Grzegorz Kofla und Markus Ruhnke, Berlin
Die Zahl invasiver Pilzinfektionen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen. So nahm in den USA zwischen 1979 und 2000 die Häufigkeit von Septikämien ausgelöst durch Pilze um 207 % zu [1]. Systemische Infektionen durch Candida-Spezies gehen mit einer hohen Morbidität und Letalität einher, die erregerassoziierte Sterblichkeit liegt zwischen 25 und 50 % [2]. Nach europäischen Studienergebnissen ist global gesehen Candida albicans der häufigste Erreger von Candidämien und invasiven Candidosen, gefolgt von Candida glabrata, Candida tropicalis und Candida parapsilosis [3]. Die Epidemiologie ist aber stark von den lokalen Therapiegewohnheiten und Bedingungen in den einzelnen Kliniken abhängig.
Für Deutschland ergab eine Untersuchung des Nationalen Referenzzentrums für systemische Mykosen folgende Häufigkeiten der Candida-Spezies in Blutkulturen (n = 428) [4]:
- Candida albicans: 58,4 %
- Candida glabrata: 18,7 %
- Candida parapsilosis: 9,3 %
- Candida tropicalis: 6,3 %
- Candida kefyr: 2,1 %
- Candida krusei: 1,6 %
Zur Behandlung von Patienten mit invasiver Candida-Infektion empfiehlt die Infectious Diseases Society of America (IDSA) in ihren aktuellen Richtlinien Echinocandine (Anidulafungin, Caspofungin, Micafungin) als Therapie der Wahl bei Patienten mit mäßig schwerer bis schwerer Erkrankung [5]. Fluconazol wird für weniger schwer kranke Patienten empfohlen. Fluconazol sollte darüber hinaus nicht bei Infektionen durch Candida glabrata oder Candida krusei eingesetzt werden. Konventionelles Amphotericin B wird jetzt nur noch als Alternativ- oder Zweitliniensubstanz empfohlen, was vor allem mit den Nebenwirkungen zusammenhängt, die deutlich stärker sind (z. B. Nephrotoxizität) als bei den Echinocandinen oder Azolen.
Ähnlich empfiehlt die European Conference on Infections in Leukemia (ECIL) Echinocandine zur Initialtherapie bei erwachsenen Patienten mit (noch) unbekannter Candida-Spezies als AI-Empfehlung (Anidulafungin, Caspofungin) oder AII-Empfehlung (Micafungin). Alternativ können Fluconazol (AI), Voriconazol (AI), Amphotericin-B-Desoxycholat (AI) oder liposomales Amphotericin B (AII) eingesetzt werden [6].
Anidulafungin
Nach Caspofungin (Cancidas®) ist Anidulafungin (Ecalta®) das zweite in Europa im Markt verfügbare Echinocandin. Anfang Mai 2008 wurde mit Micafungin (Mycamine®) die dritte Substanz aus der Gruppe der Echinocandine zugelassen. Anidulafungin ist ein halbsynthetisches Lipopeptid, das durch chemische Modifikation aus einem Fermentationsprodukt (Echinocandin B0) von Aspergillus nidulans hergestellt wird.
Von Caspofungin und Micafungin unterscheidet sich Anidulafungin chemisch durch eine Alkoxytriphenyl-Seitenkette (Abb. 1) und durch seine Unlöslichkeit in Wasser. Anidulafungin ist in alkoholischem Milieu löslich [7, 8].

Abb. 1. Anidulafungin (Ecalta®)
Pharmakodynamik
Anidulafungin weist wie alle Echinocandine einen neuartigen Wirkungsmechanismus auf. Der Arzneistoff stört die Zellwandsynthese der Pilze durch eine nichtkompetitive Hemmung der 1,3-b-d-Glucansynthase, wodurch die Bildung von 1,3-b-d-Glucan gehemmt wird [7, 8]. 1,3-b-d-Glucan ist ein essenzieller Bestandteil der Zellwand von Pilzen, zusammen mit Chitin ist es für die Stabilität sowie für die Form der Zelle und der Zellwand verantwortlich. Pilzzellen, denen 1,3-b-d-Glucan fehlt, werden osmotisch instabil und lysieren leicht [7]. Vermutlich ist dieser Wirkungsmechanismus der Echinocandine der Grund dafür, dass kaum eine Kreuzresistenz mit Antimykotika aus anderen Klassen entsteht [7, 9]. Hinzu kommt, dass humane Zellen im Gegensatz zu Pilzzellen kein 1,3-b-d-Glucan in der Zellwand aufweisen und hiermit zum einen die spezifische Wirkung und zum anderen die geringe Toxizität der Echinocandine im Vergleich zu den Polyenen erklärt wird.
