Wider den oculo-manuellen Reflex


Intervention vs. Medikamente bei stabiler KHK

Dr. med. Peter Stiefelhagen, Hachenburg


Stellen Sie sich einmal vor, Sie leiden an einer stabilen Angina pectoris und koronarangiographisch zeigt sich eine 80%ige LAD-Stenose. Hand aufs Herz! Würden Sie bei einer über 30%igen Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 5 Jahren instabil zu werden und einen Stent oder eine Bypass-Operation zu benötigen, unbeschwert in den Skiurlaub fahren oder nicht doch auf eine sofortige Koronarintervention bestehen? Ich nehme an, dass sich die meisten für Letzteres entscheiden dürften, obwohl neuere Studienergebnisse zeigen, dass ein Abwarten die Prognose keinesfalls verschlechtert.

Und damit wären wir bei der COURAGE-Studie (Clinical outcomes utilizing revascularization and aggressive drug evaluation) [Boden WE, et al. 2007], die eine lebhafte Diskussion über das Für und Wider der invasiven Kardiologie bei stabiler KHK ausgelöst hat. In dieser Studie wurden 2 287 KHK-Patienten mit stabiler Angina pectoris entweder interventionell und medikamentös oder nur medikamentös behandelt. Es zeigte sich: Die Intervention plus medikamentöse Therapie ist der alleinigen medikamentösen Therapie der stabilen KHK in der Symptomkontrolle nur nach 1 und 3 Jahren, nicht aber nach 5 Jahren überlegen. Bei den harten Endpunkten Tod und Myokardinfarkt gibt es keinerlei Unterschied.

Um die Ergebnisse richtig interpretieren zu können, muss man allerdings wissen, dass 35 000 Patienten evaluiert werden mussten, um 2 287 Patienten für eine Randomisierung identifizieren zu können. Grund dafür war eine Reihe von Ausschlusskriterien, die eine Randomisierung aus ethischen Gründen nicht zuließen wie schlechte Pumpfunktion (EF < 30 %), Haupstammstenose, therapierefraktäre Angina pectoris und begleitende Herzklappenerkrankung. Auch wurde bei jedem dritten Patienten, der primär der konservativen Gruppe zugeordnet wurde, im weiteren Verlauf eine Koronarintervention erforderlich. Es handelte sich also um eine stark selektionierte Patientengruppe. Und unabdingbare Voraussetzung für die Stratifizierung in dieser Studie war die Koronarangiographie. Nach diesen Daten sollte also die Indikation für die invasive Diagnostik keinesfalls relativiert werden, eine Hauptstammstenose muss auch bei stabiler KHK immer ausgeschlossen sein.

Worum es letztendlich geht, ist die Frage, ob jede Stenose dilatiert werden muss. Ein solcher oculo-manueller Reflex ist sicherlich nicht immer sinnvoll, insbesondere dann, wenn kein Ischämienachweis erbracht werden konnte.

Die medikamentöse Therapie in der COURAGE-Studie war optimal und an strengen Zielwerten für Lipide und Blutdruck orientiert. Die überraschend gute Compliance der US-amerikanischen Patienten lässt sich auch dadurch erklären, dass bei einer Koronarintervention oder Bypass-Operation in den USA häufig eine sehr hohe, für uns kaum vorstellbare finanzielle Eigenbeteiligung anfällt. Das dürfte in Deutschland sicherlich anders aussehen.

Die Ergebnisse sind nichts sensationell Neues. Bereits in früheren Studien wurde gezeigt, dass eine Koronarintervention bei Patienten mit stabiler Angina pectoris nicht vor einem Infarkt schützen und auch nicht prognostisch wirksam sein kann. Dies liegt an der Beschaffenheit stabiler Plaques; das Risiko für ein akutes Koronarsyndrom ist hier nur sehr gering. Dies sollte man immer im Gedächtnis haben und auch so dem Patienten mitteilen, wenn ein Ballonkatheter eingesetzt werden soll.

Die wichtigste Botschaft der Studie allerdings ist, dass für die Prognose von KHK-Patienten die medikamentöse Begleittherapie entscheidend ist, egal, ob aus Gründen der Lebensqualität eine perkutane Koronarintervention durchgeführt wird oder nicht. Nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Ärzten ist dies angesichts der spektakulären Technologie der invasiven Kardiolgie etwas in Vergessenheit geraten.


Quelle

Boden WE, O‘Rourke RA, Teo KK, Hartigan PM, et al. Optimal medical therapy with or without PCI for stable coronary disease. N Engl J Med 2007;356:1503–16.


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