Venöse Thromboembolien

Idraparinux als Alternative zur Standardtherapie?


Veröffentlicht am: 28.11.2019

Dr. Barbara Ecker-Schlipf, Holzgerlingen

Bei Patienten mit tiefer Venenthrombose zeigte Idraparinux, einmal wöchentlich subkutan über drei oder sechs Monate verabreicht, eine ähnliche Wirksamkeit wie Heparin und anschließende Gabe eines Vitamin- K-Antagonisten. Bei Patienten mit einer Lungenembolie hingegen war Idraparinux weniger wirksam als die Standardtherapie. Unter einer Langzeitbehandlung war das Risiko für schwerwiegende Blutungen erhöht.

Hintergrund

Die Standardmedikation für venöse Thromboembolien, darunter tiefe Venenthrombosen und Lungenembolien, basiert auf einer Initialtherapie mit hochmolekularem (unfraktioniertem) oder niedermolekularem (fraktioniertem) Heparin und anschließender Gabe eines Vitamin-K-Antagonisten über einen Zeitraum von drei bis zwölf Monaten. Diese Therapie zeichnet sich zwar durch eine gute Wirksamkeit aus, als nachteilig zu bewerten ist jedoch, dass eine ständige Überwachung der Therapie und eine Dosisanpassung nötig sind.

Idraparinux ist ein neues synthetisches Pentasaccharid, das den Gerinnungsfaktor Xa selektiv hemmt. Es unterscheidet sich vom synthetischen Antithrombotikum Fondaparinux (Arixtra®), das bereits zur Vorbeugung venöser thromboembolischer Ereignisse zugelassen ist, durch eine deutlich längere Halbwertszeit. Vorteilhaft ist auch, dass Idraparinux in einer fixen Dosierung einmal wöchentlich subkutan verabreicht werden kann. Die Substanz befindet sich derzeit in Phase III der klinischen Entwicklung und wird in verschiedenen Studien untersucht.

Studienziel und -design

Zu den drei im Folgenden beschriebenen Van-Gogh-Studien gehören die DVT-Studie (deep venous thrombosis), die PE-Studie (pulmonary embolism) und die Van-Gogh-Extension-Studie. In diesen drei Studien wird der Fokus auf die Langzeitbehandlung von Patienten mit tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie gerichtet. Sicherheit und Wirksamkeit von Idraparinux und der gängigen Standardtherapie werden verglichen. Ziel ist nachzuweisen, dass Idraparinux ebenso effektiv wie die Standardtherapie, aber in puncto Sicherheit der Standardtherapie überlegen ist.

Bei der DVT- und PE-Studie handelt es sich um zwei randomisierte, offene Nicht-Unterlegenheitsstudien. In die DVT-Studie wurden 2 904 Patienten mit tiefer Venenthrombose eingeschlossen. in die PE-Studie 2 215 Patienten mit Lungenembolie. Die Probanden erhielten randomisiert entweder Idraparinux, einmal wöchentlich 2,5 mg subkutan, oder eine Standardtherapie, bestehend aus einem Heparin, gefolgt von einem Vitamin-K-Antagonisten. Die Studienmedikation wurde über drei bzw. sechs Monate verabreicht. Primärer Endpunkt war die Häufigkeit rezidivierender symptomatischer venöser Thromboembolien (nichttödlich oder tödlich) nach drei Monaten.

In einer dritten Studie, einer Erweiterungsstudie (Van-Gogh-Extension-Studie) wurden Wirksamkeit und Sicherheit einer um sechs Monate verlängerten Langzeitprophylaxe mit Idraparinux gegen rezidivierende venöse Thromboembolien untersucht. Die Probanden mit tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie waren zuvor innerhalb der vorangegangenen van-Gogh-Studien bereits während sechs Monaten mit Idraparinux oder einem Vitamin-K-Antagonisten (innerhalb oder außerhalb der van Gogh-Studien) behandelt worden. Die 1 215 Studienteilnehmer bekamen randomisiert entweder wöchentlich 2,5 mg Idraparinux oder Plazebo subkutan injiziert.

Primärer Endpunkt war die Häufigkeit rezidivierender Thromboembolien und schwerwiegender Blutungen.