Wirkungsspektrum
Anidulafungin hat in vitro eine gute fungizide Aktivität gegenüber einem breiten Erregerspektrum, insbesondere den Candida-Spezies, einschließlich Candida albicans, Candida glabrata, Candida parapsilosis und Candida tropicalis. Zudem ist es gegen Azol-resistente Candida-Stämme (Candida krusei) und Amphotericin-B-resistente Stämme (Candida lusitaniae) wirksam. Die Aktivität gegen Candida parapsilosis und Candida guilliermondii ist – ähnlich wie bei Caspofungin und Micafungin – schwächer (minimale Hemmkonzentration [MHK] ≥ 1 bis 2 mg/l) als gegen andere Candida-Spezies [9–12].
Anidulafungin ist in vitro auch gegen Candida-glabrata-Stämme wirksam, deren MHK gegen Caspofungin erhöht ist [13]. Diese Daten deuten darauf hin, dass Anidulafungin gegen bestimmte resistente Candida-Isolate im Vergleich zu Caspofungin eine höhere Aktivität hat. Diese In-vitro-Daten müssen jedoch noch durch klinische Daten untermauert werden.
Gegen Aspergillen ist Anidulafungin in vitro ebenfalls sehr aktiv [14]. Gut empfindliche Erreger sind darüber hinaus Saccharomyces cerevisiae, Phäohyphomyceten wie Curvularia-, Bipolaris-, und Alternaria-Arten, Pneumocystis jirovecii (ehemals P. carinii). Mäßig empfindliche Erreger sind in erster Linie dimorphe Pilze wie Histoplasma capsulatum, Blastomyces dermatitidis, Coccidioides immitis, Paracoccidioides brasiliensis; ferner Sporothrix schenckii, Phiolophora spp., Epidermophyton spp. (Dermatophyten). Als resistent gelten Cryptococcus neoformans, Zygomyceten (u. a. Cunninghamella-, Mucor-, Rhizopus-, und Absidia-Arten), Trichosporon beigelii, Pseudallescheria boydii, Erreger der Hyalohyphomykosen (Fusarium spp., Scedosporium spp.), und bestimmte Dermatophyten (Trichophyton spp.) [15].
In vitro zeigt Anidulafungin gegen Aspergillus- und Fusarium-Spezies in Kombination mit Amphotericin B additive Wirkungen und gegen Aspergillus-Spezies synergistische Aktivitäten in Kombination mit Itraconazol oder Voriconazol [16].
Für In-vitro-Untersuchungen zur MHK der Pilze auf Echinocandine stehen seit kurzem Empfehlungen der CLSI (früher NCCLS) zur Verfügung (Dokument M-27A2) [17]. Es besteht bislang aber keine eindeutige Korrelation zwischen der minimalen Hemmkonzentration und der klinischen Wirkung.
Zur Beurteilung der In-vitro-Aktivität der Echinocandine auf Fadenpilze wird unter anderem auch die minimale effektive Konzentration (MEK) angegeben. Dies ist die niedrigste Konzentration, bei der eine Substanz im Mikroskop sichtbare Veränderungen der Fadenpilze auslöst [7, 8]. Die klinische Bedeutung ist ebenfalls unklar.
