab on hemolysis and transfusion requirements in patients with paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. N Engl J Med 2004;350:552–9.
24. Hillmen P, Young NS, Schubert J, Brodsky RA, et al. The complement inhibitor eculizumab in paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. N Engl J Med 2006;355:1233–43.
25. Hill A, Rother RP, Hillmen P. Improvement in the symptoms of smooth muscle dystonia during eculizumab therapy in paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. Haematologica 2005;90:ECR40.
26. Hillmen P, Muus P, Dührsen U, Risitano AM, et al. Effect of the complement inhibitor eculizumab on thromboembolism in patients with paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. Blood 2007;110:4123–8.
27. Hill A, Ridley SH, Esser D, Oldroyd RG, et al. Protection of erythrocytes from human complement-mediated lysis by membrane-targeted recombinant soluble CD59: a new approach to PNH therapy. Blood 2006;107:2131–7.
28. Saso R, Marsh J, Cevreska L, Szer J, et al. Bone marrow transplants for paroxysmal nocturnal haemoglobinuria. Br J Haematol 1999;104:392–6.
29. Hegenbart U, Niederwieser D, Forman S, Holler E, et al. Hematopoietic cell transplantation from related and unrelated donors after minimal conditioning as a curative treatment modality for severe paroxysmal nocturnal hemoglobinuria. Biol Blood Marrow Transplant 2003;9:689–97.

Abb. 1. Leitsymptom der PNH: die Hämoglobinurie
Hier dargestellt ist der typische dunkle Morgenurin eines PNH-Patienten, der zur Namensgebung der Erkrankung führte. Es liegt hier aber eine chronische Hämolyse vor, und die morgendliche Dunkelfärbung ergibt sich durch die Konzentrierung des Morgenurins. Wie dargestellt verschwindet die Dunkelfärbung im Laufe des Tages.
Dr. med. Alexander Röth, Prof. Dr. med. Ulrich Dührsen, Klinik für Hämatologie, Zentrum für Innere Medizin, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen, Hufelandstr. 55, 45122 Essen, E-Mail: alexander.roeth@uni-due.de
Tab. 1. Klinische Symptome bei Diagnosestellung der PNH [mod. nach 5]
Symptome |
Häufigkeit |
Anämie-Symptome |
35 % |
Hämoglobinurie |
26 % |
Hämorrhagien |
18 % |
Aplastische Anämie |
13 % |
Gastrointestinale Beschwerden |
10 % |
Hämolytische Anämie und Ikterus |
9 % |
Eisenmangelanämie |
6 % |
Thromboembolische Komplikationen |
6 % |
Infektionen |
5 % |
Neurologische Symptome |
4 % |
Tab. 2. Empfehlung zur Diagnostik der PNH [mod. nach 16]
Blut- und Laborparameter: |
Blut- und Differenzialblutbild, Retikulozyten LDH, indirektes Bilirubin, Haptoglobin |
FACS-Analyse GPI-verankerter Proteine: |
Mindestens 2 Zellreihen (z. B. Granulozyten und Erythrozyten) |
Knochenmarkdiagnostik: |
Zytologie Histologie Zytogenetik |
FACS: Durchflusszytometrie (fluorescence activated cell sorting)
Tab. 3. Therapeutische Optionen der PNH [mod. nach 16]
Kurativ |
Allogene Stammzelltransplantation |
Symptomatische Therapie |
Substitution von Erythrozytenkonzentraten Erythropoetin bei absolutem oder relativem Mangel Folsäure- und ggf. Eisen-Substitution (unter Kontrolle der Eisenspeicher) Prävention und ggf. frühzeitige Behandlung von bakteriellen Infektionen Steroide Antikoagulation Immunsuppressive Behandlung Komplementinhibition mit Eculizumab (Soliris®) |

Abb. 2. Die Komplementkaskade und Eculizumab
Die Aktivierung des Komplementsystems führt zur Bildung des Membranangriffskomplexes und so zur Zelllyse. Die Spaltung von C5 ist der entscheidende Schritt für den Ablauf der Komplementendstrecke. Durch den Anti-C5-Antikörper Eculizumab (Soliris®) kann diese Aktivierung effektiv blockiert werden.

Abb. 3. Therapieschema von Eculizumab
Hier dargestellt ist der Ablauf der Behandlung mit Eculizumab. Voraussetzung ist die Impfung gegen Meningokokken mindestens 2 Wochen vor dem geplanten Therapiebeginn. Danach erfolgt eine Aufsättigung mit der Gabe von 600 mg Eculizumab wöchentlich für 4 Wochen, gefolgt von einer fünften Gabe von 900 mg Eculizumab und im Rahmen der Erhaltungstherapie mit 900 mg Eculizumab alle 2 Wochen. Die Applikation von Eculizumab erfolgt jeweils intravenös über mindestens 35 Minuten gefolgt von einer 60-minütigen Nachbeobachtung.
Paroxysmal nocturnal hemoglobinuria (PNH)
Diagnosis and treatment options
Paroxysmal nocturnal hemoglobinuria (PNH) is characterized by the clinical triad of hemolytic anemia, thrombophilia and cytopenia. This is caused by a mutation of the PIG(phosphatidylinositolglycan)-A gene of the pluripotent hematopoetic stem cell and this results in a deficiency of GPI(glycosylphosphatidylinositol)-anchors and GPI-anchored proteins on the surface of affected blood cells. Flow cytometry is the standard for diagnosis and measurement of type and size of the PNH clone. The treatment is mainly symptomatic. In case of severe complications during the course of the diseases allogeneic bone marrow transplantation is the only curative option. A new treatment strategy is the inhibition of the terminal complement cascade with a monoclonal antibody (eculizumab). As shown in clinical studies this is efficient to reduce complement mediated intravascular hemolysis, reduce the need for transfusions, improve the quality of life in patients with PNH and reduce the risk for thromboembolic complications, which are the main cause of mortality in PNH.
Keywords: Paroxysmal nocturnal hemoglobinuria, corpuscular hemolytic anemia, therapy, complement inhibition, eculizumab
Arzneimitteltherapie 2008; 26(03)