Studienergebnis

Die Studienergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

Die Auswertung der Daten der DVT-Studie zeigte für die Wirksamkeit die Nicht-Unterlegenheit von Idraparinux gegenüber der Standardmedikation. Das Auftreten klinisch relevanter Blutungen nach drei Monaten Therapie war in der Idraparinux-Gruppe signifikant geringer als in der Plazebo-Gruppe. So kam es bei 65 Patienten (4,5 %) in der Idraparinux-Gruppe und bei 101 Patienten (7,0 %) in der Standardtherapie-Gruppe zu klinisch relevanten Blutungen (p = 0,004). Nach sechs Monaten waren die Blutungsraten in beiden Studienarmen vergleichbar.

In der identisch durchgeführten PE-Studie ergaben sich abweichende Ergebnisse. Hier konnte die Nicht-Unterlegenheit von Idraparinux nicht gezeigt werden.

Klinisch relevante Blutungen traten signifikant weniger in der Idraparinux- als in der Standardtherapie-Gruppe auf. So erlitten 63 Patienten (5,8 %) der Idraparinux-Gruppe und 92 Patienten (8,2 %) mit Standardtherapie (p = 0,02) klinisch relevante Blutungen.

Die Ergebnisse der Van-Gogh-Extension-Studie sind in Tabelle 2 aufgeführt. Hier traten in der Idraparinux-Gruppe signifikant weniger venöse Thromboembolien auf als in der Plazebo-Gruppe. Bei Patienten, die zuerst Idraparinux und danach sechs Monate Plazebo erhalten hatten, zeigte sich eine geringere Häufigkeit für wiederkehrende Thromboembolien als bei Patienten, die zuerst eine Therapie mit einem Vitamin-K-Antagonisten erhielten. Schwerwiegende Blutungen waren in der Verum-Gruppe signifikant häufiger.

Fazit

Für Patienten mit tiefer Venenthrombose könnte das synthetische Antithrombotikum Idraparinux eine Alternative zur gängigen Standardtherapie mit Heparin und einem Vitamin-K-Antagonisten sein. Die Substanz erwies sich als ebenso effektiv mit einer nahezu identischen Häufigkeit von Rezidiven. Das überraschend abweichende Ergebnis bei Patienten mit Lungenembolie lässt sich derzeit nicht erklären und sollte in einer weiteren Studie noch einmal untersucht werden.

Die verbesserte Wirksamkeit von Idraparinux bei einer verlängerten Langzeitbehandlung geht mit einer größeren Blutungshäufigkeit einher. In diesem Fall sollten Nutzen und Risiko der Therapiemethode sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.

Quellen

The van Gogh Investigators, Buller HR, et. al. Idraparinux versus standard therapy for venous thromboembolic disease. N Engl J Med 2007;357:1094–104.

The van Gogh Investigators. Buller HR, et al. Extended prophylaxis of venous thromboembolism with idraparinux. N Engl J Med 2007;357:1105–12.


Tab. 1. Ergebnisse der DVT- und PE-Studie zum primären Endpunkt, Tag 92 (Auswahl)

DVT-Studie

PE-Studie

Idraparinux (n = 1 452)

Standardtherapie (n = 1 452)

Odds-Ratio

Idraparinux (n = 1 095)

Standardtherapie (n = 1 120)

Odds-Ratio

Patienten mit rezidivierenden Thromboembolien, [n] (%)

42 (2,9)

43 (3,0)

0,98 (0,63–1,50)

37 (3,4)

18 (1,6)

2,14 (1,21–3,78)

Tab. 2. Ergebnisse der Van-Gogh-Extension-Studie (Auswahl)

Idraparinux-Gruppe (n = 594)

Plazebo-Gruppe (n = 621)

Odds-Ratio

p-Wert

Rezidivierende Thromboembolien [n] (%)

6 (1)

23 (3,7)

0,27 (0,11–0,66)

0,002

Idraparinux vor Randomisierung (%)

1,2

0,7

1,58 (0,26–9,55)

0,68

Vitamin-K-Antagonist vor Randomisierung (%)

0,9

5,9

0,14 (0,04–0,48)

< 0,001

Schwerwiegende Blutungen [n] (%)

11 (1,9)

0

< 0,001

Idraparinux vor Randomisierung

3,1

0

Vitamin-K-Antagonist vor Randomisierung

0,9

0

Arzneimitteltherapie 2008; 26(05)