Pharmakokinetik
Wie alle anderen Echinocandine kann auch Anidulafungin nur intravenös appliziert werden, weil es bei oraler Gabe nicht resorbiert wird. Anidulafungin zeigt über einen weiten Dosisbereich eine lineare Pharmakokinetik mit geringen interindividuellen Variationen [9]. Es verteilt sich nach intravenöser Gabe rasch und hat ein Verteilungsvolumen von 30 bis 50 l. Die Plasmaeiweißbindung liegt bei etwa 84 %. Die Verteilung in Körperflüssigkeiten wie Liquor, Urin oder Augenkammerwasser ist noch nicht bekannt. Die Substanz hat eine gute Gewebegängigkeit (am stärksten erfolgt die Bindung in der Leber). Sie wird aus dem Gewebe nur langsam freigesetzt. Die Plasmaspitzenkonzentration von 8,6 mg/l (bei einer Standarddosierung von 100 mg/d) liegen deutlich über der minimalen Hemmkonzentration für Candida- und Aspergillus-Spezies [9]. Nach Verabreichung einer „loading-dose“ (200 mg) am Tag 1, gefolgt von einer Erhaltungstherapie von 100 mg/Tag wird ein Steady State in 24 Stunden erreicht.
Anidulafungin wird im Plasma langsam chemisch zu einem Peptid mit offener Ringstruktur ohne antimykotische Aktivität abgebaut. Der Abbau der Peptide erfolgt dann weiter im Plasma durch unspezifische Peptidasen [18]. Am Metabolismus von Anidulafungin sind nach bisherigen Untersuchungen keine oxidativen Leberenzyme beteiligt, weshalb in diesem Bereich keine Interaktionen mit anderen Substanzen auftreten.
Die Abbauprodukte werden biliär eliminiert [9]. Die Halbwertszeit dieses Abbaus beträgt in vitro etwa 24 h. Die terminale Halbwertszeit liegt bei 40 bis 50 h. Aufgrund der langen Halbwertszeit verweilt Anidulafungin lange im Gewebe und muss nur einmal täglich appliziert werden [9].
Die pharmakokinetischen Parameter von Anidulafungin sind unabhängig von Alter, Geschlecht und ethnischer Zugehörigkeit. Tabelle 1 zeigt die pharmakokinetischen Parameter von Anidulafungin, Caspofungin und Micafungin im Vergleich [7–9, 19].
Tab. 1. Pharmakokinetische Parameter von Anidulafungin, Caspofungin und Micafungin im Vergleich [7–9, 19]
Anidulafungin |
Caspofungin |
Micafungin |
|
Plasmaspitzenkonzentration (Cmax) |
7,2 mg/l (200 mg Initialdosis, dann 100 mg/Tag) |
9,9 mg/l Tag 14 (70 mg Initialdosis, dann 50 mg/Tag) |
10,1 mg/l (100 mg/Tag) 16,4 mg/l (150 mg/Tag) |
Fläche unter der Serumkonzen-trations-Zeit-Kurve (AUC) |
110, 3 mg × h/l (200 mg Initialdosis, dann 100 mg/Tag) |
57,8 mg × h/l bzw. 96 mg × h/l |
115 mg × h/l (100 mg/Tag) 165 mg × h/l (150 mg/Tag) |
Clearance |
1 l/h |
12 ml/min |
Etwa 0,4 ml/min pro kg KG |
Halbwertszeit |
26,5 h |
9–11 h |
15–17 h |
Verteilungsvolumen |
0,6 l/kg |
0,15 l/kg |
0,39 l/kg |
Proteinbindung |
84 % |
Etwa 97 % |
> 99 % |
Metabolismus |
Langsamer nichtenzymatischer chemischer Abbau des zyklischen Peptids zu offenen Peptiden ohne antimykotische Aktivität |
In der Leber durch Hydrolyse und |
In der Leber durch Arylsulfatase und Catechol-O-Methyltransferase sowie geringfügig durch Hydroxylierung über CYP3A4 |
Ausscheidung |
Fäzes 30 % (< 10 % als unverändertes Anidulafungin), < 1 % im Urin |
Fäzes 35 %, Urin 41 % (etwa 1,4 % unverändertes Caspofungin) |
Fäzes etwa 71 % |
Die pharmakokinetischen Parameter sind bei Patienten mit Leber- und Nierenfunktionsstörungen nicht verändert, Dosisanpassungen sind nicht erforderlich. Anidulafungin ist nicht dialysierbar und die Ausscheidung wird nicht durch Hämodialyse oder eingeschränkte Nierenfunktion verändert [9].
Klinische Wirkung
Wirksamkeit und Verträglichkeit von Anidulafungin wurden bei Patienten mit Soorösophagitis (Phase-III-Studie) [20] sowie bei Patienten mit invasiven Candida-Infektionen in einer Phase-II-Studie mit Dosisfindung [21] und einer Phase- III-Studie im Vergleich zu Fluconazol [22] untersucht.
Soorösophagitis
Die ersten Daten zur klinischen Wirksamkeit wurden in der Behandlung der ösophagealen Candidose bei Patienten mit HIV-Infektion publiziert [20]. Die Studie wurde überwiegend in Südafrika durchgeführt. In dieser Studie wurde die Wirksamkeit von Anidulafungin 100 mg an Tag 1, gefolgt von 50 mg/Tag ab Tag 2, gegen Fluconazol 200 mg an Tag 1, gefolgt von 100 mg/Tag ab Tag 2, in einer randomisierten Studie bei Patienten mit ösophagealer Candidose verglichen. Von 601 Patienten waren etwa 75 % an AIDS erkrankt. Die Therapie dauerte 14 bis 21 Tage (7 Tage über das Abklingen der Symptome hinaus). Die Ansprechraten waren in beiden Therapiearmen (97,2 % mit Anidulafungin, 98,8 % mit Fluconazol) in der endoskopischen Nachuntersuchung bei Studienende ähnlich.
Candidämie: Phase-II-Studie mit Dosisfindung [21]
In einer offenen Phase-II-Studie wurden 123 Patienten im Alter von 18 bis 88 Jahren mit Candidämie ohne Granulozytopenie oder mit einer nachgewiesenen Infektion mit Anidulafungin in Dosen von 50, 75 oder 100 mg einmal täglich behandelt. Initial erhielten sie am ersten Tag jeweils zweimal die Erhaltungsdosis (= loading dose). Die Therapie wurde nach dem Verschwinden der Symptome oder nach negativem Pilzbefund noch zwei Wochen fortgeführt.
Candida albicans wurde bei 53 % der Infektionen als Erreger nachgewiesen, gefolgt von Candida glabrata (31 %), Candida tropicalis (9 %), Candida parapsilosis (9 %) und Candida krusei (4 %). Am Ende der Behandlung konnten 83 Patienten ausgewertet werden, nach der Nachbeobachtungszeit von weiteren zwei Wochen noch 68 Patienten.
Das globale Ansprechen – definiert als klinisch und mikrobiologisch erfolgreiche Therapie – wurde am Ende der Behandlung und nach der Nachbeobachtungszeit bewertet.
Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammengefasst. Bei höheren Dosierungen lässt sich ein Trend zu etwas besserem Ansprechen sehen.
Tab. 2. Ansprechraten bei Patienten mit invasiver Candidämie, die mit unterschiedlichen Dosierungen von Anidulafungin behandelt wurden. Angegeben sind die Daten der auswertbaren Patienten [21].
Endpunkt |
Anidulafungin |
||
50 mg/Tag |
75 mg/Tag |
100 mg/Tag |
|
Globales Ansprechen |
|||
Ende der Therapie |
21/25 (84 %) |
27/30 (90 %) |
25/28 (89 %) |
Nach Follow-up |
13/18 (72 %) |
22/26 (85 %) |
20/24 (83 %) |
Klinisches Ansprechen |
|||
Ende der Therapie |
22/25 (88 %) |
27/30 (90 %) |
25/28 (89 %) |
Nach Follow-up |
13/18 (72 %) |
22/26 (85 %) |
20/24 (83 %) |
Mikrobiologisches Ansprechen |
|||
Ende der Therapie |
21/25 (84 %) |
28/30 (93 %) |
25/28 (89 %) |
Nach Follow-up |
14/18 (78 %) |
22/26 (85 %) |
21/24 (88 %) |
Anidulafungin versus Fluconazol bei Patienten mit systemischer Candidämie (Phase-III-Studie) [22]
In einer randomisierten Phase-III-Studie wurde Anidulafungin mit Fluconazol bei Patienten mit sytemischer Candidämie ohne Granulozytopenie verglichen.
Die Patienten erhielten Anidulafungin (200 mg an Tag 1; dann 100 mg/Tag) oder Fluconazol (800 mg an Tag 1, dann 400 mg/Tag, bei Nierenfunktionsstörungen entsprechend weniger) über 14 bis 42 Tage. Orientiert an definierten Kriterien konnte nach einer mindestens zehntägigen intravenösen Therapie bei allen Patienten auf orales Fluconazol (400 mg/Tag) umgestellt werden.
Die primäre Wirksamkeitsanalyse umfasste das Gesamtansprechen am Ende der intravenösen Behandlung in der modifizierten Intention-to-treat-Gruppe (mITT). Als Therapieerfolg wurde die klinische Heilung oder Besserung plus mikrobiologische Eradikation definiert. Sekundäre Endpunkte umfassten das Ansprechen am Ende der ganzen Therapie und bei Nachuntersuchungen nach zwei und sechs Wochen. Prinzipiell sollte die Nichtunterlegenheit von Anidulafungin nachgewiesen werden.
Von den 261 in die Studie aufgenommenen Patienten wurden 245 nach der mITT ausgewertet. Hiervon wurden 127 Patienten mit Anidulafungin und 118 Patienten mit Fluconazol behandelt. Die zwei Gruppen waren in den demographischen Parametern vergleichbar. Bei 62 % der Patienten wurde Candida albicans isoliert.
Am Ende der intravenösen Therapie hatten in der Anidulafungin-Gruppe 75,6 % (96 von 127) Patienten, in der Fluconazol-Gruppe 60,2 % (71 von 118) Patienten auf die Therapie angesprochen (Abb. 2).

Abb. 2. Phase-III-Studie bei Patienten mit invasiven Candida-Infektionen: Globale Ansprechrate mit Anidulafungin und Fluconazol am Ende der intravenösen Therapie [22]
Anidulafungin zeigte am Ende der ganzen Therapie sowie zwei und sechs Wochen nach dem Ende der ganzen Therapie eine bessere Wirksamkeit. Bis auf den Zeitpunkt sechs Wochen nach Therapie konnte zu jedem Zeitpunkt die Nichtunterlegenheit nachgewiesen werden. Das Ansprechen war in der Anidulafungin-Gruppe teilweise sogar signifikant (p = 0,01) besser. Anidulafungin wirkte vor allem bei Infektionen mit Candida albicans signifikant besser. Auch bei Betrachtung verschiedener Subpopulationen zeigte sich im Trend stets eine bessere Therapieerfolgsrate in der Anidulafungin-Gruppe, beispielsweise bei Patienten mit chirurgischem Eingriff, soliden Tumoren, im Alter über 65 Jahre oder mit Störungen von Leber- und Nierenfunktion.
Die Therapieerfolgsrate war entsprechend dem Erkrankungsschweregrad (gemessen am APACHE-II-Score) in der Anidulafungin-Gruppe immer höher, nahm aber grundsätzlich bei hohem APACHE-Score (> 25) ab.
In der Fluconazol-Gruppe starben innerhalb von 60 Tagen nach Therapiebeginn 31,4 %, in der Anidulafungin-Gruppe 22,8 % der Patienten, die Sterblichkeit war also in der Echinocandin-Gruppe tendenziell geringer. Die mediane Zeit bis zum Tod betrug in der Anidulafungin-Gruppe 21 Tage, in der Fluconazol-Gruppe 14 Tage.
In einer Subgruppenanalyse dieser Phase-III-Studie wurde untersucht, wie sich die beiden Therapieformen auf die Verweildauer der Patienten auf Intensivstationen auswirkten. Retrospektiv konnten die Daten von 35 Patienten der Anidulafungin- und von 28 Patienten der Fluconazol-Gruppe analysiert werden. Die Patienten der Anidulafungin-Gruppe waren weniger Tage auf der Intensivstation und im Krankenhaus, die Unterschiede waren jedoch statistisch nicht signifikant. Dennoch kann der 6 Tage kürzere Aufenthalt auf der Intensivstation finanzielle Auswirkungen auf die Krankheitskosten haben [23].
Verträglichkeit
Die Verträglichkeit von Anidulafungin wurde bei 929 Personen beurteilt, und zwar bei 672 Patienten in Therapiestudien und 257 Probanden in Phase-I-Studien. 481 Patienten wurden länger als 14 Tage mit Anidulafungin behandelt [9].
In der Ösophagitis-Studie traten Nebenwirkungen in 9,3 % der Fälle unter Anidulafungin auf und in 12 % unter Fluconazol. Keine Nebenwirkung trat kumulativ bei mehr als 2 % der Fälle auf. Am ehesten wurde über eine Phlebitis und Kopfschmerzen (je 1,3 %) berichtet. Von den Laborwerten wurde in Einzelfällen über einen Anstieg der Leberenzymaktivität im Serum berichtet, ohne dass dies zu einem Studienabbruch geführt hätte [2o].
In der Phase-III-Studie von Reboli et al. zum Vergleich von Anidulafungin und Fluconazol bei Patienten mit Candidämie waren Nebenwirkungen in beiden Gruppen vergleichbar häufig (24,4 % vs. 26,4 %) (Tab. 3) [22].
Tab. 3. Unerwünschte Wirkungen (n [%]) von Anidulafungin und Fluconazol in einer Phase-III- Studie bei Patienten mit Candidämie [22]. Angegeben sind unerwünschte Ereignisse in möglichem oder wahrscheinlichem Zusammenhang mit der Studienmedikation, die bei ≥ 2 % der Patienten eines Studienarms auftraten
Unerwünschtes Ereignis |
Anidulafungin (n = 131) |
Fluconazol |
≥ 1 unerwünschtes Ereignis |
31 (24,4 %) |
33 (26,4 %) |
Diarrhö |
4 (3,1 %) |
2 (1,6 %) |
Erhöhung von Serum-Leberenzymaktivitäten |
||
Alaninaminotransferase (ALT) |
3 (2,3 %) |
4 (3,2 %) |
Aspartataminotransferase (AST) |
1 (0,8 %) |
3 (2,4 %) |
Alkalische Phosphatase |
2 (1,5 %) |
5 (4,0 %) |
Leberenzyme |
2 (1,5 %)* |
9 (7,2 %) |
Hypokaliämie |
4 (3,1 %) |
3 (2,4 %) |
Tiefe Venenthrombose |
1 (0,8 %) |
3 (2,4 %) |
*p = 0,03 vs. Fluconazol
Zum Anstieg der Leberwerte kam es häufiger in der Fluconazol-Gruppe (n = 9) als in der Anidulafungin-Gruppe (n = 2). Als schwere Nebenwirkungen wurden in der Anidulafungin-Gruppe bei einem Patienten Vorhofflimmern und bei einem Patienten Anfälle beobachtet, in der Fluconazol-Gruppe bei einem Patienten eine tiefe Venenthrombose und bei einem Patienten eine erhöhte Leberenzymaktivität. Ein Therapieabbruch war bei 27 Patienten in der Fluconazol-Gruppe und bei 15 Patienten in der Anidulafungin-Gruppe (p = 0,02) erforderlich [22].
Interaktionen
Anidulafungin ist kein relevantes Substrat und kein relevanter Induktor oder Inhibitor von Cytochrom-P450-Isoenzymen in der Leber [27].
Bei gleichzeitiger Gabe von Anidulafungin und Ciclosporin stieg die Fläche unter der Serumkonzentrations-Zeit-Kurve (AUC) von Anidulafungin um 22 % [24]. Die Ciclosporin-Serumkonzentration braucht nicht angepasst zu werden.
Ansonsten wurden für Anidulafungin jedoch bisher keine klinisch relevanten Arzneimittelinteraktionen beschrieben.
Bei Studien mit gesunden Probanden wurden keine Wechselwirkungen zwischen Anidulafungin und Voriconazol [25], liposomalen Amphotericin B oder Rifampicin beobachtet [9]. Mehr Angaben liegen derzeit nicht vor. Bei Untersuchungen an gesunden Probanden wurden keine nennenswerten pharmakokinetischen Wechselwirkungen zwischen Anidulafungin und Tacrolimus beobachtet [26].
Indikation
Anidulafungin ist zur Behandlung von erwachsenen Patienten ohne Granzulozytopenie zugelassen, die an invasiver Candidose erkrankt sind [9].
Dosierung, Vorbereitung zur Anwendung und Anwendung
Am ersten Tag erhalten die Patienten eine Initialdosis von 200 mg, anschließend täglich 100 mg.
Die Dauer der Therapie richtet sich nach dem klinischen Ansprechen, sie sollte mindestens über eine Dauer von zwei Wochen nach dem letzten positiven Kulturergebnis fortgesetzt werden.
Anidulafungin wird mit Lösungsmittel (20 % Ethanol in Wasser) unter aseptischen Bedingungen zu einer Konzentration von 3,33 mg/ml rekonstituiert. Dies kann bis zu 5 Minuten dauern. Die rekonstituierte Lösung muss klar und ohne sichtbare Partikel sein. Sie muss innerhalb einer Stunde weiter verdünnt und innerhalb von 24 Stunden appliziert werden. Die rekonstituierte Lösung wird in einen Infusionsbeutel überführt und auf eine Konzentration von 0,36 mg/ml verdünnt. Für diese Verdünnung dürfen nur NaCl-Infusionslösung 0,9 % oder Glucose-Infusionslösung 5 % verwendet werden. Sie ist bei 25 °C über 24 Stunden stabil. Aus mikrobiologischen Gründen sollte sie jedoch sofort verbraucht werden [9].
Die Kompatibilität der Anidulafungin-Lösung mit anderen Lösungsmitteln, Medikamenten oder Additiva ist bislang nicht untersucht.
Kosten
Für Caspofungin betragen die reinen Arzneimittelkosten in einer Dosierung von 50 mg/Tag 630,68 Euro, für Anidulafungin in einer Dosierung von 100 mg/Tag 583,77 Euro und für Fluconazol in einer Dosierung von 400 mg/Tag 72,06 Euro (für i. v. Diflucan®) (angegeben sind die Apothekenverkaufspreise; Rote Liste® online, August 2008).
Zusammenfassende Bewertung
Es lässt sich feststellen, dass Anidulafungin gegenüber Fluconazol eine vergleichbare bis überlegene Wirksamkeit gegen Candida-Infektionen (insbesondere bei Candida albicans) aufweist und Fluconazol aufgrund seines breiteren Wirkungsspektrums ersetzen kann. Die Verträglichkeit von Anidulafungin ist sehr gut und ähnelt dem Nebenwirkungsspektrum von Fluconazol. Von Vorteil könnte sein, dass keine Dosisanpassung bei Leber- und Niereninsuffizienz erforderlich ist.
Anidulafungin
+ Gute Wirkung gegen Candida albicans
+ Keine Dosisanpassungen bei Organdysfunktionen
+ Kaum Wechselwirkungen
+ Wie alle Echinocandine relativ gut verträglich
– Löslichkeit
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Dr. med. Grzegorz Kofla, Prof. Dr. med. Markus Ruhnke, Charité Universitätsmedizin, Campus Charité Mitte, Medizinische Klinik und Poliklinik II, Charitéplatz 1,
10117 Berlin, E-Mail: grzegorz.kofla@charite.de, markus.ruhnke@charite.de
A novel echinocandin for treatment of invasive Candida infections and candidemia
Echinocandins are a new class of drugs that have shown promising results in treating a variety of fungal infections. Of these, anidulafungin is a novel echinocandin that appears to have several advantages over existing antifungals. It is unique because it slowly degrades in humans, undergoing a process of biotransformation rather than being metabolized. It has potent in vitro activity against Aspergillus and Candida species. Results of several clinical trials indicate that anidulafungin is effective in treating esophageal candidiasis, including azole-refractory disease. The results of a recent study comparing fluconazole versus anidulafungin demonstrated the superiority of anidulafungin in the treatment of candidemia and invasive Candida infections. No significant drug-drug interactions or adverse events were reported so far. Anidulafungin appears to have an excellent safety profile. Anidulafungin can be given safely to patients with impaired renal function and hepatic impairment with no need for dosage adjustment. Anidulafungin was licensed in Europe for the treatment of invasive Candida infections in adult non-neutropenic patients.
Keywords: Anidulafungin, pharmacology, pharmacokinetics, Candida, invasive Candida infection, candidemia
Arzneimitteltherapie 2008; 26(09)